Stephan Smilowski hat 35 Jahre lang bei der Barmer gearbeitet, dort Versicherte beraten und das Bremer Kundencenter geleitet. „Man merkt, mit wie viel Schwellenangst manche Leute zur Krankenkasse gehen. Vor allem, wenn es Verständigungsschwierigkeiten gibt. Manchen Menschen sieht man das sofort an, wenn sie durch die Tür kommen. Die Krankenkasse gilt für viele bis heute noch als Amt – auch wenn man sich dort jahrelang darum bemüht hat, Ängste und Vorbehalte abzubauen“, weiß der gelernte Sozialversicherungsangestellte.
Kürzlich las er in der Zeitung von einem neuen Projekt in Gröpelingen, für das Mitstreiterinnen und Mitstreiter gesucht werden. Sie sollen zukünftig als sogenannte Gesundheitsbegleiter anderen Menschen aus ihrem Bekanntenkreis oder dem Stadtteil dabei helfen, sich im hiesigen Gesundheitssystem zurechtzufinden. Sie wollen über Behandlungsmöglichkeiten, Ärzte und zustehende Leistungen informieren. Bei Bedarf, so die Idee, könnten die Gesundheitsbegleiter auch übersetzen.
„Da gehst du mal hin“, stand für Smilowski nach der Lektüre des Artikels fest. Denn: „Wir haben uns oft gewünscht, dass es einen Dolmetscher gibt. Und teilweise auch selbst Dolmetscher eingesetzt, was aber nicht für alle Sprachen möglich ist. Immer wieder haben wir uns auch gedacht, wie schön es für einige Leute wäre, wenn sie jemanden hätten, der zum Beispiel Fragebögen übersetzt oder Wege beschreibt: Wie kommt jemand da und da hin, welche Anträge muss er stellen und wie ist die weitere Vorgehensweise?“
Mit einer solchen Unterstützung würden die Krankenkassen womöglich ganz anders wahrgenommen, meint Smilowski: „Das kommt allen Seiten entgegen. Deshalb finde ich es toll, dass es nun dieses Projekt gibt. Und da ich gebürtiger Gröpelinger bin, dachte ich mir: Jetzt kannst du mal was für deinen Stadtteil tun. Ich kann zwar nicht den Übersetzer spielen“, sagt er, „aber ich kann Infos weitergeben und sicherlich etwas zum Background der zukünftigen Gesundheitsberater beitragen.“ Im Quartierstreff Rostocker Straße hat Smilowski mittlerweile andere Frauen und Männer aus dem Stadtteil kennengelernt, die sich ebenfalls für das Projekt engagieren möchten: Koordinatorin Wilma Warbel vom Gesundheitstreffpunkt West (GTP) hat mittlerweile Interessierte aus ganz unterschiedlichen Bereichen für das Vorhaben gewinnen können.
Unter anderem über einen GTP-Kurs, in dem Frauen das Fahrradfahren lernen können. „Wir haben dort Teilnehmerinnen angesprochen, und drei Frauen aus Syrien haben dann zugesagt. Das finden wir spannend und würden dazu gerne mehr erfahren. Die haben dann untereinander Werbung gemacht, und jetzt haben wir schon sechs Frauen“, erzählt Warbel. Auch ein Psychologe und Psychotherapeut sei dabei und eine Frau mit Erfahrungen in der Flüchtlingshilfe wolle ebenfalls mitmachen, sagt die Projektkoordinatorin: „Wir haben jetzt erst mal überlegt, wie das zusammen gehen kann und wo wir uns gegenseitig unterstützen können. So, wie sich das zusammengefunden hat, finde ich das richtig gut.“
In einem ersten Schritt geht es ihr zufolge nun darum, die Gesundheitsbegleiter in wöchentlichen Schulungen auf ihre zukünftige Aufgabe vorzubereiten. „Es ist ein umfangreiches Spektrum, das wir thematisieren wollen“, sagt Warbel. Es solle zunächst ein Basiswissen zu Körperbau, Volkskrankheiten, psychischen Störungen, Sucht- und Zahnerkrankungen vermittelt werden. Anschließend stehen Themen wie Prävention, gesunde Ernährung und Bewegung, Vorsorgeuntersuchungen und das Gesundheitssystem auf dem Stundenplan.
In Rollenspielen soll später das Dolmetschen geprobt werden, erzählt Warbel. Dies sei gar nicht so einfach. „Denn du bist ja schnell dabei, etwas in die andere Person hineinzuinterpretieren. Du sollst aber nur das übersetzen, was sie sagt, und das auch nicht bewerten.“
Und auch darum, wie man Gespräche führt, was dabei die eigene Rolle ist und wo eigene Grenzen sind, wird es noch gehen. Denn Warbel weiß: „Manche Menschen wollen einfach helfen und denken sich: Dann mache ich das mal für sie. Darum geht es bei dem Projekt aber nicht“, so Warbel. „Unser Motto ist Hilfe zur Selbsthilfe. Es geht nicht darum, etwas für andere zu machen. Sondern darum, sich dazu zu befähigen, es selbst zu machen.“ Warbel ist zuversichtlich: Anfang nächsten Jahres könnte es die ersten Begleitungen geben.