Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Bessere Versorgung geplant Gesundheitszentrum für Bremer Westen

Bis Ende des Jahres soll der Senat ein Konzept für ein Gesundheitszentrum im Bremer Westen entwickeln: Dort sind besonders viele Menschen von Armut und Krankheit betroffen.
25.05.2019, 08:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Gesundheitszentrum für Bremer Westen
Von Sabine Doll

Helmut Zachau verspricht sich viel von dem Trip an die Elbe. Anfang Juni will sich eine kleine Bremer Delegation im Hamburger Stadtteil Veddel eine Gesundheitseinrichtung ansehen, die Modell für Bremen sein könnte. Zachau engagiert sich im Gesundheitstreffpunkt West in Gröpelingen. Der Stadtteil im Bremer Westen ist ein Quartier, in dem die Menschen mit besonderen Herausforderungen zu kämpfen haben. „Viele sind von Armut bedroht oder betroffen. Und das wirkt sich auf die Gesundheit aus“, sagt Zachau.

Den Zusammenhang zwischen Lebensumständen und Krankheitsrisiko hat zuletzt der Landesgesundheitsbericht 2019 für das Land Bremen deutlich gemacht: Kinder und Erwachsene in sogenannten sozial benachteiligten Stadtteilen sind danach deutlich häufiger chronisch krank als Bremer in wohlhabenderen Quartieren. Soziale Indikatoren wie schlechtere Wohnverhältnisse, geringes Einkommen und Arbeitslosigkeit spielen dabei eine wesentliche Rolle. Auch Sprachbarrieren beeinträchtigen den Zugang zu Bildung und Gesundheitsprävention.

Lesen Sie auch

Der Beratungsbedarf sei deutlich größer und vor allem auch vielfältiger, so Zachau. „Um die gesundheitliche Versorgung der Menschen zu verbessern, brauchen wir deshalb andere Konzepte, die neben der medizinischen Versorgung auch Präventionsangebote und Sozialberatung beinhalten – und das möglichst alles unter einem Dach“, sagt Zachau. „Allein medizinische Versorgung reicht nicht aus.“

Die „Poliklinik Veddel“ in Hamburg ist solch ein erweitertes Gesundheits- und Beratungszentrum, wie es sich Zachau und seine Mitstreiter auch für den Bremer Westen gut vorstellen können. Die Veddeler Poliklinik versteht sich als stadtteilbezogenes, sozialmedizinisches Versorgungszentrum. Eine Arztpraxis befindet sich in dem Zentrum; wer Unterstützung bei Behördengängen benötigt, sich zu Themen wie Ernährung und Gesundheitsprävention beraten lassen will, Termine bei anderen Fachärzten ausmachen möchte, Schwierigkeiten mit der Familie hat, an psychischen Problemen leidet, bekommt hier Behandlung und Beratung.

Das wichtige sind die kurzen Wege

„Die Idee ist ein Netzwerk, zu dem Akteure der medizinischen Versorgung, aber auch Anbieter anderer Angebote gehören, um die gesundheitlichen Bedingungen im Stadtteil zu verbessern“, sagt Zachau. „Das Wichtige dabei sind die kurzen Wege, sodass die Patienten gleich vor Ort Angebote und Ansprechpartner finden.“

Zachau macht das beispielhaft am Thema Übergewicht fest: Viele Kinder im Stadtteil sind übergewichtig. Zur Therapie, gehören Bewegungsangebote und Ernährungsberatung. Ärzte könnten die Eltern von der Praxis direkt an Präventionsangebote, die zum Netzwerk gehören, weiterleiten oder an Ansprechpartner im Gesundheitszentrum vermitteln, die bei der Anmeldung etwa im Sportverein helfen. Zachau: „Im Gesundheitstreffpunkt unterstützen wir bereits mit vielen Beratungsangeboten, aber wir machen keine medizinische Versorgung.“

Lesen Sie auch

Die Chancen, dass ein solches integriertes Gesundheitszentrum in naher Zukunft im Bremer Westen entsteht, sind gut. Anfang Mai hat die Bürgerschaft in ihrer letzten Sitzung vor der Wahl einen Dringlichkeitsantrag beschlossen, in dem die Fraktionen von SPD und Grünen dies fordern. Bis 2019 soll nun ein Konzept für den Bremer Westen vom künftigen Senat entwickelt und außerdem der Bedarf für andere Stadtteile ermittelt werden.

„Je größer das Armutsrisiko in einem Stadtteil ist, desto geringer ist die Lebenserwartung der Menschen, die dort leben“, sagt die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Stephanie Dehne, angesichts der Ergebnisse im Landesgesundheitsbericht. Danach beträgt der Unterschied bei der Lebenserwartung zwischen Männern in Schwachhausen und Gröpelingen 7,2 Jahre, bei Frauen sind es 5,9 Jahre. „Dieser Zustand ist nicht hinnehmbar und ein klarer Auftrag für die Politik.“ Ein Gesundheitszentrum mit unterschiedlichen Beratungsangeboten soll aus Sicht der Bürgerschaftsabgeordneten auch Haus- und Kinderärzte in den Stadtteilen mit besonderen Herausforderungen unterstützen – und sie entlasten. Ein großer Teil der medizinischen Sprechstunde entfalle auf Beratung. Dehne: „Viele soziale Problemlagen haben sich in den medizinischen Bereich verlagert.“ Dazu kämen sehr häufig Sprachprobleme.

Sprachmittler sollen bei Übersetzung helfen

Deshalb sollen zum Mitarbeiterstamm eines integrierten Gesundheitszentrums auch sogenannte Sprachmittler gehören, die bei der Übersetzung helfen können. Bisher würden oft Praxismitarbeiterinnen aushelfen, wenn dies zeitlich irgendwie möglich sei. „Wenn Praxis, Sprachmittler, Präventionsfachkräfte, Sozialarbeiter und andere Angebote unter einem Dach untergebracht oder sich das Zentrum in direkter Nähe zu Haus- und Kinderärzten befindet, ist das ein perfektes Netzwerk. Und die Ärzte können sich auf die medizinische Tätigkeit konzentrieren“, so die Gesundheitspolitikerin. Das könnte auch ein Anreiz für Mediziner sein, sich in diesen Stadtteilen niederzulassen.

Im nächsten Schritt müsste laut Dehne in der Gesundheitsbehörde eine Koordinatorin oder ein Koordinator für das Konzept „integriertes Gesundheitszentrum“ abgestellt werden, damit der vorgegebene Zeitplan eingehalten werden könne. Die Kosten sollen, so steht es im beschlossenen Antrag, vor den Beratungen für den Haushalt 2020/21 einfließen. „Ich denke schon, dass das mindestens eine sechsstellige Summe für ein Zentrum wird“, schätzt die SPD-Politikerin. „Es kommt darauf an, welche Räume man nutzen kann und ob etwa eine zusätzliche Stelle, etwa für eine Präventionsfachkraft oder Sprachmittler, eingerichtet werden müsste. Dabei sollte eng mit dem Gesundheitsamt zusammengearbeitet werden.“ Die ärztlichen Leistungen würden, wie üblich, über die Krankenkassen abgerechnet.

Lesen Sie auch

Helmut Zachau ist „ganz optimistisch“, dass aus einem integrierten Gesundheitszentrum im Bremer Westen etwas werden könnte, wie er betont. „Trotz Wahlkampf, in dem viel in Aussicht gestellt wird. Das Konzept hat es immerhin schon mal ins Parlament geschafft“, sagt er.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)