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Bürgerinitiative zieht Bilanz In Oslebshausen kehrt Ernüchterung ein

Was bringt der Widerstand gegen Bauprojekte von Großkonzernen? Die Mitglieder der Bürgerinitiative Oslebshausen haben dazu seit ihrer Gründung 2018 unterschiedliche Erfahrungen gemacht.
12.11.2021, 15:11 Uhr
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In Oslebshausen kehrt Ernüchterung ein
Von Anne Gerling

Gemeinsam ist man stark: Darin sahen sich viele Oslebshauser und die Mitglieder der vor gut drei Jahren gegründeten Bürgerinitiative (BI) Oslebshausen und umzu bestätigt, nachdem sie im Mai 2018 die Einrichtung einer Biomüll-Umschlagsanlage am Industriehafen – wenige Hundert Meter von der nächsten Wohnbebauung entfernt – verhindert hatte. Aber wie stark ist man gemeinsam wirklich? Bei der BI hat sich Ernüchterung breit gemacht, wie sich am Donnerstagabend bei der ersten Informationsveranstaltung der Initiative seit Ausbruch der Corona-Pandemie zeigte.

Zwei im Ortsteil geplante Großprojekte sind in den vergangenen Monaten weiter vorangetrieben worden: Auf dem Gelände der SWB am Industriehafen wird seit einiger Zeit die Klärschlammverbrennungsanlage gebaut, gegen die die BI lange gekämpft hatte. Außerdem sprach sich Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) gerade erst öffentlich gegen die Errichtung einer Gedenkstätte auf dem Gelände an der Reitbrake aus, auf dem eine Bahnwerkstatt errichtet werden soll.

Einige Teilerfolge habe die BI aber für sich verbuchen können, betonen deren Mitglieder. So habe beim Klärschlammanlagen-Konsortium Kenow wohl niemand damit gerechnet, dass die BI zum Anhörungstermin einen Rechtsbeistand und Anwälte mitbringen würde, sagt Ulrich Uffelmann. Tatsächlich hätten diese dann auch nachweisen können, dass die Darstellung der Kenow zu der Anlage und ihren Auswirkungen „in vielen Punkten nicht ganz korrekt“ gewesen sei. Der TÜV-Gutachter etwa habe einen Fehler gemacht und anders als vom Kenow-Geschäftsführer suggeriert, habe es auch noch keine Verträge über die Entsorgung der anfallenden Aschen gegeben.

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BI-Mitglied Birgit Heidorn hatte gemeinsam mit dem Diakonissenmutterhaus und dem Diako Widerspruch gegen die Genehmigung der Anlage eingelegt, musste aber schnell ihre Grenzen erkennen. „Allein für den Widerspruch haben wir 125 Euro gezahlt.“ Die Kosten seien schließlich auch der Grund gewesen, weshalb sich die Mitglieder der Initiative dagegen entschieden, eine Klage gegen die Anlage einzureichen. 40.000 bis 50.000 Euro hätte diese gekostet. „Solche Summen sind durch Spenden nicht zusammenzubringen“, sagt Heidorn.

Selbst wenn eine Klage erfolgreich gewesen wäre, so hätte sie am Ende doch nur wenig verändert, vermutet Uffelmann: „Dann hätte die Filteranlage verbessert werden müssen, dafür hätten wir 25.000 Euro bezahlt. Lohnt sich das?“ Er findet vor allem eines frustrierend: „Solche Konzerne machen es uns auf formaler Ebene unmöglich, sinnvolle Veränderungen durchzusetzen.“ Auch für BI-Sprecher Dieter Winge hat die Angelegenheit vor allem dies gezeigt: „Recht muss man sich kaufen können in diesem Land.“ Zu der bitteren Erfahrung, dass man „gegen Großkonzerne läuft wie gegen Mauern“, so BI-Mitglied Heinz Sommer, sei noch ein anderer Aspekt hinzugekommen: „Politisch haben wir ganz wenig Unterstützung bekommen. Umso erfreulicher ist es, dass die Bremische Evangelische Kirche uns unterstützt und wir zum Beispiel Transparente auf dem Grundstück der Nikolaikirche aufhängen dürfen.“

Nicht locker lassen will die BI bei ihrem Widerstand gegen den Bau einer Bahnwerkstatt an der Reitbrake hinter der Wohnanlage Wohlers Eichen. Mehr als 120 Fragen hatte sie dazu an verschiedene Stellen eingereicht, die bislang jedoch unbeantwortet geblieben sind. „Wir haben da einen großen Informationsbedarf“, sagt BI-Sprecher Dieter Winge.

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Er und seine Mitstreiter sind davon überzeugt, dass die Werkstatt auf einer Brachfläche an der Oldenburger Kurve deutlich besser aufgehoben wäre. Dort gebe es weniger Anwohner, und die kürzere Entfernung zum Hauptbahnhof würde auf lange Sicht den bei Leerfahrten zur Werkstatt entstehenden CO2-Ausstoß reduzieren. Wofür die BI-Mitglieder gar kein Verständnis haben: 2012 hatte die Baudeputation beschlossen, an der Reitbrake entlang der Bahngleise bis zur Finkenau eine grüne „Pufferzone“ zwischen Wohnbebauung und Häfen einzurichten – wozu es bekanntlich nie gekommen ist.

Auch der Umgang der Stadt mit dem Thema „Russenfriedhof“ befremdet die Mitglieder der Initiative. Abgesehen von ein paar Geschichtsinteressierten kenne kaum jemand das Holzkreuz, das seit 1996 an der Reitbrake an Kriegsopfer erinnert, sagt Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum. „Wir sollten die Forderung, dort eine Gedenkstätte einzurichten, aufrecht erhalten, weil völkerrechtlich viel dafür spricht.“ Dass Andreas Bovenschulte eine Gedenkstätte in Oslebshausen ablehnt, will Dieter Winge so nicht akzeptieren. „Wir haben laufende Ausgrabungen“, betont er, „und erst wenn der Bericht vorliegt, kann er wissenschaftlich, rechtlich – auch völkerrechtlich – und moralisch bewertet werden. Und auch eine politische Bewertung brauchen wir.“

Bei den Mitgliedern der Initiative macht sich angesichts dieser Gemengelage vor allem ein Eindruck breit: Dass Bremens Senatoren kein Interesse an Oslebshausen haben. Um sich bei der Politik Gehör zu verschaffen, müssten deutlich mehr Leute auf die Straße gehen als bisher, ist Uffelmann überzeugt: „Deshalb ist es gut, dass wir uns jetzt mit elf anderen Bürgerinitiativen zu einem neuen Bündnis zusammengeschlossen haben.“

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