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Raumzusage zurückgezogen Nachbarschaftshaus lässt Bremer Friedensforum nicht rein

Der Raum war angemietet, die Referenten eingeladen, die Werbung lief: Seit November planen das Bremer Friedensforum und "Aufstehen Bremen" eine Veranstaltung zum Ukraine-Krieg – und mussten nun umdisponieren.
11.01.2023, 18:06 Uhr
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Nachbarschaftshaus lässt Bremer Friedensforum nicht rein
Von Anne Gerling

Wie kann Frieden in der Ukraine geschaffen werden? Und was bringen die Wirtschaftssanktionen gegen Russland? Über Fragen wie diese hatten das Bremer Friedensforum und die linke Sammlungsbewegung „Aufstehen Bremen“ am 26. Januar bei einer öffentlichen Veranstaltung im Nachbarschaftshaus Helene Kaisen (Na‘) diskutieren wollen. „Wirtschaftskrieg gegen Russland und China – Bumerang für unsere Wirtschaft?“, so der Titel der Veranstaltung, die die beiden Initiativen seit November vorbereiten.

Am 4. Januar dann eine unangenehme Überraschung: Das Na‘ zog unerwartet per E-Mail die Zusage für die Räumlichkeiten zurück. Die knappe Begründung: „Die von Ihnen angekündigte Veranstaltung entspricht inhaltlich nicht dem Leitbild und den Werten des Nachbarschaftshauses.“

Druck der kommunistischen „Basisgruppe Antifaschismus“?

„Das ist eine Veranstaltung für Frieden und Zusammenhalt. Wo entspricht dies inhaltlich nicht dem Leitbild und den Werten des Nachbarschaftshauses?“ fragt sich Mitorganisator Ekkehard Lentz vom Bremer Friedensforum. Er vermutet, dass die Absage auf Druck der kommunistischen „Basisgruppe Antifaschismus“ zustande gekommen ist. Diese hatte Ende Dezember in den sozialen Medien gefordert, das Nachbarschaftshaus solle den beiden von den Veranstaltern eingeladenen Referenten keinen Raum bieten, da diese der rechten „Querfront“ zuzurechnen seien.

Es geht dabei um Wolfram Elsner, Bremer Wirtschaftswissenschaftler mit Gastprofessur in China, und Karl Krökel,  Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft Anhalt Dessau-Rosslau. Krökel ist Initiator der Initiative „Handwerker für den Frieden“, spricht sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine aus, lehnt Wirtschaftssanktionen gegen Russland ab und fordert die Reparatur der Gas-Pipeline Nord Stream 2. Er hat 2014 bei der Stadtratswahl in Sachsen-Anhalt für die AfD kandidiert. Im Oktober waren laut MDR bei einer von ihm angemeldeten Demonstration in Berlin auch verschiedene rechte Gruppierungen und der Chefredakteur des vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Magazins "Compact" vor Ort.

Demokrat uns Handwerksmeister

„Das ist kein Rechter. Das ist ein Demokrat und Handwerksmeister, der Sorge um Betriebe hat“, sagt dazu Lentz: „Mir liegt eine persönliche Erklärung von Karl Krökel vor, in der er sich von der AfD distanziert und auf ein Gespräch mit dem früheren BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel beruft. Die AfD ist 2013 nicht als rechtsextreme, sondern als Euro-kritische Partei gegründet worden. Und Karl Krökel war nie Mitglied der AfD.“

Lentz und seine Mitstreiter sehen in der Raum-Absage eine Form von politischer Zensur. Es sei „bedauerlich und kein Highlight für den Prozess einer demokratischen Meinungs- und Willensbildung“, dass es der Bremer Basisgruppe Antifaschismus gelungen sei, „eine angesichts der aktuellen politischen Situation dringend notwendige Debatte“ zu verhindern, heißt es in einem Protestschreiben, das der ehemalige Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Walter Ruffler, der auch bei Aufstehen und im Friedensforum mitarbeitet, beim Neujahrsempfang der Bürgerschaft dem Vorsitzenden des Nachbarschaftshaus-Trägervereins Peter Sakuth überreicht hat.

Streitgespräche statt Maulkorb

„Wir sind der Meinung, dass politische Kontroversen im Streitgespräch ausgetragen werden sollten und nicht durch das Umhängen eines Maulkorbes, wie ihn die Verweigerung eines Veranstaltungsraumes darstellt“, heißt es in dem Schreiben. Auch die Mitglieder der Basisgruppe Antifaschismus – deren Verhalten nun nahezu das Gegenteil von antifaschistisch sei – hätten im Übrigen bei der Veranstaltung im Na' ihre Meinung äußern können. Man habe nach der Absage kurz über eine Online-Veranstaltung nachgedacht, nun aber den Kristal Event Palast im ehemaligen Waldau-Theater angemietet, so Lentz: „Wir lassen uns das nicht verderben.“ Peter Sakuth war bis Redaktionsschluss nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Zur Sache

Querfront

„Mit dem Begriff Querfront wird heute die Übernahme traditionell linker Themen und Symbole durch Rechtsextreme bezeichnet“, schreibt die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung auf ihrer Webseite. Dabei gehe es einerseits um die Angleichung des Kleidungsstils und bestimmter Aktionsformen, andererseits um die Übernahme traditionell linker Themen. Gemeinsame Bezugspunkte ergäben sich aus rechtsextremer Sicht dabei aus dem Kampf gegen Globalisierung, Imperialismus und Kapitalismus.

Der Begriff stammt aus der Zeit der Weimarer Republik. Reichskanzler Kurt von Schleicher wollte damals in einer Querfront Teile von NSDAP, Reichswehr, Gewerkschaften und SPD sammeln.

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