Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Resozialisierung Lernen hinter den Gittern der JVA Oslebshausen

In der JVA Oslebshausen ist Ausbildung ein wesentlicher Teil der Resozialisierung. Jan-Geerd Müller, Leiter des Arbeitswesens der JVA spricht über das Qualifikationsprogramm für Gefangene.
11.05.2023, 07:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Matthias Holthaus

„Wenn Feierabend ist, geht keiner nach Hause – das ist der Unterschied“, sagt Jan-Geerd Müller, Leiter des Arbeitswesens der Justizvollzugsanstalt (JVA) in Oslebshausen. Doch wenn die Gefangenen irgendwann entlassen werden – und im Idealfall nach Hause gehen – dann werden sie auch etwas mitgenommen haben. „Für jeden Strafgefangenen wird bereits geplant“, erzählt Müller –  und das bedeutet: „Wie bekommen wir den Gefangenen hier gebildeter und geschulter wieder raus, als er hergekommen ist?“

Die Maximalbelegung der Justizvollzugsanstalt Oslebshausen liegt inklusive Notbelegung bei ungefähr 750 Gefangenen. Jeder von ihnen könne Anträge auf Arbeitseinsatz stellen und nach einer Wartezeit im besten Falle seinen Wünschen entsprechend eingesetzt werden, wie Müller sagt. „Und das sind nicht nur Produktionsbetriebe, sondern auch Qualifikation. Wir machen hier keinen Verwahrvollzug, so etwas findet nicht statt. Arbeit ist eines der tragenden Mittel der Resozialisierung.“

Schule, berufliche Bildung, aber auch Arbeitstherapie: Die Lernwerkstatt etwa zielt darauf ab, den Gefangenen grundlegende Kenntnisse der Arbeitswelt näherzubringen: „Die Spannbreite reicht hier von mangelnden Arbeitskenntnissen und Arbeitstugenden bis hin zu veralteten Qualifikationen und einer Arbeitsmarktferne“, sagt die JVA-Website über die Lernwerkstatt. Der Fokus liegt hier darauf, dass der Gefangene nach der Entlassung auf dem Arbeitsmarkt Fuß fassen kann.

Fertigen, was einschränkt

In der Abteilung „Stücklohn“ wird laut Müller alles gemacht: Gewürze eintüten, Lego nach Größe sortieren, Fußmatten rollen: „Es ist alles an Arbeit dabei, wir arbeiten abholfertig“, erzählt er. So wie auch die vielen Tuben, die auf einzelnen Tischen zu Hunderten liegen: Sie entpuppen sich als Leberwurst für Hunde, und ein falscher EAN-Code sorgte dafür, dass sie einen Umweg über die Abteilung „Stücklohn“ der JVA nehmen mussten, um später, richtig etikettiert, im Laden zu landen.

In der Tischlerei sind bis zu 16 Gefangene tätig: „Die in der JVA genutzten Betten werden auch hier gefertigt“, erzählt Müller, „ebenso die Schränke und die Stühle.“ Und auch Reparaturen werden hier erledigt, zum Beispiel an Fenstern der JVA. In der großen und sauberen Werkhalle steht dann noch ein etwas eigentümliches Ding, das sich letzten Endes als reparaturbedürftiger Richtertisch entpuppt: „So lange ich hier bin, haben wir irgendwie immer einen Richtertisch“, erzählt Müller und schmunzelt ein wenig. Und auch Schießscheiben werden in der Tischlerei gefertigt, eigens hergestellt für Schießübungen der Bediensteten, denn: „Der Nachtdienst muss bewaffnet sein.“

In der Metallwerkstatt wird von den Gefangenen etwas gefertigt, das ihren eigenen Komfort einschränken kann: Feinvergitterungen, die vor die eigentlichen Gitter montiert werden, um das sogenannte „Pendeln“ zu verhindern: „Sachen von draußen werden häufig in Zwiebelnetzen reingeworfen. Und dann angeln die Gefangenen mit einer Schnur und Gabeln mit umgebogenen Zinken.“ Neben solchen Fenstervorbauten werden aber auch Feuerschalen gefertigt, Rankhilfen, Schmuckzaunelemente oder Grills.

Qualifikationsprogramm ist altersunabhängig

„Mit Aufnahme einer Tätigkeit in einem der Betriebe der JVA Bremen kann, das Einverständnis des Gefangenen vorausgesetzt, eine Vereinbarung hinsichtlich der Durchführung sogenannter Qualifizierungsbausteine getroffen werden“, erklärt Jan-Geerd Müller. „Das, was sie hier lernen, kann draußen auf die Ausbildung angerechnet werden. In der ehemaligen Bäckerei zum Beispiel konnten fünf Qualifizierungsbausteine erworben werden.“

In der Regel dauert ein Qualifizierungsbaustein drei Monate, die Inhalte sind über die Handwerkskammer oder die Handelskammer definiert. Mehr als 20 Arbeitsplätze gebe es allein für die Qualifizierungsbausteine, und diese 20 Arbeitsplätze seien sehr personalintensiv. „Im Rahmen unserer personellen Möglichkeiten ist das viel“, sagt er. „Bestenfalls gibt es zum Ende hin ein Zeugnis oder ein Zertifikat, eine Vermittlung leisten wir jedoch nicht, höchstens zur Agentur für Arbeit.“

Ziel ist es, etwas mitzugeben, was hier vergütet wird und worin der Gefangene auch nach der Haftentlassung weiterarbeiten kann.
Jan-Geerd Müller, Leiter Arbeitswesen

Eine komplette Berufsausbildung sei bei ihnen nicht möglich, „dafür ist die Bremer JVA zu klein. Die Kosten einer vollständigen Ausbildung könnten wir nicht stemmen.“ Das einzig Vollwertige, was die JVA momentan anbiete, sei ein Hauptschulabschluss. Und doch seien die Gefangenen nach diesen drei Monaten stolz, etwas in der Hand zu haben, sagt er über die Qualifikation: „Das ist ein ,Mehr‘.“

Positiv sei auch, dass das Qualifikationsprogramm altersunabhängig ist: „Ziel ist es, etwas mitzugeben, was hier vergütet wird und worin der Gefangene auch nach der Haftentlassung weiterarbeiten kann.“

Info

Informationen über die Angebote der JVA sind unter www.jva.bremen.de erhältlich.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)