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Bremen-Gröpelingen Alkohol- und Drogenszene: Lage im Liegnitzquartier verschlechtert sich

Anwohner aus dem Liegnitzquartier in Bremen schlagen Alarm: Müll, Drogen und Aggressionen haben ihrer Ansicht nach so stark zugenommen, dass dringend eingegriffen werden muss.
19.10.2023, 08:00 Uhr
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Alkohol- und Drogenszene: Lage im Liegnitzquartier verschlechtert sich
Von Anne Gerling

Was ist bloß los im Liegnitzquartier? Das Gebiet verslume zusehends, und die Lage dort habe sich deutlich verschlechtert, ist von verschiedenen Seiten zu hören. Dies habe unter anderem auch damit zu tun, dass sich die Alkohol- und Drogenszene durch den verstärkten Druck des Innenressorts auf den Hauptbahnhof in Richtung Gröpelingen verlagert habe. Unter anderem ist von Rattenbefall in einzelnen Gebäuden und von immer mehr Menschen auf der Straße zu hören, denen es ganz offensichtlich nicht gut geht. Von Schusswaffengebrauch mitten auf dem Liegnitzplatz, nächtlichen Ruhestörungen, Rücksichtslosigkeit, Aggression und einem verstärkten Handel mit vermutlich geschmuggelten Waren. Von unverhohlenem Konsum harter Drogen inmitten aller Öffentlichkeit und von Kindern, die als Drogenkuriere missbraucht werden.

All dies beschleunige den Wegzug von Menschen und verhindere damit das Knüpfen von funktionierenden sozialen Netzwerken, auf denen unsere Demokratie aufbaue, ist Anwohner Heiko Grein überzeugt, der sich seit Jahrzehnten für das soziale Miteinander im Quartier einsetzt. Dabei seien die Betriebe, Liegenschaften und Personen, um die es dabei gehe, klar benennbar und bekannt: „Trotzdem gibt es keine adäquaten Hilfsangebote. Es braucht aber eine kontinuierliche Fokussierung auf den Stadtteil, und man muss die tagtäglichen Schlachten schlagen –  dann könnte hier auch so etwas wie ein Gemeinwesen entstehen.“

Grein verweist auf andere Bundesländer wie Hessen, wo es in Stadtteilen mit besonderen Herausforderungen ressortübergreifende Operationen gebe: „Da gehen Polizei, Zoll, Feuerwehr, Bauaufsicht, Gewerbeaufsicht und Vertreter weiterer Organisationen gemeinsam in Objekte hinein, und jeder guckt aus seiner Perspektive.“ Das sei zwar mit einem hohen Personalaufwand verbunden und koste Geld und Zeit – aber es sei effizient, habe eine große Signalwirkung und koste den Staat langfristig weniger als die Beseitigung der ansonsten daraus erwachsenden Probleme.

Tatsächlich gibt es entsprechende Aktivitäten mit der Anfang 2019 im Innenressort gestarteten „Sicherheitspartnerschaft Gröpelingen“; die Liegnitzstraße und die Lindenhofstraße gehören zu dem Gebiet, das im Fokus der Sicherheitspartnerschaft liegt.

Die behördenübergreifende Einsatztruppe kümmert sich etwa um die sachgemäße Müllentsorgung, indem sie zum Beispiel Hauseigentümer und Geschäftsleute informiert, Müllablagerungen überprüft und wenn nötig –  und möglich  – Sanktionen gegen die Verursacher verhängt. Grein gehen diese Aktivitäten nicht weit genug. Er verweist zum Beispiel auf einen Berg aus ausrangierten Möbeln und Mülltüten, der im September vor einem Wohnhaus an der Ecke Johann-Kühn-Straße/ Bautzener Straße heranwuchs. Mehrere Wochen lang ging das so, Nachfragen von Anwohnern bei der Polizei und der Bremer Stadtreinigung (DBS) blieben zunächst erfolglos. Das Problem: Der Müllhaufen befand sich auf einem Privatgrundstück, für das die öffentliche Hand nicht zuständig ist. Schließlich griff die DBS aber doch ein. DBS-Sprecherin Antje von Horn: „Weil diese Ablagerung zu einer Gefährdung des öffentlichen Raumes geworden ist. Unser Außendienst und der Kontaktpolizist vor Ort haben versucht, die Kontaktdaten des Eigentümers herauszufinden und haben vor Ort Gespräche geführt. Auch Ordnungsdienst und Polizei wurden eingeschaltet. Wir haben Kontakt zum Eigentümer aufgenommen und diesen zur Räumung des Geländes aufgefordert.“ Das ist zunächst einmal erfreulich –  schon wachsen aber an anderen Ecken die nächsten Müllberge heran.

Ein wichtiger sozialer Treffpunkt im Quartier ist der Liegnitzplatz, auf dem sich ein Spielplatz befindet. Dort ist praktisch immer etwas los, denn in Gröpelingen leben besonders viele Kinder und Jugendliche, und in den umliegenden Wohnungen fehlt es oft an Platz und Möglichkeiten zum Spielen. Auf dem Liegnitzplatz gibt es regelmäßig verschiedene Angebote: Es wird Musik gemacht, ein Zirkus-Projekt angeboten oder das Mobile Atelier lädt zu Kunst-Aktionen ein, und viele Kinder machen mit. Dann pulsiert der Spielplatz, macht aber andererseits nicht unbedingt einen einladenden Eindruck und ist erkennbar verbesserungsfähig, weil Platz und Spielgeräte stark in die Jahre gekommen sind. Deshalb wurde der Platz 2020 ins Integrierte Entwicklungskonzept (IEK) Gröpelingen aufgenommen: Er soll erneuert und verbessert werden.

Verschiedene Gestaltungsideen dazu hat der Umweltbetrieb Bremen (UBB) vor fast sieben Monaten in der Stadtbibliothek West vorgestellt. Die Planer hatten sich dabei an Ideen und Wünschen orientiert, die Kinder und Jugendliche aus dem Stadtteil zuvor in einem Beteiligungsverfahren zusammengetragen hatten. Aktuell scheint es in der Sache allerdings nicht weiter voranzugehen, die Neugestaltung des Platzes wurde offenbar zunächst zurückgestellt. Von wem genau und weshalb, war bis Redaktionsschluss nicht zu klären.

Beim Verein Kultur vor Ort, der im „Mosaik Treff“ verschiedene Angebote für die Nachbarschaft organisiert, wird seit einiger Zeit am Aufbau eines neuen Quartierstreffs in einer ehemaligen Teestube am Liegnitzplatz gearbeitet. Dort gäbe es dann 140 anstatt wie aktuell im Mosaik 24 Quadratmeter –  genug Platz für Beratung, Kurse, Seminare, Kinderbetreuung und ein Büro. „Wir haben da die Möglichkeit, viele Angebote zu machen. Mittel aus dem Programm Soziale Stadt stehen auch zur Verfügung“, sagt Kultur-vor-Ort-Geschäftsführerin Christiane Gartner, der zufolge bereits ein Vorvertrag mit dem Eigentümer abgeschlossen wurde: „Die Stadt hat deutlich signalisiert, dass sie es unterstützt.“ Bis zur Realisierung allerdings werde es  noch etwas dauern.

Anwohner Heiko Grein hat kürzlich per E-Mail an die Verwaltung, verschiedene Behörden und Organisationen appelliert, ihre Möglichkeiten konsequent auszuschöpfen, um das Liegnitzquartier lebenswerter zu machen: „Dies könnte ein erster Schritt sein, das Zusammenleben im Quartier zu deeskalieren und langfristig positiver zu gestalten. Das Potenzial dazu ist im Stadtteil angelegt, aber es hebt sich nicht von selbst.“

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