Dienstagvormittag, 11 Uhr: Auf der Grünfläche beim Tura-Vereinsheim beim Startpunkt der Gröpelinger Sportmeile schart sich eine Gruppe gut gelaunter Menschen in Sportkleidung um ein schwarz-graues dreidimensionales Bodenmosaik und ist schwer am Grübeln. Die Rautenpflastersteine zeigen aufeinandergestapelte Würfel – aber wie viele genau? Das ganze Wochenende habe sie nach der richtigen Antwort gesucht, erzählt Inge Gayer und lacht: „Das ist ganz schön schwierig.“

Rita Immisch ist ausgebildete Gesundheitswanderführerin und hat den Mentalpfad entwickelt.
Rita Immisch weiß die Lösung – verrät sie aber erst mal nicht: Die Gröpelinger Vermessungsingenieurin hat sich diese und neun weitere Denksportaufgaben ausgedacht und beobachtet nun gespannt, wie die Aufgaben und Rätsel wohl bei den Mitgliedern der vor fast drei Jahren von Immisch ins Leben gerufenen Wandergruppe ankommen. Die Initiative heißt „Wege neu denken: Aktiv und gut zu Fuß im Bremer Westen“ und trifft sich immer dienstags zum Gesundheitswandern in Gröpelingen, Oslebshausen und Walle. Angefangen habe das Ganze recht klein, erzählt Immisch: „Ziemlich schnell ist die Gruppe dann von fünf auf 20 gewachsen. Wir entdecken immer wieder neue Ecken, die wir bislang noch nicht kannten. Und es macht einfach irre Spaß, in der Gruppe zu laufen und sich auszutauschen.“ Silvia Hüneke, Mitglied der ersten Stunde, bestätigt das: „Ich würde die Gruppe sehr vermissen, wenn es sie nicht mehr gäbe.“
Oslebshauser Park, Gröpelinger Sportmeile, Grüner Bremer Westen: Immisch ist stets auf der Suche nach bisher unbekannten Wegen und neuen Herausforderungen für Körper und Geist. Sie hat für die Wandergruppe schon mal einen mobilen Barfußpfad entwickelt, sie mit Smovey-Ringen überrascht und mit ihren Mitstreitern am „Megamarsch“ teilgenommen, bei dem 50 Kilometer in zwölf Stunden zurückgelegt werden. Ihr jüngster Coup, der sich an Menschen aller Altersgruppen und Fitnesslevel richtet: Ein „Mentalpfad“, der von der Lissaer Straße aus über den Mählandsweg, die Alte Waller Straße und den Mäusetunnel in den Grünen Bremer Westen führt und an zehn Stationen dazu einlädt, das Gehirn an der frischen Luft zu trainieren.
- 4.000 Kleingärten auf 480 Hektar, dazu idyllische Radwege und artenreiche Streuobstwiesen: Der Grüne Bremer Westen ist einen Ausflug wert, erklärt Lisa Hübotter vom Umweltamt Bremen im Podcast "Gartenhelden":
Gehirntraining zur Steigerung der Fitness
„Bereits zehn Minuten Gehirntraining täglich steigern die geistige Fitness spürbar – in Kombination mit Bewegung wird die Gedächtnis- und Denkfähigkeit zusätzlich gestärkt“, sagt Immisch, die sich beim Deutschen Wanderverband zur Gesundheitswanderführerin ausbilden lassen hat. Beim Gesundheitswandern werden kurze Wanderungen mit Bewegungs- und Entspannungsübungen und Informationen zu einem gesunden Leben kombiniert.
Kleine runde Aufkleber mit dem Logo der Initiative weisen wie beim Wandern üblich an Pfosten und Pollern den Weg. An den zehn von Rita Immisch eingebauten Stopps müssen verschiedene Aufgaben gelöst werden. Mal geht es zum Beispiel darum, sich verschiedene Begriffe wie „Löwenzahn“ oder „Bienenretter“ einzuprägen und diese dann mit geschlossenen Augen rückwärts auszusprechen. Immisch: „Das ist eine sehr schöne Konzentrationsübung. Und das Schöne ist: Man kann es mit allen möglichen Wörtern machen.“ An einer anderen Station werden aus Nonsens-Wörtern durch eine andere Anordnung der Buchstaben Bremer Ortsteile.

Wie viele übereinandergestapelte Würfel zeigt dieses 3D-Mosaik? Schwierige Frage, findet nicht nur Inge Gayer (l.)
Lange sinniert die Wandergruppe, welcher Ortsteil sich denn wohl bitte schön hinter BUNMETER verbirgt. „Das ist schwer. Hartmut hat die Begriffe Probegelesen – als ich sie ihm zwei Wochen später nochmal unter die Nase gehalten habe, musste er trotzdem wieder ziemlich lange nachdenken“, nickt Rita Immisch zufrieden in Richtung ihres Mannes, der das 3D-Mosaik an Station eins eigenhändig gepflastert hat und an dessen Lieblingsstation Nummer acht die Anzahl der Dreiecke innerhalb einer geometrischen Figur bestimmt werden müssen. Auch Hartmut Immisch ist begeisterter Wanderer und überzeugt: „Die besten Gespräche hat man beim Gehen.“ Dann tauschen sich die Mitglieder der Wandergruppe zum Beispiel darüber aus, wie man am besten bergauf wandert. „Einen Berg hochgehen geht rückwärts einfacher“, findet etwa Christel Eichler, „dann gucken einen aber alle an.“
Gartenzwege als Ideengeber
Auf die Idee zur Märchenwelt-Station, bei der die Titel verschiedener traditioneller Erzählungen erraten werden müssen, kam Rita Immisch durch die Gartenzwerge, die ein Kleingärtner an der Alten Waller Straße aufgestellt hat. Bis vor einiger Zeit war auch eine Schneewittchenfigur dabei, weiß eine Mit-Wandererin von früheren Touren: „Eines Tages war Schneewittchen dann aber einfach weg und wir haben uns daraufhin gefragt, wo sie wohl hin ist. Sie hat wahrscheinlich einfach genug von den Zwergen gehabt und macht jetzt ihr eigenes Ding.“ Dafür leistet neuerdings Dornröschen den Gartenzwergen Gesellschaft – ein Geschenk von Rita Immisch an den Parzellisten, der ab jetzt auch ein Auge auf die Märchenwald-Station haben wird.
Drei Monate hat Rita Immisch gebraucht, um den Mentalpfad zu konzipieren, die Aufgaben zu entwickeln, Tafeln, Flyer und Aufkleber zu gestalten und Genehmigungen bei Tura und der Projektleitung Grüner Bremer Westen einzuholen. Bei den Materialkosten halfen die Beiräte in Walle und Gröpelingen, und vom Umweltbetrieb Bremen (UBB) gab es Unterstützung bei der praktischen Umsetzung – unter anderem wurde eigens ein Abschnitt zwischen Maiglöckchenweg und Margarethenweg frisch gemäht.

An mehreren Stationen gibt es Flyer, in die die richtigen Lösungen eingetragen werden.
Ein schöner Standort für den etwa zwei Kilometer langen Mentalpfad wäre natürlich auch der Grünzug West gewesen, findet Rita Immisch: „Aber da ist ja gerade so ein Hauen und Stechen zwischen Radfahrern und Fußgängern, dass man da nicht in Ruhe stehen bleiben und eine Denksportaufgabe lösen kann.“ Auch der vor einigen Jahren neu angelegte Rundweg In den Wischen im Grünen Bremer Westen hätte die Gröpelingerin als Örtlichkeit für ihr Projekt gereizt – den flankiert aber schon ein Naturerlebnispfad: „Da wollte ich nicht dazwischenfunken.“
Erneuerung der Aufgaben möglich
Rita Immisch kann sich gut vorstellen, die Aufgaben immer mal wieder gegen neue auszutauschen, damit es auf dem Mentalpfad auf Dauer spannend bleibt. „Es macht mir mehr Spaß, selber Rätsel zu kreieren als welche zu lösen“, sagt sie. Eine knifflige Frage muss sie der Reporterin dann aber doch noch beantworten: Wie einmalig ist wohl der neue Mentalpfad? Immisch: „Ich bin mir zu 99,9 Prozent sicher, dass es so etwas in Bremen bislang noch nicht gab.“