Der Anruf erreichte Georg Geils-Lindemann gegen Mitternacht. Am Apparat war ein Nachbar: „Ihr Haus brennt.“ Eine Dreiviertelstunde später war nur noch ein Gerippe von dem fast 250 Jahre alten Gebäude an der Lindenhofstraße übrig, das einst als schönstes und größtes Gröpelinger Bauernhaus galt. „Das war am ersten Jahrestag des PKK-Verbots in Deutschland“, erinnert sich Geils-Lindemann, der damals in Münster lebte. Er vermutet einen politischen Zusammenhang – an jenem Tag brannten an verschiedenen Orten türkische Einrichtungen, und Ermittlungen ergaben später, dass zwei Molotow-Cocktails auf das Mattfeld-Haus geworfen worden waren, in dem sich damals ein türkisches Café befand. Geils-Lindemann ist froh, dass nichts Schlimmeres passiert ist: „Denn was die Brandstifter nicht wussten: Im hinteren Teil gab es auch noch zwei kleinere Wohnungen.“ v
Idee entwickelt
Mit dem Brand in einer Novembernacht 1994 fängt die Geschichte der Gröpelinger Bibliothek an. Denn nachdem das 1750 erbaute Bauernhaus – eines von dreien an der Lindenhofstraße neben denen der Familien Gäbel und Juchter – abgebrannt war, entwickelte der Bremer Architekt Horst Rosengart für das baumbestandene Grundstück eine Vision. Im November 1995 schlug er dem Gröpelinger Beirat auf einer Sitzung im voll besetzten Bürgerhaus Oslebshausen vor, dort einen 40 mal 20 Meter großen zweigeschossigen Bibliotheksbau zu errichten, der mit einer ovalen Form an ein Schiff – und damit an die maritime Vergangenheit des Westens – erinnern sollte: Eine Bücher-Arche.
Hintergrund dieser Überlegung war, dass Barbara Lison, die kurz zuvor ihr Amt als Stadtbücherei-Direktorin angetreten hatte, eine neue Struktur mit einer Zentralbibliothek und mehreren lokalen Standorten einführen wollte. Einer davon sollte im Bremer Westen liegen. Der Beirat stimmte Rosengarts Entwurf zu. Unter anderem gefiel den Ortspolitikern, dass der neue Standort deutlich zentraler war als die damalige kleine Bibliothek in der Gesamtschule West (GSW) am Rübekamp, die wegen der Asbest-Sanierung der Schule schließen musste.
Kinder sind immer da
Auch er habe Rosengarts Idee damals gleich spannend gefunden, erzählt Georg Geils-Lindemann, dessen Mutter den Mattfeld-Hof Anfang der 1950er-Jahre von einer Tante geerbt hatte: „Wir sind hier schließlich direkt am Wasser.“ Kürzlich war der mittlerweile pensionierte Geschichtslehrer mal wieder zu Besuch in dem markanten Gebäude: „Ich finde immer noch, dass das eine tolle Architektur ist. Und sie hat ja auch einige Preise bekommen. Was ich immer besonders schön finde: Es sitzen immer Kinder in dem Boot im Erdgeschoss und blättern in Büchern.“
Geils-Lindemann hat die 25 Jahre alte Immobilie wie berichtet kürzlich an die Stadt verkauft – schweren Herzens, wie er sagt: „Denn das war für mich ein Herzensprojekt.“ 24 Jahre lang habe er außerdem über die Bibliothek mit deren Leiter Andreas Gebauer zu tun gehabt, den er sehr schätze: „Ich finde, da sitzt der richtige Mann am richtigen Platz. Denn er kann mit den Leuten im Stadtteil gut umgehen und ist ihnen zugewandt. Er kümmert sich rührend um alle Gruppen, die in die Bibliothek kommen.“
Als kleines Abschiedsgeschenk hat Geils-Lindemann Andreas Gebauer nun eine von der Geschichtswerkstatt Gröpelingen gestaltete Informationstafel überreicht. Sie wird neben einem von ihm gestifteten Bild im Obergeschoss der Bibliothek angebracht, das das ehemalige Mattfeld-Bauernhaus auf dem heutigen Bibliotheksgrundstück zeigt – die Kopie eines Gemäldes, das einst im Wohnzimmer seiner Eltern gehangen hat, wie Geils-Lindemann dazu erklärt.