Wie kommt nach den Lockdowns wieder frischer Wind in die Einkaufsstraßen? Anfang des Jahres waren die für das Stadtteilmarketing verantwortlichen Stellen dazu aufgerufen, Projekte für ihre Stadtteile vorzuschlagen. Anfang März beschloss der Senat dann das „Aktionsprogramm Aufenthalts- und Erlebnisqualität Stadtteilzentren 2021“; damit flossen unter anderem Projektmittel in Höhe von 113.000 Euro nach Gröpelingen. Was Gröpelingen Marketing und Kultur vor Ort mit diesem Geld konkret gemacht haben, das hat sich nun Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt (Linke) bei einem Spaziergang durch die Lindenhofstraße angeguckt.
Der Weg dorthin führte sie vorbei am neu entstehenden Ohlenhof Carrée, in das unter anderem die Sparkasse einziehen wird. Mittlerweile läuft der Innenausbau des für die Stadtteilentwicklung zentralen Projekts; Investor Svjatoslav Poljak wartet aktuell auf die Fenster: „Das ist momentan ganz schwierig.“
Beim „Falafel König“ einige Meter weiter zückt die Senatorin spontan ihr Smartphone, um den QR-Code auf einem gelben Metall-Sessel zu scannen – und ist begeistert: Auf dem Bildschirm werden die nächsten Veranstaltungen des Sommerprogramms „Viva la vie“ angezeigt: Seit Juli gibt es abends an wechselnden Orten im Stadtteil vor den Geschäften Straßenmusik und Kleinkunst, nach dem Shopping kann man auf den knallgelben Sitzen Platz nehmen und lauschen. Die ersten Straßenmöbel waren schon Ende 2019 über das Förderprogramm "Lokales Kapital für soziale Zwecke" (LOS) angeschafft worden, mussten aber mit Ausbruch der Pandemie erst mal eingelagert werden. Seit April werden sie nun im Zuge der Image-Kampagne „Love Gröpelingen“ eingesetzt. Kultur-vor-Ort- Geschäftsführerin Christiane Gartner: „Wir wollten damit auch dem Müll im Stadtteil etwas entgegensetzen und haben bis jetzt nur gute Erfahrungen damit gemacht. Wir haben keine Vandalismusschäden und es ist auch nichts geklaut worden.“
Auch die Parkplätze vor dem Fahrradladen „Zweirad Lindenhof“ von Oliver Stubbmann sollen nach Möglichkeit umgewidmet werden, damit dort Fahrradständer und eine Fahrrad-Repair-Station installiert werden können. Auf Initiative von Kultur vor Ort und mit Unterstützung durch die Vonovia und andere Förderprogramme sind solche Selbstbedienungs-Fahrrad-Reparaturstation schon vor dem Torhaus Nord und beim Kunst-Kiosk Bromberger Straße eingerichtet worden – und werden rege genutzt. Auch Stubbmann hat die Corona-Welle zugesetzt; es gibt zurzeit massive Lieferkettenprobleme, wie der Fahrradhändler der Wirtschaftssenatorin schildert: „Wir müssen gerade einem Kunden nach dem anderen absagen. Ich hatte noch einen Laden als Ausstellungsfläche angemietet – habe aber keine Räder, die ich da reinstellen kann.“ Während er auf verspätete Lieferungen warte, müsse er gleichzeitig Bestellungen für 2023 aufgeben: „Eigentlich bräuchte ich eine Zauberkugel.“
Vor Stubbmanns Geschäft wartet gerade ein spezielles Gefährt auf den nächsten Einsatz: Das Gröpelinger Elektro-Lastenrad, das bequem per App kostenlos gebucht werden kann. Das Wirtschaftsressort hatte im ersten Lockdown mehrere Stadtteile mit Rädern für einen Lieferservice ausgestattet, um die ortsansässigen Händler zu unterstützen. Für Gröpelingen hat dieses Modell Christiane Gartner zufolge aber nicht funktioniert. Also wurde beim Gröpelingen Marketing umgedacht und auf Initiative von Stadtteilmanagerin Svenja Weber die Buchungs-App aufgesetzt. Mit Erfolg, wie Stubbmann berichtet: „Es wird gut angenommen, zum Beispiel für Einkäufe, eine Tour in den Baumarkt oder um mal mit den Kindern rauszufahren. Und wir sorgen dafür, dass der Akku voll ist.“
Auch die „Cobags“ sind eine Corona-Aktion: Fahrradtaschen aus recyceltem Kunststoff, die es beim Kauf eines Fahrrades oder auch in anderen Geschäften ab einem bestimmten Warenwert dazu gibt. Etwa im Weinladen Camvino, wo laut Mitarbeiterin Meike Hempe mit der Pandemie neue Wege beschritten wurden: „Erst haben wir Masken genäht und dann einen Wein-Bringdienst organisiert, der auch gut angenommen wird. Außerdem haben wir die Online-Weinprobe ins Leben gerufen.“ Das angeschlossene Reisebüro Pilgino hat sich zeitweise auf Pilgerwege in Deutschland und Weinpilgern um Bremen herum verlegt. Mitarbeiterin Michelle Warninghoff: „Wir hatten im ersten Lockdown unglaublich viele Stornierungen, das war unglaublich hart.“ Noch immer gebe es viele Nachfragen von verunsicherten Kunden.
Gegenüber der Stadtbibliothek geht es neuerdings um Kunst, hier ist mit dem „Masters of Pure Art“ ein neuer Ort vor allem auch für junge Leute im Entstehen: Mit Fördermitteln des Wirtschaftsressorts hat Kultur vor Ort die ehemalige Hafen-Diskothek „Goldene Grotte“ angemietet; die Räume standen über Jahre leer. Nun kuratiert der Gröpelinger Künstler Daniel von Bothmer dort wechselnde Ausstellungen (wir berichteten). „Wir wollen mindestens eine Ausstellung im Monat machen und streben eine Kooperation mit der Kunsthochschule an“, kündigt er an. Am 10. September wird dort die zweite Ausstellung eröffnet.
Es geht weiter zur Wiese beim Lichthaus, wo Katarzyna Swendrowski vegetarische polnische Küche serviert. Ja, tatsächlich: Polnische Gerichte wie das Nationalgericht Bigos, ein Sauerkrauttopf, funktionieren auch ohne Fleisch. „Die Basis dafür ist ohnehin vegan“, so Swendrowski, die seit 2018 Catering macht und Buffets ausrichtet. Die Findorffer Umweltaktivistin hat sich auf ein Experiment beim Gröpelingen Marketing eingelassen: Wer eine kulinarische Idee hat und sie auf ihre Markttauglichkeit hin testen möchte, der kann sich seit Anfang Juli für einen begrenzten Zeitraum in einem voll ausgestatteten Food-Up Gastro-Container ausprobieren. Auch das vom Wirtschaftsressort und über den Europäische Fonds für regionale Entwicklung (Efre) geförderte Projekt ist Teil der Imagekampagne „Original Gröpelingen – hier kannst Du starten“ und wird gut angenommen, wie Stadtteilmanagerin Svenja Weber erzählt: „Bis Ende Oktober ist der Gastro-Container ausgebucht.“
Während sich die Wirtschaftssenatorin, die zwölf Jahre lang – „in zwei Tranchen“ – in Gröpelingen gelebt hat, Swendrowskis Bigos schmecken lässt, sortiert sie die Eindrücke vom Rundgang. „Die Mittel aus dem Aktionsprogramm sind in Gröpelingen sehr gut eingesetzt worden“, findet sie. Und hat zu guter Letzt noch eine überraschende Nachricht für die beiden Stadtteilmarketing-Vereine, die sich bislang über Efre-Mittel finanzieren: „Wir haben jetzt das Geld im Doppelhaushalt und wollen Kultur vor Ort und Gröpelingen Marketing institutionell fördern.“ Christiane Gartner ist happy: „Das ist fantastisch! Denn wir kümmern uns bislang zeitlich in einem hohen Maße um die Anträge für Fördermittel. Diese Zeit würden wir viel lieber in den Stadtteil investieren!“