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Soziale Arbeit Bei Abhängigen bestens bekannt

Seit neun Monaten ist Streetworker Tobias Winkler nun in Gröpelingen unterwegs, um Menschen mit Suchterkrankungen zu helfen. Dabei hat er schon viele Kontakte geknüpft.
03.12.2021, 18:43 Uhr
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Bei Abhängigen bestens bekannt
Von Anne Gerling

„Die Leute konnten mich finden und ich konnte ihnen helfen“: Mit diesem guten Gefühl kommt Tobias Winkler mittlerweile schon an ziemlich vielen seiner Arbeitstage abends nach Hause. Seit Mitte März ist der 29-jährige in den Straßen zwischen Paradice und Justizvollzugsanstalt unterwegs, um Menschen anzusprechen, die seine Unterstützung benötigen könnten: Winkler ist Streetworker bei der Ambulanten Suchthilfe Bremen (ASHB) und kümmert sich in Gröpelingen gezielt um Drogenabhängige und Menschen mit Suchterkrankungen. Wenn gewünscht, gibt er sauberes Spritzbesteck, Pflaster und Verbände aus oder hilft bei Anträgen für Ämter.

Aktuell sei er aufgrund der Corona-Pandemie vor allem damit beschäftigt, Masken, Desinfektionsmittel oder Desinfektionstücher zu verteilen, hat Winkler kürzlich dem Sozialausschuss des Gröpelinger Beirats geschildert. Dabei spreche er auch immer wieder Menschen darauf an, sich auf Corona testen oder impfen zu lassen, und begleite sie gegebenenfalls. Im Dezember stehe der nächste Gruppen-Besuch zum Boostern im Café Papagei in der Bahnhofsvorstadt an.

Potenzielle Klienten trifft der Gröpelinger Streeworker zum Beispiel beim Szenetreff an der Debstedter Straße beim Straßenbahndepot, wo er sich regelmäßig mit Streetworker Jonas Pot d’Or vom Verein für Innere Mission austauscht.  Auch die Essensausgabe der Suppenengel auf dem Bibliotheksplatz besucht er häufig, um mit seiner Zielgruppe ins Gespräch zu kommen. Neben dem Rondell im Grünzug steuert er außerdem regelmäßig „klassische Treffpunkte“ wie die Supermarkt-Parkplätze im Stadtteil an.

Etwa 15 bis 30 Personen zählen zu dem Kreis, mit dem sich der 29-Jährige im wöchentlichen Rhythmus austauscht. Hinzu kommen wechselnde Kontakte: „Immer wenn es am Hauptbahnhof mehr Kontrollen und damit Verdrängung gibt, dann merke ich das.“ Dann nämlich verlagere sich das Geschehen jeweils vorübergehend in Richtung Gröpelingen und Bremen-Nord.

Er habe im Stadtteil sehr schnell Anschluss gefunden und schon etliche Personen in Kontakt mit dem Suchthilfezentrum in der City bringen können, berichtete der Straßensozialarbeiter den Ortspolitikern außerdem. „Ich bin ein dauerhafter Ansprechpartner, der es Konsumierenden ermöglicht, mit verschiedenen Stellen kommunizieren zu können. Durch mich ist die Vernetzung mit Hilfsangeboten und Einrichtungen möglich.“ Mittlerweile werde er auch von Einrichtungen gerufen, wenn deren Mitarbeiter jemanden bei weiteren Schritten nicht begleiten könnten. Außerdem sei er aktuell so etwas wie das offizielle Sprachrohr, was Änderungen der Corona-Regeln betreffe, sagt Winkler: „Das gebe ich dann in leichter Sprache oder in manchen Fällen auch auf Englisch weiter.“

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Anerkennende Wort für Winklers Arbeit findet unter anderem Dieter Winge von der Bürgerinitiative Oslebshausen und umzu, der selbst als Suchtberater bei der Ambulanten Suchthilfe Bremen (ASHB) tätig ist. „Ich bin überglücklich, dass wir diese Stelle besetzen und dafür Tobias Winkler gewinnen konnten, weil er wie geschaffen für diese Aufgabe ist.

Streetworking ist nicht einfach und setzt voraus, dass man offen ist und keine Berührungsängste hat. Tobias‘ Arbeit zeigt, dass man die Leute vor Ort besser erreicht. Denn durch ihn haben wir nun auch wieder mit Leuten zu tun, zu denen der Kontakt zwischenzeitlich abgerissen war“, sagt er. Winkler habe in den bislang neun Monaten seiner Tätigkeit schon viele Menschen erreichen können, so Winge weiter: „Und er hat auch viel Licht ins Dunkel gebracht, denn wir waren ja viel am Spekulieren über die Szene im Stadtteil.“

Durch die Straßensozialarbeit sei aber auch deutlich geworden, dass Gröpelingen ein zunehmendes Problem habe: „Die Situation hat sich weiter verschärft, das zeigen auch unsere Daten. Viele unserer Klienten kommen aus Gröpelingen. Das hat auch mit Gentrifizierung zu tun, denn bezahlbaren Wohnraum gibt es inzwischen nur noch in einigen wenigen Stadtteilen.“ Vor diesem Hintergrund brauche der Stadtteil – bei aller Freude über die Streetworker-Stelle – eigentlich noch mehr Angebote wie zum Beispiel eine Tagesstätte oder ein qualifiziertes Beratungsangebot.

Wie in der Videokonferenz des Fachausschusses zu hören war, gibt es offenbar deutliche Signale, dass Winklers bis Dezember befristete Stelle für ein weiteres Jahr verlängert werden soll. Eine Nachricht, die die Gröpelinger Ortspolitiker begrüßen. Denn, so Beiratssprecherin Barbara Wulff (SPD): „Es ist sehr wichtig, dass wir Menschen, die Drogen nehmen, überhaupt erreichen. Am Rondell kenne ich das Thema schon seit 20 Jahren. Es ist gut, dass Tobias Winkler sich im Stadtteil schon so gut vernetzt hat.“ "Mittlerweile sprechen mich Leute mit Namen an, die ich noch nie gesehen habe", sagt Winkler. Ein Ziel für 2022 sei dennoch, sich im Stadtteil noch bekannter zu machen.

Zur Sache

Unterstützung für Suchtkranke

Seit etwa 20 Jahren gibt es im Bremer Westen keine Drogenberatungseinrichtung mehr. Angesichts der zeitweise überdurchschnittlich hohen Inzidenzwerte und Infektionszahlen in Gröpelingen hatten sich Ortsamt, Beirat und Quartiersmanagement vor gut einem Jahr einen Streetworker zur Unterstützung bei der Bewältigung der Pandemie gewünscht. Denn dabei spielen dort auch die Drogenszene und der Drogenhandel eine Rolle. Über den Corona-Fonds konnte eine Streetworkerstelle eingerichtet werden; entsprechende Projektmittel können allerdings jeweils nur auf ein Jahr befristet beantragt werden. Tobias Winkler ist per E-Mail an tobias.winkler@ash-bremen.de erreichbar.

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