Im Sommer 2016 fand in Bremen erstmals ein Festival statt, das dazu beitragen wollte, die Musik, Literatur und Malerei Syriens – vor dem Bürgerkrieg kulturelles Zentrum der arabischen Welt – im Exil wachzuhalten, bekanntzumachen und weiterzuentwickeln und Begegnungen auf Augenhöhe zwischen der deutschen Gesellschaft und hier lebenden Syrerinnen und Syrern zu ermöglichen: Das Funun-Festival, benannt nach dem arabischen Wort für „Künste“.
Innerhalb weniger Jahre etablierte sich Funun und entfaltete eine Strahlkraft über Bremen hinaus. In diesen Tagen findet das Festival zum sechsten Mal statt – am Freitag, 17. Juni, ab 20 Uhr ist Sänger und Musiker Ibrahim Keivo im Lichthaus zu Gast. Er spricht fünf Sprachen und hat auch dementsprechend viele Fans.
Veranstalter des Festivals ist der in Gröpelingen beheimatete Syrische Exil-Kulturverein (Seku). Dessen Vorsitzende Jasmina Heritani unterstreicht: „Wir sind kein Heimatverein, der Community-Parties veranstaltet. Alle unsere Veranstaltungen sind Orte für Begegnungen, wir haben immer gemischtes Publikum mit Alt- und Neu-Bremern und die Sitzungen und Protokolle sind auf Deutsch.“
Heritani ist seit 2012 Gröpelingerin. „Der Verein wurde in meinem Wohnzimmer gegründet“, erzählt sie: „Gröpelingen ist genau der richtige Stadtteil dafür. Es ist ein Ankommensstadtteil, hier sind viele Menschen aus Syrien, die Ansprechpartner in ihrer Muttersprache oder in ihrer Bildungssprache brauchen. Und die einen Ort brauchen, wo sie dabei unterstützt werden, die deutsche Sprache zu lernen und sich gesellschaftlich zu integrieren.“
Das große Ziel des Vereins ist es, auf der Wiese neben dem Lichthaus ein orientalisches Kultur- und Gesundheitszentrum mit Café und deutsch-arabischer Kita zu bauen. Da dieses Projekt bisher nicht realisiert werden konnte, hat Seku das Haus an der Liegnitzstraße 61 bezogen, in dem bis 2018 die Geschichtswerkstatt Gröpelingen zu finden war. Dort setzt der Verein seine Ideen nun vorerst im Kleinen um: Auf drei Etagen gibt es viel Platz für Kinderbetreuung, zwei Unterrichtsräume und Büros für das Team.
Deutschkurs mit Kinderbetreuung
Etwa zehn Kinder werden täglich vormittags im Erdgeschoss betreut, während ihre Mütter oben lernen: 30 bis 50 Frauen kommen jede Woche ins Haus, um über den Europäischen Sozialfonds (ESF) geförderte Deutschkurse zu besuchen, sich beruflich zu orientieren und in Bremen anzukommen. In den Spielbereich für die Kinder habe der Verein bewusst viel investiert, erzählt Heritani: „Es war uns wichtig, dass das ein schöner Raum ist. Ein wichtiger Aspekt ist für uns bei der Kinderbetreuung auch die deutsche Sprachförderung.“
Über kulturelle Bildung möchte Seku außerdem Jugendlichen helfen, ihr Selbstbewusstsein zu stärken, ihre eigene Kultur kennenzulernen und stolz auf sie zu sein. Sie selbst sei als kleines Kind viel in Syrien gewesen, habe dort die reiche und jahrhundertealte Kultur des Landes kennenlernen und sich eine bikulturelle Identität aufbauen können, sagt die Wirtschafts-Arabistin, Kulturwissenschaftlerin und Germanistin Heritani: „Das können die jungen Leute heute nicht. Sie haben als Kinder das Land verlassen, als Syrien in Schutt und Asche lag.“
Die Generation der Eltern wiederum sei völlig unvorbereitet nach Bremen gekommen, wo sie von jetzt auf gleich eine neue Sprache lernen, eine Wohnung und Arbeit finden und ihre Kinder unterstützen müsse. „Da leisten wir als Verein Unterstützung“, sagt Heritani. Bildungs- und Kulturprojekte sollen den Neu-Bremerinnen und Neu-Bremern dabei helfen, ihren Weg zu finden und Kontakt zu Menschen zu bekommen, die schon länger hier leben. Außerdem bietet der Verein regelmäßig eine Sozialberatung auf Deutsch, Englisch und Arabisch an und ein Schulsozialpädagoge berät Eltern dazu, wie sie ihre Kinder in der Schule unterstützen können – insbesondere während der Lockdowns war die Unsicherheit bei vielen groß.
„Ich finde, dass wir als Verein das gut gemanagt und sogar davon profitiert haben“, blickt die Vereinsvorsitzende auf diese Zeit zurück: „Das Team hat sich in der Pandemie weiterqualifiziert. Im Online-Bereich sind wir echt super geworden.“ Innerhalb kürzester Zeit seien alle Kurse auf Videokonferenz umgestellt worden: „Und wir hatten auch Analphabetinnen dabei, die in der Lage waren, dem Online-Unterricht zu folgen.“ In Kooperation mit dem Quartiersbildungszentrum (QBZ) Morgenland finden bei Seku auch Programme statt, über die sich Frauen mit Migrationshintergrund für eine Tätigkeit in Sprachcafés, Stadtteilprojekten und in der Erwachsenenbildung qualifizieren können.
Und die Männer? Auch für sie sind Angebote in der Planung, etwa ein regelmäßiges Café, Bewerbungstraining oder Unterstützung bei der Existenzgründung. „Wir würden das, wenn Corona es zulässt, gerne im Herbst starten“, sagt Heritani, die auf Kanada verweist, wo es ein „Welcome Centre“ für Einwanderer gibt: „Das, finde ich, haben wir für uns hier aufgebaut. Das kann größer werden.“