Er kam zur richtigen Zeit, der 4:3-Heimerfolg über den TV Eiche Horn: Dabei sammelte Tura Bremen nämlich nicht nur drei Punkte, die es als 15. der 16 Mannschaften umfassenden Bremen-Liga sehr gut gebrauchen kann. Das Team von Steffen Dieckermann beendete zudem eine Negativserie von sechs Niederlagen in Folge. „Das hat auch meiner geschundenen Trainer-Seele gutgetan“, sagt der Tura-Coach erleichtert.
Dabei war der Weg zum Heimerfolg über den bislang überzeugenden Aufsteiger durchaus lang. Zwar hatte Tura nach rund einer Stunde durch Babacar Knang zum 3:1 getroffen. Doch eine Vorentscheidung war damit nicht verbunden. Es wurde nämlich wild: Zunächst vergab Sedat Özdemir eine Großchance auf das 4:1, dann traf der Gegner per Foulelfmeter zum Anschluss, während Tura anschließend ein Strafstoß verweigert wurde. Per Konter erzielte der Gegner schließlich den 3:3-Ausgleich, ehe Maurice-Pascal Hesseling nur zwei Minuten später sein zweiter Treffer zum Endstand gelang (74.). „Wir haben sofort mit dem 4:3 geantwortet – die Reaktion war einfach top“, so Dieckermann.
Es klingt durchaus Stolz mit in diesen Worten. So stark hatte der Trainer seine Mannschaft in der laufenden Saison selten erlebt. Im Gegenteil. Eine Erklärung für den Misserfolg liegt sicher in den zahlreichen Ausfällen. Zwar verfügt der Trainer über ein Aufgebot, das rund 30 Namen umfasst. Das nützt ihm nur relativ wenig, wenn doch gleich so viele Spieler entweder verletzt, gesperrt oder aus anderen Gründen fehlen. Zuletzt stellte sich die Mannschaft jedenfalls oft „von selbst auf“, wie Dieckermann einräumt.
Trainer bemängelt Mentalität
Aber die Personalsituation war nicht allein verantwortlich für die schwierigen Wochen. Der Trainer bemängelte immer wieder auch die Einstellung seiner Mannschaft. Als Beispiel dient ihm eine Trainingseinheit vor dem Spiel beim FC Oberneuland in der vorletzten Woche (3:6). Zuvor hatte Steffen Dieckermann am Morgen des Reformationstages, also einem Feiertag, zum Training gebeten. Aber nur acht Spieler machten mit. Das waren seiner Ansicht nach selbst angesichts der ausgedünnten Personaldecke deutlich zu wenig. Der Tura-Coach fand es „ernüchternd“, und nach der klaren Niederlage in Oberneuland sah er sich bestätigt: „Da muss man sich nicht wundern, wenn so etwas herauskommt.“
Für Steffen Dieckermann bestand also ein Anlass zum Handeln. Am vergangenen Montag gab es eine „Ansprache“. So beschreibt es der Trainer ausdrücklich, denn eine „Aussprache“ wäre ja mit einem Austausch aller Beteiligten verbunden. Damals ging es aber ausschließlich darum, was Dieckermann zu sagen hatte – und das war offenbar eine ganze Menge. Er stellte den Timer seiner Uhr also auf 30 Minuten und begann die Rede mit den Worten: „Ich öffne euch mal die Augen.“
Danach sprach der Tura-Coach alles an, was aus seiner Sicht in den vergangenen Wochen schiefgelaufen war. Er wies darauf hin, dass einige Spieler allzu oft eine Trainingseinheit verpasst hatten, ohne sich abzumelden. Ihm ging es daneben um den körperlichen Zustand eines Teils seiner Mannschaft. „Manche tun gar nichts dafür“, so Dieckermann. Insgesamt erfüllten also nicht alle Spieler die Mindestanforderung an einen Bremen-Liga-Spieler. Weshalb der Trainer die „generelle Einstellung“ seines Teams bemängelte. Er wurde nämlich nicht persönlich, sondern sprach die Missstände „pauschal“ an. Trotzdem sei jedem Einzelnen bewusst geworden, worum es ging, und letztlich habe auch jeder Spieler gewusst, wer gemeint sei.
Der 30-minütige Frontalunterricht hatte jedoch noch einen anderen Zweck, und der diente dem Trainer selbst. „Ich musste mir das auch mal von der Seele reden“, so Dieckermann. Es tat ihm gut, ganz offen über die Probleme in der Zusammenarbeit zu sprechen. Aber die Rede hatte eben auch einen Effekt auf das Team. „Die Stimmung war danach ganz anders“, sagt Steffen Dieckermann. Die Spieler wären plötzlich alle motiviert gewesen, hätten eine gute Trainingswoche absolviert und schließlich auch gegen Eiche Horn alles gegeben. „Die Jungs waren danach stehend K.o.“, betont der Trainer.
Allerdings ist mit den drei Punkten ja noch nicht allzu viel gewonnen. Also erwartet Dieckermann, dass die Leistungsbereitschaft auch in den kommenden Wochen vorhanden sein wird: „Das muss länger halten als ein Fruchtzwerg im Kühlschrank.“ Dabei kommt es dem Trainer vor allem auf die mentale Seite an. „Ein Prozent macht das Talent aus, der Rest ist Einstellung“, sagt Dieckermann. Deshalb würden auch nur seine „Jungs die entscheidende Rolle spielen."
Sie müssten schon an die eigene Stärke glauben, sich auf der anderen Seite aber auf die einst als Grundtugenden beschriebenen Fähigkeiten konzentrieren. Es geht dem Trainer darum, die talentfreie Zone, mithin alles, was ein Fußballer neben den rein spielerischen Fähigkeiten ins Team einbringen kann, möglichst weit auszuschöpfen. Das klingt ziemlich einfach. Ist es aber offenbar nicht. „Es ist das Kernproblem bei Fußballmannschaften“, findet Steffen Dieckermann.
Seine Mannschaft hat allerdings am Wochenende bewiesen, was möglich ist, wenn sie die Hindernisse überwindet. Der Trainer wird nun genau beobachten, wie es weitergeht. Seine Rolle definiert er dabei so: „Ich bin nur ein Kellner, der den Spielern solche Dinge wie das Training serviert.“ Er bestimmt also, was auf den Tisch kommt. Danach sind seine Kicker zuständig.