Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Nachbau des historischen Schiffes Warum die Hansekogge noch nicht wieder an der Schlachte liegt

Die Sanierung der 2014 gesunkenen Hansekogge "Roland von Bremen" dauert länger als gedacht. Die Arbeit an dem Schiff muss auch nicht so schnell wie möglich fertig werden, sagt der Projektleiter.
11.07.2018, 17:16 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Warum die Hansekogge noch nicht wieder an der Schlachte liegt
Von Antje Stürmann

Schwer ruht der Rumpf der Kogge auf dem Trockenen. Planken fehlen. Der Bauch ist leer. Die "Roland von Bremen" macht vorerst keine Anstalten, an die Schlachte zurückzukehren. Drei Jahre liegt der Nachbau der geborgenen Hansekogge nun schon so im Hohentorshafen. Mal mehr und mal weniger vollständig. Vor allem aber viel zu lange: Eigentlich sollte das 2014 gesunkene, maritime Wahrzeichen Bremens schon im Herbst 2017 wieder an der Schlachte liegen. Wo also bleibt die Kogge? "Gute Frage", sagt Projektleiter André Stuckenbrok. "Hier ist sie."

Die Kogge steht unter einem Zeltdach, eingerahmt von einem Baugerüst. An den Metallstangen sind Plakate befestigt, die zu Geld-, Material- und Arbeitsspenden aufrufen. Vier Männer machen sich am Ruder zu schaffen. Sie wollen es abnehmen, um das Heck mit Flachsmatten verkleiden und Epoxid-Harz auftragen zu können. Doch die vier großen verzierten Scharniere sind eingerostet.

Der gelernte Maschinenschlosser Uwe Krohn sprüht Rostlöser an die Metallteile und versucht, sie mit einem Keil auseinanderzutreiben. Zunächst rührt sich nichts, nach einer halben Stunde aber doch. Detlef Gresch, der Neue im Projekt, sagt: "Jetzt ist Bewegung drin." Ein-Euro-Jobber Hans-Werner Neander ist optimistisch: "Bisher haben wir alles geschafft."

Angekündigte Sanierungszeit nicht zu halten

Die 20 Langzeitarbeitslosen und Geflüchteten haben Beschläge abgeschraubt, das Deck zurückgebaut und über eine Tonne an Kabel sowie Maschinen aus dem Bauch der Kogge geholt. Ein Jahr habe allein der Rückbau gedauert, sagt Stuckenbrok. "Im zweiten Jahr haben wir jede einzelne Holzplanke abgenommen. Wir haben eine Thermokammer gebaut und das Holz darin bei konstanter Luftfeuchtigkeit auf 80 Grad Celsius erhitzt" erklärt der Schreiner.

Auf diese Weise sei man dem Pilz Herr geworden, der die Hansekogge befallen und sie fast zerstört hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar: Die angekündigte Sanierungszeit von drei bis fünf Monaten ist nicht zu halten. Ob sich der ganze Aufwand lohnt? "Wir sind ein Beschäftigungsträger", sagt Stuckenbrok. "Bei uns lohnt es sich, wenn wir einen Menschen in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt haben."

Im normalen wirtschaftlichen Prozess sei ein Projekt wie dieses nicht möglich. So etwas könne nur stemmen, wer über Arbeitskraft in unbegrenztem Maß verfüge. Sein Ziel, Menschen zu qualifizieren und sie in Arbeit zu bringen, habe der Verein Bras erreicht: "Wir haben einige ungelernte Teilnehmer in den ersten Arbeitsmarkt integrieren können", so Stuckenbrok. Besonders hoch sei die Erfolgsquote bei den sechs Geflüchteten. "Sie haben beim gemeinsamen Handwerken sehr schnell Deutsch gelernt."

Zweitrangig ist für Bras, dass viele Bremer auf die Kogge warten: "Es ist nicht unsere Aufgabe, das Schiff pünktlich an die Schlachte zu bringen", stellt Stuckenbrok klar. Zeiten und Fristen sind relativ: "Es ist hoch anspruchsvoll, die Leute an ihre Aufgaben heranzuführen", begründet Stuckenbrok. Er selbst erarbeite sich den Schiffbau durch Gespräche mit Fachleuten.

"Wir probieren viel an einem Modell, das seit zwei Jahren hier im Wasser liegt." Hinzu komme der ständige Wechsel der Projektteilnehmer. "Sobald sie vermittelt sind, spätestens aber nach zwei bis drei Jahren sind sie raus aus dem Projekt", so Stuckenbrok. Andere unterbrechen ihre Arbeit monatelang wegen einer Krankheit – und müssen wieder eingearbeitet werden.

Dennoch: Dreiviertel der Koggensanierung haben Stuckenbrok und seine Mitarbeiter nach eigener Einschätzung geschafft. Etliche Schiffsrippen sind erneuert, die Eichenholzbohlen auf dem Deck durch Douglasienholz ersetzt. Das Holz schützt eine Teerschicht. Auf eine Seite des Rumpfes haben sie Korkplatten und Flachsgewebe aufgeklebt sowie Epoxid-Harz aufgetragen. Allein das Material für diese Hälfte, sagt der Projektleiter, habe 10.000 Euro gekostet. Das Geld dafür nimmt Bras aus seinem Spendentopf.

"Ein Schiff muss ins Wasser"

Die Gesamtkosten belaufen sich laut Stuckenbrok auf 200.000 Euro. Mehr als die Hälfte dieser Summe fehle noch. "Bis auf das Epoxid verarbeiten wir nur Naturmaterialien", betont Stuckenbrok. "Am Modellschiff funktioniert's: Die Beschichtung lässt kein Wasser durch." Ob das auch für die große Kogge gilt, die anstelle der Motoren künftig Wind antreiben wird, weiß keiner. Geht der Plan auf, "könnten wir mit der Hansekogge theoretisch um die Welt segeln", glaubt der Hobbyschiffbauer.

Zumindest aber soll die Kogge wieder ins Wasser gelassen werden. "So schön die Arbeit an Land ist: Ein Schiff muss ins Wasser", sagt Stuckenbrok. Im Herbst könnte es soweit sein, dann soll der Rumpf wasserdicht sein. Das Deck wird nach den Vorstellungen Stuckenbroks künftig durch die Bordwand bis nach außen ragen – damit Regenwasser abfließen kann und sich im Holz kein neuer Pilz ansiedelt. "Ich würde die Kogge gern im Hohentorshafen ein weiteres Jahr stehen lassen und dort innen aus- und das Deck aufbauen."

Auf der "Roland von Bremen" sollen in Zukunft Laienschauspieler vom Bras-Projekt Geschichtenhaus Ausschnitte der Bremer Historie vorstellen. "Und man kann die Kogge dann auch mieten", wirbt Stuckenbrok. Bis dahin kann es aber noch dauern. Dem Verein Bras geht laut Stuckenbrok das Geld für die vom Jobcenter geförderten Anleiter aus. Alle drei sind von Anfang an im Projekt dabei. "Wenn sie wegfallen, gibt es ein strukturelles Problem." Es heißt also weiterhin: warten und "gucken, wie sich das Projekt entwickelt".

Info

Zur Sache

2014 war der Nachbau der geborgenen Hansekogge gesunken. Als der Beschäftigunsträger Bras das marode Schiff von der Reederei Hal Över übernahm, hieß es: Die Kogge wieder flott zu machen, dauere höchstens fünf Monate. Dann entdeckten die Hobbyschiffsbauer den Pilz, und aus fünf Monaten wurden drei Jahre.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)