„Wo ist der Stift?“ Die drei Jungs an der Eingangstür vom Jugendhaus Horn kennen den Ablauf genau: wer hier ankommt, muss als erstes eine Maske aufsetzen und sich in die Anwesenheitsliste eintragen. Routiniert nehmen sie den Kugelschreiber von Mitarbeiter Denis Kedzierski entgegen, notieren ihre Namen am Tresen und steuern auf die Turnhalle zu. Sie wollen Volleyball spielen, vielleicht auch Fußballtennis, mal sehen.
Kedzierski ist einer von zwei hauptamtlichen Mitarbeitern im Jugendhaus. Bis zum vergangenen Spätsommer waren sie hier noch zu dritt, aber diese Besetzung kann sich der Träger Petri und Eichen nicht mehr leisten, sagt Bereichsleiter Faro Tuncel. Wie berichtet, ist das Budget für die Einrichtung für die kommenden zwei Jahre auf dem Niveau vom Vorjahr eingefroren worden. Bei steigenden Personal- und Nebenkosten komme das eingefrorene Budget einer Kürzung gleich, erklärt Tuncel.
Schon in den vergangenen Jahren sei so verfahren worden, weshalb der Träger jährlich zwischen 20.000 und 30.000 Euro zum Jugendhausbudget zugeschossen habe. Das allerdings sei nun nicht mehr länger durchzuhalten, sagt er. Unter anderem deshalb, weil die Untervermietung einzelner Räume des Jugendhauses coronabedingt nicht mehr möglich sei.
Sozialindex des Stadtteils ist entscheidender Berechnungsfaktor
Aktuell ist das zweiköpfige Jugendhaus-Team mit insgesamt 60 Wochenstunden im Einsatz – 18 weniger als im Vorjahr. Als Duo lasse sich die Arbeit auf Dauer aber keinesfalls in ihrem derzeitigen Umfang durchhalten, betont Einrichtungsleiterin Eva Bärwolf. Im Urlaubs- oder Krankheitsfall sei nur noch eine Fachkraft vor Ort, was angesichts von bis zu 40 Kindern und Jugendlichen - verteilt auf zwei Etagen - im Grunde kaum tragbar sei.
Dazu komme, dass das Team auch die Jugend-Clique, die sich regelmäßig im Unterstand neben dem Jugendhaus trifft, mit im Blick behalten müsse, erzählt Bärwolf. Für einen einzelnen Mitarbeiter sei das nicht lange durchzuhalten. „In der Konsequenz bedeutet das, dass wir die Einrichtung vorübergehend schließen müssten, wenn die Belastungsgrenze des jeweiligen Mitarbeiters erreicht wäre“, erklärt Tuncel.
Ein entscheidender Faktor für die Berechnung der Budgets für Offene Jugendarbeit (OJA) ist der Sozialindex des Stadtteils, in dem sich die jeweilige Einrichtung befindet. Das sei insofern ungünstig für das Jugendhaus Horn im Kopernikusquartier, als dass der Stadtteil jenseits der Hochhaussiedlung als gutbürgerlich bekannt sei, erklärt Tuncel. Entsprechend niedrig werde das Jugendhaus beim Budgetbedarf eingestuft.
„Es ist nicht unser Ziel, dass Einrichtungen in anderen Stadtteilen für uns auf einen Teil ihres Budgets verzichten“, betont Bärwolf. Es brauche schlicht zusätzliche Mittel für das Jugendhaus, zumal es in Horn-Lehe – anders als in wirtschaftlich schwächeren Stadtteilen – keine Programme wie etwa Wohnen in Nachbarschaften (WiN) zur zusätzlichen Unterstützung der Jugendarbeit gebe.
Eingefroren statt abgegeben
Dem Jugendhaus Horn stehen für 2022 rund 190.000 Euro zur Verfügung. Um den bisherigen Standard von knapp 80 Wochenstunden im Dreier-Team aufrecht erhalten zu können, wären laut Tuncel aber rund 220.000 Euro nötig. „Wenn wir von drei Vollzeitstellen ausgehen würden, wie es die Betriebsvereinbarung eigentlich vorsieht, lägen wir unterm Strich bei etwa 260.000 Euro“, sagt er.
Laut Sozialressort-Sprecher Bernd Schneider war der ursprüngliche Gedanke des OJA-Konzepts, dass die Stadtteile je nach sozialer Lage und Anzahl der Jugendlichen entweder mehr Geld bekommen oder Geld an andere abgeben müssen. Es sei aber seines Wissens in den vergangenen 25 Jahren nie dazu gekommen, dass ein Stadtteil Geld abgeben musste, wenn er weniger Jugendliche hatte oder wenn die soziale Lage sich verbesserte.
Stattdessen seien die Mittel in diesen Fällen eingefroren worden, erklärt er. Dadurch sei die Anpassung langsamer vollzogen worden. Wie aber die Mittel vor Ort verteilt werden, sei bewusst dem Controllingausschuss eines jeden Stadtteils überlassen worden, der die Bedarfe vor Ort besser einschätzen könne, so Schneider.
Verteilungsmöglichkeiten im Stadtteil überschaubar
In Horn-Lehe sind die Verteilungsmöglichkeiten allerdings überschaubar. Neben dem Jugendhaus ist der einzige weitere Anbieter für offene Jugendarbeit im Stadtteil der Gehörlosenverein, der pro Jahr ein Budget von rund 4000 Euro erhält, berichtet Ortsamtsmitarbeiterin Charlotte Eckardt. Da die verbleibenden 190.000 Euro für das Jugendhaus nicht ausreichen, hatte der Sozialausschuss die Sozialsenatorin im vergangenen Monat aufgefordert, gemeinsam mit allen Akteuren eine Lösung für eine bedarfsgerechte finanzielle Ausstattung zu erarbeiten.
„Darum bemühen wir uns bereits seit etlichen Jahren - es ist ärgerlich und enttäuschend, dass das bisher nicht erreicht worden ist“, kommentiert Ausschusssprecher Jochen Behrendt (Grüne) die aktuelle Situation. Bei einem intensiven Austausch im vergangenen November, an dem Vertreter vom Jugendhaus, Träger, Ortsamt, Beirat und Amt für soziale Dienste teilgenommen hatten, habe Einigkeit darüber bestanden, dass die Mittelzuweisung der schwierigen Situation des Jugendhauses nicht gerecht werde, und für die Ausstattung neben den üblichen Sozialindikatoren noch weitere spezielle Rahmenbedingungen wie der Umfang der sozialpädagogischen Betreuung berücksichtigt werden müssten.
Behrendt setzt jetzt große Hoffnungen in ein nächstes Gespräch mit allen Beteiligten – „und möglichst auch mit der Ressortspitze“. Ziel müsse es dabei sein, endlich eine perspektivisch tragfähige und bedarfsgerechte Lösung zu finden. „Ansonsten sehe ich den langfristigen Erhalt des Standortes gefährdet“, betont der Ausschusssprecher.
Auch Faro Tuncel setzt auf ein gemeinsames Gespräch mit der Sozialsenatorin. Das sei ihm in der vergangenen Gesprächsrunde in Aussicht gestellt worden, sagt er. Einen konkreten Termin gibt es bislang noch nicht, Tuncel hofft aber auf eine kurzfristige Einladung. „Die Zeit drängt“, betont er.