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Bude, Bleibe, Beletage Ungewöhnlich wohnen in Bremen: Wie leben Dauercamper?

Ein Leben auf dem Campingplatz: Jürgen Kirschstein und seine Frau sind Dauercamper in Bremen. Ein Porträt über ein Paar, das sich bewusst für ein Leben abseits der Stadt entschieden hat.
24.05.2025, 05:00 Uhr
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Von Karolina Benedyk

Jürgen Kirschstein wohnt mit seiner Frau dort, wo andere Urlaub machen. Gemeldet sind sie auf dem Campingplatz am Stadtwaldsee. Ihr Wohnwagen steht in einer Einbuchtung auf der linken Seite des Platzes "Hanse Camping". Rechts stellen sich die Urlauber auf. Es gibt eine klare Ordnung: Links parken die ohne Wohnung, rechts die mit.

Seit fast 40 Jahren sind die Rentner Camper. Seit über 15 Jahren haben sie einen dauerhaften Stellplatz. Erst stand da ein Wohnwagen, dann ein kleines Vorzelt. Vor acht Jahren kam ein stabiler Anbau dazu. Erst hatten sie nur ein Grundstück, dann pachteten sie auch das Angrenzende. Nun erstreckt sich hinter ihrem Wohnwagen ein kleiner privater Wald, voller Bäume und Sträucher. Im Sommer spendet er Schatten, im ganzen Jahr Ruhe inmitten des Campings.

"Es hat mit einem Wohnwagen angefangen und sich im Laufe der Zeit verselbstständigt", sagt Jürgen Kirschstein, 66. Er erinnert sich, wie leid sie es waren, in der Innenstadt zu leben. Wenn sie aus ihrer Wohnung kamen, sahen sie Beton. Immer mussten sie Zeit einplanen, um einen Parkplatz zu finden. Zusätzlich störte Jürgen Kirschstein, dass die Einteilung der Immobilie vorgegeben war: "Hier die Toilette, da das Schlafzimmer und ein großes Wohnzimmer mit hohen Decken. Überall war so viel ungenutzte Fläche." Vor einigen Jahren verkauften sie schließlich die Wohnung. Dann das Auto, das untätig am Camping stand. Wenn sie nun einen Wagen brauchen, leihen sie sich einen. Ansonsten leben sie sparsam, auch auf den wenigen Metern, die sie ihr Eigen nennen.

Das Wichtigste ist, dass es im Camper nicht feucht wird.
Jürgen Kirschstein

Der Eingang wird von schweren schwarzen Vorhängen abgetrennt, die zugleich das Innere dämmen. "Das Wichtigste ist, dass es im Camper nicht feucht wird", sagt der 66-Jährige. Rechts steht die voll ausgestattete Küche mit Gasherd und Backofen, links der Arbeitsbereich. Vor den Fenstern hängen weiße, gehäkelte Landhausgardinen. Gabi Kirschstein führt weiter ins Vorzelt. Dort lagern sie ihre Waschmaschine sowie einen Kühl- und einen Gefrierschrank. Im Wohnmobil schlafen sie – zusätzlich haben sie sich dort einen Sitzbereich eingerichtet. "Wenn wir uns mal auf die Nerven gehen, gehe ich in den Wohnwagen und Jürgen vor den Computer", sagt die Rentnerin.

"Das ist unser kleines Reich", fügt sie am Ende der Tour vergnügt hinzu. Es ist ein Reich, das sie selbst geplant haben – vollständig auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. Eine Wohnfläche, auf der sich alles verändern lässt, die klein, aber nicht begrenzend ist. Sie haben sich Schränke ausgesucht, die sich flexibel zusammenstellen, auseinandernehmen und neu anordnen lassen.

Auch draußen haben sie alles nach ihren Vorstellungen gestaltet, erzählt Jürgen Kirschstein, während er hinausgeht. Der kleine private Garten, wo sich der Hund austoben kann. Die angebaute Terrasse, auf der sie bei Sonnenschein frühstücken.

Es sei eine kleine Idylle, sagt der Dauercamper, auf die man sich jedoch einstellen muss. Nur die Waschmaschine ist an das Wassernetz angeschlossen. Was sie an Wasser verbrauchen, müssen sie abzapfen und hineintragen. Die Toilette im Wohnwagen dient lediglich als Abstellraum. Dafür nutzen sie die wenige Meter entfernten Sanitäranlage. Für den Herd und die Heizung im Wagen brauchen sie Gas. Vor einigen Jahren vergrößerten sie dafür die Flüssiggasanlage, um die Kartuschen nicht so häufig wechseln zu müssen. Nun stehen zehn Flaschen mit zehn Liter Flüssiggas am Anhänger. Das sei die größte zulässige Anlage, die man sich einbauen lassen dürfte, erzählt Jürgen Kirschstein. "Sie ist auch abgenommen."

Der Aufwand im Alltag lohnt sich für das Ehepaar: Sie müssen nur wenige Meter zum Stadtwald, zum Bürgerpark oder zum Unisee gehen. Wenn sie Ruhe haben wollen, spazieren die beiden am Wasser oder verlieren sich in den vielen Wegen im Bürgerpark. Ansonsten sitzen sie auch Mal beim Italiener und trinken Kaffee. Gemütlich schauen sie zu, wie andere Menschen durch ihr Leben hetzen, sagt Jürgen Kirschstein.

Doch untätig kann der 66-Jährige nicht bleiben. Vor drei Jahren, kurz nach dem Renteneintritt, fiel ihm "die Decke auf den Kopp". Zufällig erfuhr er, dass das Deutsche Rote Kreuz (DRK) Freiwillige für einen Schülerfahrdienst sucht. Für die Fahrten müssen stets zwei Personen im Bus sein. Er meldete nicht nur sich, sondern auch seine Frau an. Jetzt fahren beide zwei Mal am Tag los: kurz vor sieben Uhr, um acht Kinder mit Förderbedarf zur Schule nach Findorff zu bringen und sie nach Schulschluss nach Hause zu fahren. Dann stellen sie den Bus der DRK am Wohnmobil ab und genießen wieder die Ruhe.

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