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Fachausschuss Bremen-Huchting: Armut trifft häufig die Kinder

Über Ursachen und Auswirkungen von Armut und sozialer Benachteiligung hat Wissenschaftler René Böhme die Huchtinger Ortspolitiker informiert. Diskutiert wurde auch, welche Handlungsmöglichkeit die Politik hat.
06.03.2023, 05:00 Uhr
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Von Christa Neckermann

Wie ist die Armutslage in Bremen, welche Auswirkungen hat dies auf Huchting, und was kann aktuell getan werden? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Fachausschuss Soziales und Armutsprävention des Beirates Huchting in seiner letzten Sitzung vor der Beiratswahl.

Dazu hatte Ortsamtsleiter Christian Schlesselmann René Böhme vom Institut Arbeit und Wirtschaft der Universität Bremen eingeladen. In seiner Präsentation zeichnete Böhme ein kontroverses Bild von den finanziellen Möglichkeiten der Bremer: So standen der Armutsquote von 28 Prozent im Land Bremen (entsprechend 26,8 Prozent in Bremen-Stadt) in 2021 – das entspricht der höchsten Armutsquote im Ländervergleich und dem zweithöchsten Wert im Vergleich der Großstädte mit mehr als 500.000 Einwohner – zum Teil überdurchschnittliche Reichtumsquoten und Entwicklungen der Vermögenseinkommen gegenüber.

Seit den 2010er-Jahren bestehe eine stark negative Dynamik, erläuterte Böhme. Dies hätte zu einer überdurchschnittlichen Kinderarmut bei etwa 30 Prozent der Bremer Kinder geführt. Wobei dieser Wert in der Tendenz gleichgeblieben sei.

Als Gründe für die finanziellen Nöte der in Bremen Lebenden machte Böhme eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit, besonders auch bei Menschen ohne abgeschlossene Ausbildung und bei Zugezogenen aus anderen Ländern. „In Bremen gibt es einen hohen Anteil von Geflüchteten, die hier Sozialleistungen nach dem Sozialgesetzbuch II beziehen“, erläuterte Böhme, infolgedessen läge der Armutsanteil bei Personen mit Migrationshintergrund bei erschreckenden 62 Prozent.

Überdurchschnittlich hohe Schuldnerquote

Zur Armutslage in Bremen trüge zudem die überdurchschnittlich hohe Schuldnerquote bei, überdurchschnittliche Anteile von Leiharbeit, Minijobs und Teilzeitarbeitsverhältnissen verstärkten den negativen Trend in Bremen. Eine Studie der Kultusministerkonferenz habe zudem in Bremen den höchsten Zusammenhang zwischen Armut und Bildungserfolg im Vergleich der Bundesländer, der aber analog zu anderen Großstädten liege, festgestellt.

Bezogen auf den Stadtteil Huchting heißt dies, dass der Stadtteil in den Jahren von 2011 bis 2021 um fünf Prozent an Einwohnern auf etwa 30.500 Einwohner angewachsen ist, während Bremen insgesamt nur einen Einwohnerzuzug von vier Prozent verzeichnete. Inzwischen haben die Zugezogenen mit Migrationshintergrund in Huchting einen Anteil von 50,6 Prozent, in Sodenmatt gar 56,4 Prozent, während dieser Anteil 2011 noch bei 35 Prozent lag.

Erfreulich ist dabei, dass der Anteil an unter Sechsjährigen an der Wohnbevölkerung in Huchting am höchsten ist, während in Grolland der höchste Anteil an über 65-Jährigen zu verzeichnen ist.

Pandemie verstärkt Einkommensungleichheiten

Die Corona-Pandemie der vergangenen drei Jahre habe nun als Brennglas gewirkt, legte Böhme dar. Es lägen empirische Hinweise dafür vor, dass durch die Pandemie Einkommens- und Vermögensungleichheit ebenso zugenommen habe wie die gesundheitliche Ungleichheit, die Bildungsungleichheit und die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Die Frauen seien durch Corona dabei gleich vierfach benachteiligt worden so Böhme. Zum einen erlebten sie eine höhere Gefährdung, aufgrund der Pandemie den Arbeitsplatz zu verlieren, weiterhin waren sie häufiger von der Reduktion des Erwerbsumfangs beziehungsweise der Nutzung von Kinderkrankengeld betroffen und mussten im Homeoffice zusätzliche Sorgearbeit wie Kinderbetreuung und Homeschooling übernehmen. Auch erfuhren die Frauen weitaus seltener eine Aufstockung des Kurzarbeitergeldes als ihre männlichen Kollegen.

Auch die Energiekrise wirkt sich auf die Armutssituation in Huchting aus, erläuterte Böhme. Zwar fehlten noch Daten auf kommunaler- und Landesebene zur Messung der Inflation ebenso wie zu den Folgen der Krise, es zeichne sich jedoch schon jetzt das Bild ab, dass untere Einkommensgruppen bedingt durch ihr Konsumverhalten eine höhere Inflationsrate aufweisen als obere Einkommensgruppen. Zudem käme es durch Inflation zur Ausweitung von Kaufkraftarmut bis weit in die untere Mittelschicht hinein, das sei unter anderem an einer deutlich gestiegenen Nachfrage bei den Tafeln, Schuldner- und Energieberatung und weiteren Angeboten ablesbar.

Worauf die Politiker Einfluss haben

Die Handlungsspielräume der politisch Verantwortlichen seien dabei eingeschränkt, machte Böhme deutlich. Auf die Einkommenssituation kann auf lokaler Ebene kaum Einfluss genommen werden. Auf dem Wohnungsmarkt wäre es wünschenswert, einer Entmischung der Bevölkerung entgegenzuwirken, doch erschwerten dies die Huchtinger Baustrukturen mit Einfamilien- und Reihenhäuser einerseits und Blockbebauung andererseits. Anzustreben sei der Ausbau der sozialen Infrastruktur mit den Zielen, die Armutsfolgen abzumildern und Teilhabe sowie Chancengerechtigkeit zu verbessern, um so den Ausstieg aus der Armut zu ermöglichen. „Die Präventionskette muss frühzeitig ansetzen, weil dann höchste Effekte zu erwarten sind“, betonte René Böhme. Als Grundsatz gelte hier, dass „Ungleiches ungleich zu behandeln“ sei.

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