Auf dem Kopf sitzt ein Hut mit breiter Krempe und dazu die grüne Weste – schon aus der Ferne ist klar, wer da um die Ecke kommt: Jürgen Timmermann ist in Huchting und weit über die Stadtteilgrenzen hinaus bekannt wie ein bunter Hund. Und das liegt keineswegs nur an seiner Kopfbedeckung, die zu seinem Markenzeichen geworden ist. Seine ganze Familie ist eng verwoben mit dem Stadtteil, schließlich gibt es sein Geschäft "Blumen Timmermann" seit 100 Jahren vor Ort.
"Der Chef bringt gerade die Trauer rüber", heißt es im Laden an der Kirchhuchtinger Landstraße zu seinem Verbleib. Irgendetwas habe ihn wohl beim Ausliefern der Trauerfloristik für eine Beerdigung aufgehalten. Es waren ein paar tröstende Worte an die trauernde Witwe, "die Zeit muss man sich nehmen", findet Timmermann hinterher. Schnell wird klar: Für ihn geht es nie rein ums Geschäft.
Der ganze Mann ist wie ein Blumenstrauß: Jürgen Timmermann zaubert den Menschen in seiner Nähe ein Lachen ins Gesicht. Egal, ob es seine Kundinnen und Kunden oder die Händler sind, die im Großmarkt seit Jahr und Tag in aller Frühe ihre bunte Ware an ihn verkaufen.
Mit einem lauten Hallo grüßt er alle, die seinen Weg kreuzen, egal, ob es gute Bekannte oder Wildfremde sind. Als wäre Huchting noch das Dorf von früher, wo jeder jeden kannte. "Wer mich nicht kennt, der lernt mich eben kennen", sagt er verschmitzt und meint das trotzdem ernst.
Er findet es gut, dass im Stadtteil mittlerweile so viele unterschiedliche Menschen leben. Sich grüßen und in die Augen schauen, ins Gespräch kommen und Interesse aneinander zeigen, das sind seine Mittel, um das Miteinander zu stärken, "ohne das es nicht geht", findet er.
Einfühlungsvermögen hilft bei der Arbeit
Er kann sich gut einfühlen in andere, das hilft ihm auch bei seiner Arbeit. Die Kundschaft will nicht nur kaufen, sondern auch mal klönen oder ihr Herz ausschütten. Besonders, wenn es um Beerdigungen oder die Grabgestaltung geht. Allein 900 Gräber betreut Timmermann mit seinen Leuten auf dem Huchtinger Friedhof. Viele weitere sind es auf fünf Friedhöfen in der Umgebung.
Zuhören, Mitfühlen und dann den passenden Blumenschmuck zu dem Verstorbenen finden, das scheint Timmermann leicht zu fallen. Er ist gelernter Friedhofsgärtner, besonders mit Gräbern kennt er sich aus. "Für mich ist es, wie ein Beet zu bepflanzen", sagt er. Ein schöner Gedanke: Neues Leben in Form von Pflanzen, die über den Verstorbenen blühen.

Nadine van Lindt, Ines Pape-Rauer, Gaby Timmermann, Kerstin Winter (h.v.l.), Kim Schierenbeck und Raissa Bodemar (v.v.l.) sind das Team des Fachgeschäftes.
Kein Urlaub, eher Dauerlauf
Einen Blumenstrauß zu binden, das ist nicht so seine Sache. Trotzdem hilft er nach der Tour zum Großmarkt auch im Verkauf, fährt die Mitarbeiter zu den Friedhöfen, sieht überall nach dem Rechten, schafft bei Bedarf Blumenerde und Pflanzen heran. Und abends geht es noch ins Büro. Sieben Tage in der Woche läuft das so, erst seit Corona hat der Laden sonntags zu. Sein Leben am Blütenmeer ist nicht wie Urlaub, sondern erinnert eher an einen Dauerlauf.
Mit anpacken, das kennt er gar nicht anders: Schon als kleiner Junge hat er im Betrieb seiner Eltern mitgeholfen. "Ich habe es verflucht, aber sobald man eine Karre schieben konnte, war Helfen Pflicht", erinnert er sich. Lieber wäre er mit seinen Kumpels umhergezogen. Doch stattdessen veranstaltet er mit seinen älteren Brüdern einen Wettstreit im Gewächshaus, wer die Petunien schneller eintopfen kann. Bis der Vater einschreitet, weil er um die Pflanzen fürchtet.
Betrieb im Alter von 20 übernommen
Für ihn als Kind das Schönste: Mit dem Pony bis in die Steller Heide zu reiten. Denn kurzzeitig hatte der Gärtnerei-Betrieb – damals noch an der Varreler Bäke – Ende der 1960er-Jahre sonntags Gastronomie und Ponyreiten angeboten. Jürgen Timmermann und seine Geschwister mussten ausmisten und sonntags die Ponys für andere Kinder führen. Doch in ihrer Freizeit "war das für uns wie Ferien auf dem Immenhof", sagt Timmermann lachend.
Dass er als jüngster Sohn den Betrieb im Alter von 20 Jahren übernommen hat, kam für Timmermann ungeplant. "Eigentlich wollte ich Förster werden", sagt der Mann, der ohne Abitur dann als Gärtner doch noch seine Liebe zur Natur in den Beruf retten konnte.
Timmermann mischt überall mit
Er scheint in Huchting nahezu überall mit dabei zu sein, wo die Menschen zusammenkommen und etwas bewegen wollen. Er ist als "Deichamt-Mann" im Deichverband links der Weser aktiv. Auch im Schützenverein ist er dabei und bringt sich als Vorsitzender der Interessenvertretung der örtlichen Unternehmer ein. Und erst vor zwei Jahren hat er gemeinsam mit anderen den neuen Verein "Wir für Huchting" gegründet, der im Dezember erstmals einen kleinen Weihnachtsmarkt in den Stadtteil geholt hat.
Wer sich so stark engagiert, auf den kann man im Notfall bauen, daran lässt sein Umfeld keinen Zweifel. Er sei der beste Chef, den man sich vorstellen kann, sagen seine Angestellten. "Mein Wort zählt", sagt Timmermann dazu und belässt es dabei. Er ist nicht nur als Gärtner davon überzeugt, dass man nur das ernten kann, was man zuvor gesät hat. Als er selbst vor zwölf Jahren durch einen Herzinfarkt in Nöten war, konnte er miterleben, wie richtig er damit lag.
"Alle waren sofort für mich da und haben toll geholfen: die Händler vom Großmarkt, die Kundschaft und die Mitarbeiter", blickt Ehefrau Gaby Timmermann auf ihre Erlebnisse zwischen dem Krankenbett ihres Mannes und alleiniger Verantwortung für den Betrieb zurück.
In sechs Jahren soll Schluss sein
Diese Zeit ist nun lange vorbei und Jürgen Timmermann längst wieder fit, doch ewig wollen die beiden nicht weitermachen. Auch wenn sie das Ladengeschäft 2021 schon erheblich verkleinert haben und die Gewächshäuser nebenan nicht mehr nutzen. "In sechs Jahren wollen wir in Rente gehen", kündigt Timmermann an.
Ob sein Großvater Hannes Timmermann 1922 wusste, dass sein neues Geschäft ein Jahrhundert überdauern würde? Und dass es in der zweiten Generation mit seiner Schwiegertochter Marianne Timmermann eine Frau geben würde, die Familie und Betrieb jahrelang parallel zu managen verstand? "Ohne den unermüdlichen Einsatz meiner Mutter, wäre es in den 1960er Jahren zuende gewesen", ist sich Timmermann sicher.
Suche nach einem Nachfolger
Eine vierte Generation seiner Familie wird aber nicht den Laden schmeißen. "Unsere Tochter hat uns bereits vor 18 Jahren im Alter von 15 offiziell mitgeteilt, dass sie nicht übernehmen wird", sagt Jürgen Timmermann.
Trotzdem solle es weitergehen mit dem traditionsreichen Blumengeschäft, die Suche nach einem Nachfolger sei bereits in vollem Gange, verrät der 58-Jährige. Und da ist es schon wieder, sein fröhliches Lachen. Jetzt aber schnell weiter, er muss den Anhänger zum Friedhof bringen, es gibt schließlich immer etwas zu tun.