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Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen Forderung nach Toleranzräumen für wohnungslose Menschen

Das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen besteht seit zehn Jahren und hat nach wie vor viel zu tun. Bei der ersten virtuellen Konferenz des neuen Jahres wurde deutlich, wo es in Bremen hakt.
11.01.2022, 16:46 Uhr
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Forderung nach Toleranzräumen für wohnungslose Menschen
Von Sigrid Schuer

Zehn Jahre alt wird das Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen in diesem Jahr und die Erfolgsbilanz könne sich sehen lassen, befindet Joachim Barloschky, einer der Gründungsväter des Bündnisses. Große Freude zum zehnjährigen Geburtstag: Dass eine der Hauptforderungen des Bündnisses, das Sozialprojekt "Housing First" zwecks Vermittlung obdachloser Menschen in Wohnungen mit Jahresbeginn endlich anlaufen kann, sagt er. Viel lieber wäre es ihm, wenn sich das Aktionsbündnis inzwischen selbst abgeschafft hätte, aber die Verhältnisse, sie sind nun einmal nicht so, wie bereits Bert Brecht in der "Dreigroschenoper" befand. Die Aufgabenliste, um die sich das Aktionsbündnis zu kümmern hat, reißt nicht ab. Das wurde bei der ersten, virtuellen Konferenz des Jahres 2022 deutlich. Neue Brisanz gewinnen in der Corona-Krise zudem Stromsperren, bedingt durch die explodierenden Energiepreise.

Personeller Mehrbedarf bei Umsetzung des Wohnraumschutzgesetzes gefordert

Das 2020 beschlossene Wohnraumschutzgesetz besagt, dass bei der Baubehörde Wohnraum gemeldet werden kann, wenn dieser länger als ein halbes Jahr leer steht. Der Ansprechpartner dort nehme dann mit dem betreffenden Immobilieneigentümer Kontakt auf. Aus den Reihen des Aktionsbündnisses wurden allerdings auch Bedenken laut, dass die gute Absicht an dem Problem des Personalmangels scheitern könnte. Rechtsanwalt Holger Gautzsch fordert eine entsprechende personelle Unterfütterung. So, wie es bereits ein Dauerthema bei der nach wie vor zu langsamen Bearbeitung von Wohngeldanträgen sei. 

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Konzept "Housing First" ist angelaufen

Mit Beginn des neuen Jahres ist nach einjähriger Vorbereitung auch das "Housing First"-Konzept auf die Schiene gesetzt worden. Anne Blankemeyer, seit November Projektkoordinatorin, sagte, dass inzwischen die erste obdachlose Person in das Programm aufgenommen worden wäre. Ziel sei es nun, innerhalb von sechs Wochen eine Wohnung für sie zu finden. Bislang habe es 14 Aufnahmegespräche gegeben. Begleitet wird das Projekt mittlerweile auch durch eine Kooperation mit dem Haus- und Grundbesitzer-Verein, der seinen Mitgliedern das Projekt mit einer größeren Artikel-Serie in seinem Mitglieder-Magazin schmackhaft machen will, zum Auftakt wurde eine Doppelseite veröffentlicht. Auch, dass der WESER-KURIER dem Thema Obdachlosigkeit eine ganze Seite und im Lokalteil noch einmal einen größeren Bericht gewidmet hat, wurde vom Aktionsbündnis ausdrücklich begrüßt. "Wir hoffen, dass diese Veröffentlichungen in der Presse einige Wohnungen bringt", so Moritz Muras, Geschäftsführer des Vereins "Wohnhilfe".

Winterkirche und Kältebus

Laut Sozialressort stehe für jeden Obdachlosen, der es möchte, in der kalten Jahreszeit ein Schlafplatz in einer Unterkunft zur Verfügung. Als Hindernis erweise sich allerdings oft, dass wohnungslose Menschen nicht ihre Hunde mit in die Unterkünfte bringen dürften. Die Kirche Unser Lieben Frauen habe schon zugesagt, dass sie bei frostigen Temperaturen die Winterkirche erneut für die Übernachtung obdachloser Menschen öffnen wolle, so Jürgen Seippel, Mitglied des Kirchenkonventes. Desweiteren steht hinter dem Hauptbahnhof der Kältebus zum Aufwärmen bereit, der allerdings nur wochentags von neun bis 13 Uhr geöffnet hat.

Explodierende Energiekosten

Große Sorgen machen dem Aktionsbündnis explodierende Energiekosten. Die Verbraucherzentrale handelt inzwischen eine vierwöchige Karenzfrist aus, bevor die Energieversorger den Betroffenen Strom und Wasser abschalten. Die Zeit soll dazu dienen, damit das Jobcenter einen Überbrückungskredit bewilligen kann, mit dessen Hilfe die Stromrechnungen erst einmal beglichen werden können. Das Aktionsbündnis plädiert dafür, Druck zu machen, da das Jobcenter das nicht in der gebotenen Monatsfrist schafft. Greifen alle Maßnahmen wie die Informationskampagne "Zappenduster" nicht, können sich die Betroffenen an den seit zwei Jahren existierenden, im Sozialressort angesiedelten Härtefallfonds wenden, bei dem Hilfsgelder allerdings nur einmal beantragt werden können. Dieses Angebot werde bislang noch zu wenig in Anspruch genommen. CDU-Bürgerschaftsabgeordnete Sigrid Grönert (CDU) bilanzierte: "Wir haben immer noch zu viele Sperren, da müssen wir dringend dranbleiben!"

2024 soll in Bremen ein Mietspiegel eingeführt werden

Bremen ist bislang die einzige deutsche Großstadt mit über 500.000 Einwohnern, die keinen Mietspiegel hat. 2024 will Bremen nun nachziehen. Ob durch solch einen Mietspiegel Mieten eher sinken oder doch eher steigen, ist umstritten. Rechtsanwalt Holger Gautzsch glaubt an die senkende Wirkung eines solchen Mietspiegels, das zeige unter anderem das Beispiel Berlin. In jedem Fall sei es wichtig, an den Mieterschutz zu denken und für einen Mietendeckel zu plädieren, sagte Hannah Beering, die ehrenamtlich für den Verein "Wohnungshilfe" tätig ist. Sie sprach sich gegen das Vergleichsmieten-System aus, um massive Mieterhöhungen zu vermeiden. Sigrid Grönert (CDU) versprach, dass sie diese Kritikpunkte in den initiierten Arbeitskreis Mietspiegel mitnehmen wolle. Joachim Barloschky möchte, dass das Aktionsbündnis mitbeteiligt wird. Grönert räumte ein, dass es beispielsweise für Hartz IV-Empfänger ein echtes Problem sei, bezahlbaren Wohnraum zu finden.

Fehlende Toleranzräume für wohnungslose Menschen

Nach wie vor ein aktuelles Thema sind fehlende Toleranzräume für wohnungslose Menschen in der Stadt. Dieses Problem hat auch der Beirat Mitte erkannt, dessen Sprecher Jonas Friedrich (Grüne) wies in einer E-Mail auf einen entsprechenden Beschluss der Beiräte Mitte, Findorff und Schwachhausen hin. Mitte Januar solle es das nächste Treffen geben, um mögliche Toleranzräume zu identifizieren.

Info

Die nächste Sitzung des Aktionsbündnisses "Menschenrecht auf Wohnen" soll, wiederum virtuell, am 7. Februar stattfinden. In den nächsten Wochen soll ein Flyer mit dem Jahresprogramm erarbeitet werden. Zur Geburtstagsfeier des Bündnisses am 4. Juli ist zudem eine Ausstellung zum Thema Würde angedacht.

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