Am Herdentor stehen die Räder still, doch laut ist es trotzdem. Während in der Straßenmitte die Fräsmaschinen rattern, spielt Straßenmusiker Aurel Bastea auf dem Bürgersteig scheinbar ungerührt weiter Geige. Doch, er merke einen Verdienstverlust: "No tengo 10 Euro – ich habe keine 10 Euro", sagt der Rumäne behelfsweise auf Spanisch. Denn die Leute verweilten hier nicht gern, trotz des beschaulichen Blicks auf die Wallmühle. Seinen Stammplatz will er nicht verlassen: Die Konkurrenz unter Mitmusikern sei groß.
Autos, Busse und Straßenbahnen haben an zwei Verkehrsknotenpunkten der Stadt zwei Wochen lang Pause: An den Haltestellen Herdentor und Schüsselkorb tauscht die BSAG die Gleise aus. Währenddessen wird die Straße Herdentor zwischen Bahnhofstraße und Am Wall voll gesperrt. Dies gilt auch für die Straße Schüsselkorb zwischen Sögestraße und Wilhardistraße. Das Parkhaus Katharinenklosterhof ist während der Baumaßnahme nicht erreichbar.
Rund 570 Meter Gleis und 1500 Quadratmeter Fahrbahnbeton erneuert die BSAG mit diesen Arbeiten. Kostenpunkt: voraussichtlich etwas über 4 Millionen Euro brutto. "Es handelt sich um einen sogenannten Ersatzbau", sagt BSAG-Sprecher Andreas Holling. Denn die Betriebssicherheit sei auf abgenutzten Schienen irgendwann nicht mehr gewährleistet. Eine zeitweise erhöhte Staub- und Lärmbelastung sei dabei unvermeidlich.
Volkmar Haegele fühlt sich beim Cappuccino Trinken bei Piadina Streetfood vom Baulärm nicht gestört. Im Gegenteil: Er genieße die relative Ruhe, die im Herdentorsteinweg durch den Wegfall des Autoverkehrs eingekehrt ist. "Ich wäre ein Fan davon, die Straße dauerhaft autofrei zu machen", sagt er. Weniger versiegelte Parkfläche in der Stadt sei auch angesichts des Klimawandels vernünftig. Da die Arbeiten am Montag auf Seite der Bahnhofstraße begonnen haben und Richtung Wall voranschreiten, sei die ärgste Lärmbelästigung auf dieser Seite überstanden, ist von einer Mitarbeiterin des Cafés zu erfahren. "Vorgestern war es ganz schlimm", sagt die 39-Jährige. Dass Piadina erst vor zwei Wochen eröffnet habe, sei "blödes Timing". Doch sie habe Verständnis: "Die Leute von der BSAG müssen auch ihre Arbeit machen."
Angesprochen auf die Baustelle, wirkt Mustafa Polat genervt. "Ich fahre morgens zwei bis drei Mal um den Block, um einen Parkplatz für die Anlieferung zu finden", sagt der Inhaber des Mozaik Bistro. Seit Beginn der Baustelle sei alles zugeparkt. Hinzu komme, dass nun weniger Kunden im Lokal essen würden.
An der BSAG-Station Schüsselkorb, wo ebenfalls gebaut wird, ist eins deutlich sichtbar: Weniger Stände als sonst sind auf dem Domshof aufgebaut. Das liege an der erschwerten Anlieferung, glaubt Mehmet Yumusuk, Mitarbeiter beim Roland Fruchthandel. "Wir haben auch weniger Kunden, weil die Leute nicht mit Bus und Bahn kommen können", sagt Yumusuk. Die Flaute könne aber auch mit der Hitze zusammenhängen.

Während in den Straßen Herdentor und Schüsselkorb gearbeitet wird, liegt der Innenstadtverkehr brach.
Die Außengastronomie des Alex-Cafés sei ebenfalls eingeschränkt, sagen einige vom Servicepersonal. "Kunden, die da drüben sitzen, zahlen schnell und gehen", sagt eine Mitarbeiterin und deutet auf den Teil des Cafés, der nicht schalltechnisch vom Gebäude abgeschirmt wird.
"Wir schaffen es, in Bremen Verkehrsprobleme zu schaffen, die nicht mal Großstädte wie Athen oder London haben", findet ein 56-jähriger Passant. Die Umleitung der Straßenbahn funktioniere suboptimal – da sehe er nicht ein, warum er weiter 50 Euro für das Jobticket zahle. "Die 4 fährt nicht mehr zum Bahnhof, das finde ich für eine große Stadt schwierig", sagt ein 38-jähriger Mitarbeiter der Firma Eventim. Damit seien große Teile der Neustadt abgeschnitten. Immerhin sei der Flughafen noch angebunden.
Die BSAG geht derzeit davon aus, dass die Bauarbeiten wie geplant bis zum 7. Juli abgeschlossen sind. Während der Gleisbauarbeiten werden die Linien 4, N4, 5, 6, 8, 24, 25, N3, N5 und N9 bis einschließlich 8. Juli, 3 Uhr morgens, umgeleitet. "Natürlich bedeuten Umleitungen immer Einschränkungen für den Betrieb und für unsere Fahrgäste. Bislang liegen mir keine Rückmeldungen zu Problemen mit den Umleitungen vor", teilt Andreas Holling mit.

Mitarbeiter der von der BSAG beauftragten Baufirma lösen die alten Schienen von der Straße.
"Vergleichsweise gut", gemessen an der zentralen Lage, verläuft die Baumaßnahme auch aus Sicht des Amts für Straßen und Verkehr (ASV). "Baustellen gehen als Ausnahmesituationen stets mit Unannehmlichkeiten für Verkehrsteilnehmende einher", sagt ASV-Sprecherin Andrea Voth. "Dennoch staut sich der Verkehr durch den Einfluss der BSAG-Maßnahme nach unseren Beobachtungen wenig bis moderat, was sicherlich auch mit den Sommerferien zu tun hat." Zudem habe man in Kooperation mit der BSAG Lieferverkehre für die betroffenen Geschäfte sicherstellen sowie die Radspur stadteinwärts auf der Fahrbahn des Herdentorsteinwegs freihalten können.
Auch die Polizei kann beim Umleitungsverkehr derzeit keine Probleme oder Herausforderungen feststellen. "Wir beobachten die Situation und stehen bereit, um bei Bedarf effektiv zu reagieren", teilt Polizeisprecher Nils Matthiesen mit.