Rund 9000 Beschäftigte in der Pflege werden oder haben in Bremen die sogenannte Corona-Prämie erhalten. Diese Einmalzahlung von bis zu 1500 Euro gibt es für Mitarbeitende in Einrichtungen, die einen Versorgungsvertrag nach dem Sozialgesetzbuch mit den Pflegekassen abgeschlossen haben. Das betrifft damit vor allem Beschäftigte in den knapp 280 stationären und ambulanten Einrichtungen der Altenpflege sowie Angestellte von Zeitarbeitsfirmen, die in diesem Bereich arbeiten.
Für Pflegekräfte in Kliniken oder auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe ist keine Prämie vorgesehen. Eine Ungleichbehandlung, die für Jörn Bracker nicht akzeptabel ist. Der für das Arbeitsfeld Gesundheit und Pflege in Bremen und Nordniedersachsen zuständige Verdi-Gewerkschaftssekretär fordert den Bonus auch für alle Beschäftigte in Krankenhäusern, Rehakliniken, der Behindertenhilfe und allen anderen Bereichen, „die in der derzeitigen Krise gefordert sind und das Gesundheits- und Sozialwesen am Laufen halten.“
Arnold Knigge vertritt als Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtsverbände Bremen die Träger und damit Arbeitgeber zahlreicher Einrichtungen, er äußert sich ähnlich. „Es gibt eigentlich keine sachlichen Gründe, die Prämie auf die Altenpflege zu begrenzen.“ Zugleich weist er darauf hin, dass das Lohnniveau in der Krankenpflege insgesamt höher ist als in der Altenpflege. Insofern profitiere die richtige Klientel von der zusätzlichen Zahlung.
Das unterschiedliche Lohnniveau ist für Knigge ein grundsätzliches Problem, das durch die Prämie nicht gelöst werde. „Spätestens in drei Jahren muss das angeglichen sein, wenn die ersten Absolventen der neuen, integrierten Pflegeausbildung auf den Arbeitsmarkt kommen.“ Die bislang getrennten Berufsbilder der Alten- und Krankenpflege sind darin zusammengeführt, sodass Kliniken und Pflegeeinrichtungen bei den examinieren Kräften künftig um das gleiche Personal konkurrieren. „Geringere Löhne in der Altenpflege können wir uns dann nicht mehr leisten.“
Millionen-Überschuss der gesetzlichen Krankenversicherungen im ersten Halbjahr
Eine einmalige Corona-Prämie zumindest für Krankenhaus-Beschäftigte ist derzeit Thema von Verhandlungen zwischen dem Gesamtverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) als Dachverband der Krankenhausträger. Dabei spielen neben der Frage der Gleichbehandlung auch Überschüsse der gesetzlichen Krankenversicherungen aus dem ersten Halbjahr eine Rolle. Weil zahlreiche Operationen und Untersuchungen aufgrund der Pandemie unterblieben oder zumindest verschoben wurden, haben laut DKG die Ortskrankenkassen im ersten Halbjahr einen Überschuss von insgesamt 325 Millionen erzielt. Das steht nicht im Widerspruch zu Einnahmeausfällen speziell der Bremer AOK durch Strukturreformen.
Eine Prämie für die Krankenhaus-Beschäftigten ist unter anderen Gesichtspunkten ungleich komplizierter: In der Altenpflege stammt das Geld für den Bonus durch den Zuschuss der Länder zu einem Drittel aus Steuern und zu zwei Dritteln aus der Pflegekasse, die sich aus den Beiträgen der gesetzlich Versicherten speist. Die Pflegekasse ist als einheitliche Bundeskasse konzipiert. Die Krankenkassen verwalten und verteilen das Geld unter gleichen Rahmenbedingungen.
Eine Prämie für das Klinikpersonal belastet allein die gesetzliche Krankenversicherung. Hier stehen die Krankenkassen im Wettbewerb untereinander und zu den privaten Krankenversicherern. „Eine Prämie so zu finanzieren, dass die Kassen gleichmäßig nach Marktanteilen und mit Blick auf die Risikostruktur ihrer Versicherten belastet werden, dürfte eine Herausforderung werden“, sagt dazu Cornelius Erbe, Leiter des Versorgungsmanagements bei der Handelskrankenkasse in Bremen.
Auch stelle sich die Frage der Beteiligung der Privatversicherten. Genau wie Bracker sieht Erbe darum die Regierung gefordert, die finanzielle Anerkennung aller Pflegekräfte als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuern zu finanzieren. „Am Ende wird man sowieso schauen müssen, in welchem Umfang die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung Zuschüsse brauchen, um die Beitragssätze stabil zu halten“, sagt Erbe. Dies werde auch die Frage der Refinanzierung dieser einmaligen Prämie umfassen.