Ein enormer Anstieg beim Homeoffice und ein Wirtschaftsleben, das teilweise zum Stillstand gekommen ist – das sorgt seit der Corona-Krise für weniger Verkehr auf den Straßen. Diesen Rückgang an Mobilität bekommt auch der Bremer Carsharing-Anbieter Cambio zu spüren: Das Unternehmen, das in 29 deutschen Städten aktiv ist, hat nach eigenen Angaben im April einen Rückgang um 50 Prozent bei den Buchungen verzeichnet.
Auch bei anderen Carsharing-Anbietern gibt es massive Einbrüche. Nach Angaben des Carsharing-Verbands gingen die Buchungen im März im Vergleich zum Vorjahresmonat im Durchschnitt um 50 Prozent zurück. Und dies, obwohl die coronabedingten Einschränkungen erst zur Monatsmitte eintraten, erläutert Michael Ziesak, Referent für Verkehrspolitik beim Verband. „Mehr als jeder dritte Anbieter befürchtet eine Insolvenz.“ Die wesentlichen Gründe für die Buchungsrückgänge: „Die Nutzungsgründe für Carsharing entfallen.“ So hätten weniger Menschen aufgrund der Schutzmaßnahmen Familie und Freunde in anderen Städten besucht, Ausflüge unternommen oder Möbel transportiert.
Und noch etwas zeigt sich in der Krise: Seit Jahren steigt bei den unter 35-Jährigen erstmals wieder das Interesse, ein eigenes Auto zu besitzen. Die Corona-Krise könnte offenbar den deutschen Mobilitätsmarkt verändern, zu dem Ergebnis kommt eine Studie der Beratungsgesellschaft Capgemini. Etwa 11.000 Menschen wurden befragt, welche Auswirkungen die Folgen der Pandemie auf die individuelle Mobilitätsnachfrage hat. 45 Prozent der unter 35-Jährigen, die bislang kein eigenes Auto hatten, denken demnach darüber nach, ob sie sich in den kommenden Monaten einen eigenen Pkw anschaffen. Laut Studie gewinnt das eigene Auto aufgrund besser kontrollierbarer Hygiene wieder an Akzeptanz. Verlierer wären danach ganz klar die Sharing-Dienste und öffentlichen Verkehrsmittel.
Kauflaune macht sich in der jüngsten Blitzumfrage des Zentralverbands Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe (ZDK) jedoch nicht bemerkbar. Im Gegenteil: Die Zahl der Neuwagenverkäufe ging nach Verbandsangaben im Mai stark zurück. Mehr als die Hälfte der befragten 1357 Händler beklagten einen Einbruch um 50 Prozent und mehr im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das Kaufverhalten junger Kunden erfasst der ZDK jedoch nach eigenen Angaben nicht gesondert.
Kompensation nach der Krise
Für Kerstin Homrighausen, Geschäftsführerin bei Cambio in Bremen, ist das Ergebnis der Capgemini-Studie plausibel. „Das könne durchaus sein“, sagt sie. Auf der anderen Seite werde es auch andere Effekte geben, die zu einer Kompensation führen sollten: „Diejenigen, die auch nach der Corona-Krise weiterhin Homeoffice nutzen, stellen fest, dass sie ihr eigenes Auto gar nicht mehr so häufig benötigen – es reicht, wenn sie ein Fahrzeug punktuell nutzen.“ Genau das seien natürlich potenzielle Kunden für Carsharing. „Mein Bauchgefühl sagt mir, dass es durch Corona keine generelle Trendwende geben wird, was die Vorteile von Carsharing angeht.“
Auf den katastrophalen Monat April habe Cambio mit verschiedenen Maßnahmen reagiert. „Wir haben Soforthilfe beantragt, unsere Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, und wir werden in manchen Bereichen sparen“, so Homrighausen. Letzteres beziehe sich darauf, den jährlichen Flottenzuwachs von etwa
20 Prozent in diesem Jahr nicht vorzunehmen. Außerdem haben wir da, wo es Sinn macht, Autos verkauft, um die Flotte zu verkleinern.“
Durch all diese Maßnahmen müsse Cambio keine Mitarbeiter entlassen. „Wir werden auch nicht die Anzahl unserer Stationen reduzieren“, so die Cambio-Geschäftsführerin. „Wie lange wir Kurzarbeit haben werden, hängt von der weiteren Entwicklung ab.“ Der Monat Mai habe gezeigt, dass die Buchungen wieder zunehmen. „Je mehr wieder an öffentlichem Leben und an Wirtschaftsaktivität stattfindet, desto mehr Nachfrage gibt es auch beim Carsharing.“
Cambio hofft, dass die Nachfrage am Jahresende wieder auf Vorjahresniveau liegt. „Damit wären wir sehr zufrieden, auch wenn das wirtschaftliche Ergebnis nach mehreren wachstumsstarken Jahren dann eher schlecht ausfallen wird“, so Homrighausen. Dass dieses Ziel erreicht werde, dafür spreche „auch unsere treue Kundschaft“. Das Unternehmen hatte seine Kunden angeschrieben und um Unterstützung gebeten. Sie können beispielsweise ein „Soli-Auto“ buchen, ohne es zu fahren. Der Zeitpreis dieser virtuellen Fahrt ist quasi der Soli-Beitrag an Cambio. Außerdem gibt es eine Stellplatz-Patenschaft für monatlich 30 Euro. „Die Resonanz darauf ist groß, wir haben schon tolle Kunden.“