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Beratungsstelle "Dock 11" Bremer Anlaufstelle für junge Obdachlose im Notbetrieb

Bei seinem Start 2018 galt das Dock 11 als erste Anlaufstelle dieser Art in Norddeutschland. Nun läuft die Einrichtung im Notbetrieb und die Verantwortlichen hoffen auf bessere Zeiten.
02.12.2024, 05:01 Uhr
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Bremer Anlaufstelle für junge Obdachlose im Notbetrieb
Von Anne Gerling

Tausende Beratungsgespräche wurden in den vergangenen sechs Jahren im Dock 11 am Wegesende geführt, und mehr als 60 jungen Menschen hat das Angebot den Weg zurück in ein geregeltes Leben geebnet: In Bremens einziger fester Anlaufstelle für junge Obdachlose im Alter von 18 bis 25 Jahren half die Waller Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (Wabeq) ihren Klienten dabei, sich zu stabilisieren, um anschließend im Berufsleben Fuß fassen zu können. Im Dock 11 gab es freies WLAN, Sofas zum Ausruhen und ein günstiges Mittagessen. Die Besucherinnen und Besucher konnten dort duschen, ihre Wäsche waschen und sich beim Friseur nebenan für einen bezahlbaren Preis die Haare schneiden lassen. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützten sie dabei, eine Wohnung zu finden oder nach einem Schul- oder Ausbildungsabbruch wieder Perspektiven zu entwickeln, Bewerbungen zu schreiben und sich auf Vorstellungsgespräche vorzubereiten. Regelmäßig war außerdem ein Jobcenter-Mitarbeiter im Dock 11, um auf unkomplizierte Weise Kontakt zu seinem Haus herzustellen und eine Erstberatung anzubieten.

Finanzierung ausgelaufen

Seit November ist die Anlaufstelle nur noch einmal pro Woche geöffnet, nachdem wie berichtet die Finanzierung des offenen Angebotes durch das Jobcenter zu Ende Juli ausgelaufen ist und das Sozialressort für drei Monate eingesprungen war. „Jetzt sind wir in einer Überbrückungssituation“, sagt Ernst Schütte von der Wabeq-Geschäftsführung. Seine Kollegin Birgit Füllgrabe-Frede ergänzt: „Dieses Notprogramm reicht aber bei Weitem nicht, um den Bedarf zu decken.“ „Wir müssen wahrscheinlich bis in den Februar durchhalten“, sagt Schütte, demzufolge das Jobcenter die Maßnahme Anfang des Jahres in Abstimmung mit den Ressorts neu ausschreiben will: „Wir werden uns auf jeden Fall bewerben und würden die Maßnahme gerne fortsetzen.“

Dieses Notprogramm reicht aber bei Weitem nicht, um den Bedarf zu decken.
Ernst Schütte, Wabeq-Geschäftsführung

Seit Monaten bemühen sich Schütte und Füllgrabe-Frede um die Fortführung und langfristige Absicherung des Projekts. „Das Jobcenter ist mit unserer Arbeit zufrieden und wir haben viel positives Echo auch von Wirtschaftsbetrieben bekommen“, sagt Füllgrabe-Frede. So habe die Wabeq mittlerweile 17 Initiativen und Unternehmen an ihrer Seite, die mit Spenden dafür sorgen, dass die Miete und ein Mitarbeiter vorerst weiterbezahlt werden können und die Anlaufstelle somit unter anderem für diejenigen erreichbar bleibt, die sich ihre Post dorthin schicken lassen. Schütte hofft, dass bald wieder deutlich mehr im Dock 11 los ist: „Der Standort ist optimal, weil er nah am Zentrum und am Bahnhof ist. Wir haben das Gebäude umfangreich renoviert, um die Anforderungen an die Arbeit mit unserer Zielgruppe dort erfüllen zu können, und der Standort ist bei den potenziellen Nutzern sehr bekannt.“

Betriebe unterstützen Wabeq

Unter den Betrieben, die die Wabeq nun unterstützen, ist auch das Stuttgarter Unternehmen Bauder. Über seine Niederlassung in Achim hat es im Rahmen seiner jährlichen Spendenaktion 5000 Euro für das Projekt zur Verfügung gestellt. Schließlich gehe es hier um „wichtige Zukunftschancen für zahlreiche junge Menschen“, unterstreicht Jörg Gubo, Leiter der Verkaufsgruppe Nord. Lutz Detring, Geschäftsführer der Friedrich Schmidt Bedachungs GmbH, knüpft an das Engagement seines Unternehmens konkrete Erwartungen; "Wir finden gut, was die Wabeq macht. Aber das Ziel muss sein, dass dabei Menschen herauskommen, die auf dem Arbeitsmarkt zurechtkommen."

Dieses Ziel sei durchaus realistisch, ist der Bremer Fensterlieferant Christof Stoltmann überzeugt, der sich nun ebenfalls für den Erhalt des Dock 11 stark macht und sagt: „Es gibt für jeden einen Arbeitsplatz, der zu seinen Fähigkeiten passt. Wir haben kein Fachkräfteproblem. Wir brauchen einfach Leute, die kommen. Wir haben mehr als genug Arbeit – ich brauche keine Hochqualifizierten, ich brauche Leute, die wollen.“

Wie manch andere Unternehmer auch fragt sich Stoltmann, weshalb sich junge Leute heute mit dem Thema Arbeit öfter schwertun. „Es gibt vielschichtige Gründe, weshalb sie auf dem Arbeitsmarkt nicht zurechtkommen“, meint dazu Füllgrabe-Frede. „Wenn es zum Beispiel darum geht, sich Konflikten und Auflagen zu stellen, sind manche nicht mehr so belastbar, schneller ablenkbar und die Arbeit ist nicht mehr so wichtig. Da geht man dann nicht mehr in den Konflikt, sondern lässt die Arbeit sausen. Und: In der Zeitrechnung junger Menschen sind drei Jahre völlig unvorstellbar.“ An diesen und anderen Aspekten will die Wabeq möglichst bald mit ihren Klienten im Dock 11 gerne gezielt weiterarbeiten. Auch für die Wabeq selbst würde sich Schütte dabei stabilere Rahmenbedingungen wünschen, wie er sagt: „Es wäre wichtig, dass auch wir als Träger unsere Arbeit langfristig ausrichten können.“

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