Das in Berlin auf den Weg gebrachte „Antidiskriminierungsgesetz“ birgt Aufregerpotenzial auch für Bremen. „Mit diesem Gesetz wird Polizeikräften politisch per se das Misstrauen attestiert“, kritisiert Lüder Fasche, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP). In Bremen ist ein solches Gesetz zwar nicht geplant, gleichwohl fordert Fasche den Senat auf, sich von dem Gesetzesvorhaben der Berliner zu distanzieren. Und fordert, keine Bremer Polizisten mehr zur Unterstützung nach Berlin zu entsenden, sollte das Gesetz dort in Kraft treten.
„Wenn sich in der Hauptstadt jemand durch behördliche Maßnahmen diskriminiert fühlt und dies anzeigt, müssen die eingesetzten Kollegen künftig beweisen, dass es zu keiner Diskriminierung gekommen ist“, interpretiert Fasche das Gesetzesvorhaben und spricht von Beweislastumkehr. „Während von Polizeibeschäftigten ermittelte Straftäter von der Unschuldsvermutung profitieren, gilt das für sie selbst scheinbar in Berlin nicht mehr. Unsere Kollegen sind entsetzt!“
Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) kann die Kritik aus Reihen der Polizei nicht nachvollziehen. Aus seiner Sicht ändert sich nichts in der täglichen Arbeit der Polizei. „Die bereits existierenden Diskriminierungsverbote beziehungsweise Verbote gegen Ungleichbehandlung gelten ja jetzt schon und sind Richtschnur für das Handeln der Polizei.“ Zentrale Neuerung des Gesetzes sei ein Schadensersatzanspruch Betroffener gegen das Land Berlin im Falle von Diskriminierungen durch die öffentliche Verwaltung Berlins. Das gehe im Übrigen weit über den Arbeitsbereich der Polizei hinaus, betont Geisel.
Der Entwurf sehe weder persönliche Haftung von Dienstkräften der Polizei wegen angeblicher oder tatsächlicher Diskriminierungen vor noch Straf- oder Ordnungswidrigkeitstatbestände zulasten von Dienstkräften. Und es gebe auch keine Beweislastumkehr. Allein die Behauptung einer Diskriminierung genüge nicht, um die Beweislast auf die öffentliche Stelle zu übertragen. Es müssten vielmehr im ersten Schritt von den Betroffenen Tatsachen vorgetragen werden, die eine Diskriminierung für das Gericht überwiegend wahrscheinlich machten. „Die Beweisführungslast liegt damit zunächst bei der diskriminierten Person.“ Erst wenn nach richterlicher Überzeugung glaubhafte Tatsachen für eine Diskriminierung vorliegen, müsse die betroffene Behörde den Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot widerlegen.
Berliner Gesetzentwurf wird im Juni beraten
In der Bremer Innenbehörde will man sich zu diesem Zeitpunkt nicht zu diesem Thema äußern. Der Berliner Gesetzentwurf werde im Juni ausführlich auf der Innenministerkonferenz beraten, erklärt Rose Gerdts-Schiffler, Sprecherin von Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Unterschiedliche landesgesetzliche Regelungen hätten aber keine Auswirkungen auf die Praxis der Amtshilfe der Polizeien. Insofern würde sich das Land Bremen einer entsprechenden Anfrage aus Berlin „sicherlich nicht verweigern“.
Bremen setzt auf eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle, statt auf ein Gesetz. "Wir halten das für einen guten Weg, um den Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen“, sagt Mehmet Ali Seyrek, Sprecher für Antidiskriminierungspolitik der SPD-Fraktion. Der Antrag für diese Stelle befindet sich momentan in der Endabstimmung der Regierungsfraktionen und soll im Juni ins Parlament eingebracht werden.
„Diskriminierungsverbote sind bereits geltendes Recht“, betont Sahhanim Görgü-Philipp, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, die den Antrag initiiert hat. „Dennoch wissen viele Menschen nicht, welche Rechte sie haben und wohin oder an wen sie sich wenden können, um sich gegen Diskriminierung zu wehren.“
Sofia Leonidakis, Vorsitzende der Fraktion der Linken, spricht dagegen von der Prüfung des Bedarfs für ein Landesantidiskriminierungs- und Partizipationsgesetz, die sich Rot-Grün-Rot im Koalitionsvertrag auf die Fahnen geschrieben habe. Dabei würden mit Sicherheit die Berliner Erfahrungen einbezogen. „Wir wollen öffentlich Beschäftigte nicht unter Pauschalverdacht stellen und dennoch notwendigerweise Antidiskriminierungsstrukturen ausbauen.“