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Untere Rathaushalle Pfadfinder als Postboten

Junge Pfadfinder trugen während des Warschauer Aufstands 1944 die Post der Zivilbevölkerung aus. Schätzungsweise um die 200.000 Nachrichten. Daran erinnert eine Ausstellung in der Unteren Rathaushalle.
30.03.2023, 05:00 Uhr
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Von Matthias Holthaus

„Wir wollten frei sein und diese Freiheit uns selbst verdanken“, sagte im September 1944 der Abgesandte der polnischen Exilregierung in Warschau und stellvertretender Ministerpräsident, Jan Stanislaw Jankowski. Der Warschauer Aufstand war da seit dem 1. August in vollem Gange und sollte bis zum 2. Oktober des gleichen Jahres andauern. Schätzungsweise 200.000 Menschen verloren ihr Leben, etwa 150.000 wurden zur Zwangsarbeit verschleppt, 60.000 bis 80.000 kamen in Konzentrationslager. Warschau war nach diesem Aufstand weitestgehend zerstört, vernichtet von deutschen Truppen.

Sich nicht der Tyrannei zu beugen und stattdessen das Heft selbst in die Hand zu nehmen, davon waren bereits Kinder und Jugendliche im besetzten Warschau überzeugt. Und davon berichtet nun eine Ausstellung in der Unteren Rathaushalle, die noch bis zum 10. April zu sehen ist.

Polnische Geschichte

„Ausgetragen – Delivered“ heißt die Ausstellung und behandelt die Rolle der polnischen Pfadfinder während des Aufstandes im Jahre 1944. Sie fungierten nämlich als Postboten und hielten ein funktionierendes Postwesen für die Zivilbevölkerung aufrecht.

„Man erfährt viel über die polnische Geschichte“, berichtet Floyd Dreyer, Bildungsreferent des Bundes der Pfadfinderinnen und Pfadfinder (BdP). „Der Warschauer Aufstand hat eine große Bedeutung in Polen.“ Während die älteren Pfadfinder ab 18 Jahren die Untergrundorganisation „Graue Reihen“ bildeten, leisteten die zwölf bis 15 Jahre alten Pfadfinder Hilfsdienste. „Sie haben nicht mitgekämpft, und doch sind viele von ihnen gestorben.“

6000 Briefe täglich

Acht Pfadfinderpostämter gab es während des Aufstandes und 40 Briefkästen. Bis zu 6000 Briefe wurden täglich zugestellt und oft waren diese Briefe Botschaften: „Lieber Papa, ich mache mir große Sorgen um euch. Ist Lucyna bei euch? Ich bin bei Fred“, so beginnt einer dieser Briefe, „Liebe Mutti und Brüder! In den ersten Worten meiner Karte möchte ich Mama sagen, dass ich gesund und unverletzt bin“ ein anderer. Es gab sogar Sonderbriefmarken, wobei die Nutzung der Post kostenlos war.

Neben der Geschichte der Pfadfinderpost in Warschau gibt die Ausstellung auch einen Einblick in die Entwicklung der Pfadfinderbewegung im Allgemeinen und die der polnischen Pfadfinderbewegung der Nachkriegszeit im Besonderen. Und auch auf die Werte des BdP sowie auf die Zusammenarbeit des Pfadfinderbundes mit dem polnischen Pfadfinderverband ZHP. Diese Zusammenarbeit besteht übrigens seit mehr als 40 Jahren, „die Pfadfinder haben zu einer großen Annäherung zwischen Deutschen und Polen beigetragen“, sagt Floyd Dreyer, „es wurde Friedensarbeit geleistet und ein Jugendaustausch begonnen“. Dieser Austausch besteht bis heute, sagt er. „Eine intakte und gesunde Beziehung.“

Aufgaben für Bremer Pfadfinder

Die Ausstellung zum Thema „Pfadfinderpost“ ist übrigens eine Wanderausstellung, die Informationstafeln zum Bremer BdP und das eigens in der Unteren Rathaushalle aufgestellte Pfadfinderzelt, die Kohte, gibt es hingegen nur dort zu sehen. Wer dann Fragen zu den Pfadfindern hat, kann sich beispielsweise an Fynn Hecht wenden. Er ist 16 Jahre alt, wohnt in Schwachhausen und ist bei den Pfadfindern Gruppenleiter: „Da gehe ich als Vorbild voran“, sagt er über seinen Dienst in der Rathaushalle.

Wiebke Alff aus Huchting ist 17 Jahre alt und stellvertretende Stammesführerin des BdP-Stammes „Lesmona“. Sie sieht ihren Dienst in der Unteren Rathaushalle eher als Selbstverständlichkeit an. „Ich bin stellvertretende Stammesführerin, da muss man manchmal Aufgaben übernehmen.“ Und sie erzählt auch: „Pfingsten erst war eine Gruppe polnischer Pfadfinder bei uns, mit denen bin ich immer noch in Kontakt“.

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Info

Die Ausstellung „Ausgetragen – Delivered“ ist noch bis zum 10. April in der Unteren Rathaushalle zu sehen. Der Eintritt ist frei.

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