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Jürgen Nogai zurück in Bremen Neue Galerie für ikonische Fotografie

Jürgen Nogai ist eine Größe in der Fotografie. In Los Angeles hat er groß Karriere gemacht. Wir haben ihn gefragt, weshalb er nun zurück in Bremen ist und in seiner F15 Gallery ikonische Fotografie zeigt.
31.01.2023, 10:33 Uhr
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Neue Galerie für ikonische Fotografie
Von Sigrid Schuer

In Jürgen Nogais Erzählungen fügt sich ein Mosaikstein der jüngeren kulturellen Geschichte Bremens zum anderen. Ja mehr noch: Der Sprung geht von der Hansestadt über den Atlantik nach Los Angeles und wieder zurück. Denn Nogai, der bereits während seiner Bremer Zeit zu den Größen der fotografischen Zunft gehörte und alles ins Bild setzte, was in Bremen von Bedeutung ist, sollte in den USA ganz groß Karriere machen.

Und das kam so: Der Grund, sich nach Kalifornien zu orientieren, war zunächst ein emotionaler: Der in Bremen aufgewachsene Nogai hatte sich in eine Amerikanerin verliebt und arbeitete immer wieder in den USA. Unter anderem für den Taschen-Verlag an einem Buch, in dem auch Julius Shulman vorkam, die Ikone der amerikanischen Architektur-Fotografie. Der Editor war ein Bremer: Peter Gössel hatte gemeinsam mit Jörn Christiansen, dem damaligen Museums-Direktor, das Focke-Museum designt. Daher kannten sich Nogai und Gössel. "Eines Tages fragte mich Gössel, der mit Julius befreundet war: 'Wie wäre es, möchtest du ihn kennenlernen? Aber ich warne dich, sag bloß nicht, dass du Fotograf bist. Er wird das hassen. Und sage ja nicht, dass wir seine und deine Fotografien für den Band verwenden'."

Verbindungen zwischen Bremen und den USA

Nun, es sollte anders kommen. Als Nogai den freundlichen, alten Herrn in Hollywood traf, zeigte sich dieser, ganz entgegen aller Prognosen, sehr neugierig und interessiert. Ja mehr noch: Shulman, der seine Großbild-Kameras bereits verkauft und sich völlig zurückgezogen hatte, schlug Nogai eine Zusammenarbeit vor. "Ich erinnere mich noch genau daran, wie Julius mich anrief und mich fragte. 'Wo bist du?'." Seine Antwort: "In Bremen". "Come home, komm nach Hause, in die USA. Wir haben noch viel vor", erwiderte Shulman. "Ich habe heute noch Gänsehaut, wenn ich davon erzähle", erinnert sich Nogai. Das war der Beginn einer fruchtbaren, zehnjährigen Zusammenarbeit bis Shulmans 2009 im Alter von 99 Jahren starb.

Und noch so eine Verbindung zwischen Bremen und den USA: Julius Frank, der Lilienthaler Fotograf, der, vom NS-Regime verfolgt, mit seiner Familie in die USA emigrieren musste, war einige Jahre Shulmans Assistent. Das Focke-Museum widmet Julius Frank gerade eine Sonderschau.

Rückkehr nach Bremen

Doch mit der Zeit wurde Nogai das urbane Leben in Los Angeles zu anstrengend. So oft er mit Julius Shulman auch den American Dream, quasi in Stein gemeißelt in der modernen Architektur amerikanischer Traumhäuser fotografierte, das "think big" der Amerikaner, umso mehr ging ihm das Schicksal der "homeless people" unter die Haut. In Zusammenarbeit mit der Inneren Mission in den USA entstand in der Ära Bush seine Foto-Dokumentation "Homeless in the Homeland", die er bis heute noch nicht öffentlich gezeigt hat.

Für ihn wäre es an der Zeit gewesen, nach zwölf Jahren wieder nach Bremen zurückzukehren, erzählt Nogai. Mitte November 2022 eröffnete er im Fedelhören 15 die F15 Gallery, wie könnte es anders sein, mit einer Ausstellung der ikonischen, analogen Fotografie des Duos Shulman/Nogai. Vor der Bremer Schau waren die Fotografien von April bis September im Guggenheim-Museum in Bilbao zu sehen, kuratiert von der britischen Architekten-Ikone Norman Foster. Nur einer von zahlreichen, arrivierten Ausstellungsorten.

Nogai baut sein Netzwerk aus

Nogai, der als Lehrender unzählige junge Menschen zu einer künstlerischen Karriere inspiriert hat, wäre nicht Nogai, wenn er nicht auch in die Zukunft denken würde. Er ist nicht nur in der internationalen Fotografen-Szene, sondern auch in Bremen gut vernetzt und baut dieses Netzwerk immer noch aus.

Als er an der Mauer rund um sein Grundstück an der Rembertistraße Probleme mit wild gesprayten Graffiti-Tags hatte, holte er sich bei Hannes Voigt von der Galerie gegenüber Rat. Der 26-Jährige zeigt seit Anfang 2022 im "Dosen Späti" Sprayer-Kunst, für die er ein breiteres Publikum sensibilisieren möchte. Voigt trat selber als Sprayer in Aktion. Die surrealen Figuren mit dem Picasso-Touch seien seitdem ein echter Hingucker, finden Nogai und Voigt. 43 Jahre trennen die beiden, dieselbe Zeitspanne, die zwischen Nogai und Shulman lag. Und: Die beiden Galeristen haben eine gemeinsame Leidenschaft: das Fotografieren, der sie künftig auch im Team frönen wollen. So nimmt Nogai seinen Kollegen zu seinen Aufträgen für Architektur-Fotografie mit, will aber auch bald Voigts spektakuläre Fotografien, die der als Betriebselektroniker in Windkraftparks in schwindelnder Höhe gemacht hat, ausstellen.

Neue Ausstellung in der F15 Gallery

In der neuesten Schau werden in der F15 Gallery Werke des in Weimar geborenen, mehrfach preisgekrönten Lifestyle-Fotografen Gerhard Linnekogel gezeigt, der mit seinen Bildern Geschichten zu erzählen vermag. Die zentrale Frage in dem fotografischen Zyklus sei, so Nogai: "Wo kommen wir her, wo gehen wir hin?". Zur Werkserie "Down to Earth", die unter anderem gezeigt wird, heißt es: "Kein Gleichgewicht ohne Erdung. Es ist Zeit für uns, auf die Erde zurückzukommen. Die Füße auf den Boden der Realität. Fundament. Gefallene Engel".

Solche "gefallenen Engel", die sichtlich die Bodenhaftung verloren haben, hat Linnekogel auf den Straßen New Yorks drapiert und abgelichtet. Aber auch Ausschnitte aus seiner "Streetphotography", Straßenfotografie, sind zu sehen. So, "Ivory" betitelt, eine schwarze Schönheit mit entrücktem Blick. Faszinierend auch die Werkserie "Transparency", die dem magischen Realismus verpflichtet ist. Diesen Fotografien haftet eine geheimnisvolle Aura an: Linnekogels Modelle haben einen transparenten Seidenstrumpf mit aparten Mustern über das Gesicht gezogen und scheinen mit den Formen der sie umgebenden Natur zu verschmelzen.

In seiner Werkserie "Higher Beings" nimmt Linnekogel Bezug auf die atmosphärische Welt des Surrealismus. Spektakulär die Aufnahme, in der ein Alien in türkisfarbenen Ganzkörperanzug aus Latex aus dem Rahmen eines riesigen Hotelfensters mitten in der US-amerikanischen Wüste einen Schritt herausmacht. Aber der Fotograf inszeniert diese "living dolls", lebende Puppen, an Aliens, an Außerirdische erinnernd, auch, wie sie sich in einem Clubinterieur im britischen Kolonialstil räkeln. 

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Info

Die F15 Gallery, Fedelhören 15, hat donnerstags und freitags von 16 bis 19 Uhr und sonnabends von 12 bis 16 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. Die Ausstellung mit Fotografien von Gerhard Linnekogel ist bis 31. März zu sehen.

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