"Schön geht anders", sagt der junge Mann mit dem Klapprad unterm Arm über den Bahnsteig am Neustadtsbahnhof, auf den er gerade aus dem Zug gestiegen ist. Löcher im Betonboden, rostige Geländer und ein ungepflegtes Gesamtbild präsentiert sich dem Studenten, der eilig über die Treppe zwischen Schmierereien im Fußgängertunnel verschwindet. Nicht nur der marode Gesamteindruck störe sie am Gleis und drumherum, finden andere Fahrgäste. Ein paar Frauen berichten, dass sie im Tunnel Angst haben oder ihn bei Dunkelheit lieber meiden.
"Ich frage mich, wie man hier mit Rollstuhl oder mit Kinderwagen den Bahnsteig erreichen soll", bemängelt Moritz Blanke. Er pendelt täglich von Oldenburg nach Bremen. Dass es über dem Bahnsteig ein Dach als Schutz vor Regen gibt, findet er hingegen gut. "Das findet man nicht überall", so der Oldenburger.
Geplante Modernisierung ab 2022
Bereits 2017 hatte die Deutsche Bahn öffentlich angekündigt, den Neustadtsbahnhof von Grund auf modernisieren zu wollen. Die wichtigsten Punkte sind ein neues Dach, ein höherer Bahnsteig für einen bequemeren Einstieg, mehr Licht im Tunnel sowie Leitstreifen für blinde Menschen. Und einen Aufzug, damit die Station endlich barrierefrei nutzbar ist. 2020 sollte alles fertig sein.
"Bisher ist aber nichts passiert", schreibt Leser Moritz Rauch an den WESER KURIER und verweist darauf, dass es angesichts der positiven Veränderungen ringsherum nun aber höchste Zeit für eine barrierefreie und moderne Bahnstation sei.
"Leider haben diverse Änderungen in den Planungen für Verzögerungen gesorgt", heißt es von der Deutschen Bahn dazu. "In Bremen Neustadt sind die Modernisierungsarbeiten nun ab dem dritten Quartal 2022 geplant", teilt eine Bahnsprecherin schriftlich mit.
Höhere Kosten und Sperrung im Sommer 2022
Genauere Informationen sind im aktuellen Bericht der Bremer Verwaltung zum Schienenpersonenverkehr zu finden. Dort ist die Rede von größeren technischen Herausforderungen, die bewältigt werden mussten, "um eine Längsstufe in der Mitte des Bahnsteigs zu vermeiden." Die veranschlagten Gesamtkosten würden daher nun 4,3 Millionen Euro betragen "und werden durch die Freie Hansestadt Bremen und die DB finanziert", heißt es in dem Bericht. 2017 ist die Deutsche Bahn noch von drei Millionen Euro Gesamtkosten ausgegangen. Anfang 2023 ist laut Bericht die Inbetriebnahme vorgesehen.
Aus der Verkehrsbehörde ist zu erfahren, dass für die Bauarbeiten im Jahr 2022 eine vollständige Sperrung der Station über etwa vier Wochen während der Sommerferien vorgesehen ist.
So besteht die Hoffnung, dass zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 die Hauptarbeiten bereits fertig sind. Denn dann wird das Angebot für Fahrgäste erweitert: Die Regio-S-Bahn mit den Linien RS 3 und RS 4 fährt die Station dann doppelt so häufig an, und zwar im 30-Minuten-Takt. Zudem verkehrt dort weiterhin stündlich die Regionalbahn 58.
Weitere Gastronomie zieht in Bahnhofsgebäude
"Auf unsere Pläne hat der verzögerte Umbau bisher noch keinen negativen Einfluss gehabt", sagt Basem Khan, dem gemeinsam mit einem Geschäftspartner das Bahnhofsgebäude seit 2016 gehört. Die Investoren haben das markante Backsteingebäude weitgehend saniert, nur die Haupthalle und Teile des rechten Gebäudeflügels stehen noch leer. Khan hält weiterhin an dem Plan fest, einen Großgastronom als Mieter für die Haupthalle zu gewinnen. "Während Corona stand alles still, doch nun sind wir wieder in konkreten Verhandlungen", so Khan. Für zwei weitere, kleinere Gastronomien im rechten Gebäudeflügel seien die Mietverträge bereits unterschrieben. Ende des Jahres ist deren Einzug geplant. "Es wird ein schöner Ess-Bahnhof, wo jeder etwas leckeres finden kann", schildert Khan die Vision der Investoren.