„Wir laufen in der Pause auf dem Schulhof herum und schauen, ob ein Kind verletzt ist“, erklärt die acht Jahre alte Mia. Die bildet zusammen mit der neunjährigen Laura an diesem Tag das „Pausenhelfer“-Team. Sie halten sich auf dem Schulhof der Grundschule an der Karl-Lerbs-Straße bereit, anderen Kindern zu helfen.
Nun sind die Grundschülerinnen keine voll ausgebildeten Kräfte in der Ersten Hilfe, doch sie wissen sehr gut, was in gewissen Situationen zu tun ist: Ist die Verletzung zu schwer, hole ich lieber Hilfe? Nehme ich einen Verband oder reicht ein Pflaster? Im Falle der neun Jahre alten Lotta aus der dritten Klasse reicht ein Pflaster – sie hat sich mit dem Finger an einem Stock gestochen, nichts Ernstes. „Wir haben einen richtigen Dienstplan“, erklärt Nadine Kobarg, Referentin für Nachwuchsförderung beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), denn Mia und Laura sind beileibe nicht die einzigen Kinder, die sich in den Pausen als Pausenhelfer engagieren: Drei Gruppen mit jeweils zehn Kindern wurden bereits ausgebildet, und diese insgesamt 30 Pausenhelfer wechseln sich in Zweierteams ab. „Die Grundschule an der Karl-Lerbs-Straße ist unser Kooperationspartner, insgesamt gibt es Pausenhelfer an vier Bremer Schulen. Das Programm läuft seit August 2023 und wir haben bereits 80 Pausenhelfer ausgebildet, was uns freut“, erzählt Nadine Kobarg.
Mit dabei ist auch Erzieherin Stephanie Peters von der Schule an der Karl-Lerbs-Straße: „Ich fand es zwar sehr interessant, Erste Hilfe anzubieten, konnte es mir aber nicht so recht vorstellen“, sagt sie. „Ich habe mir dann aber viel von Nadine Kobarg abschauen können.“ Aufsichten gebe es in den Pausen natürlich viele, fügt sie hinzu, „und die Kinder gehen auch oft zu den Erwachsenen. Doch wir haben uns überlegt, dass Kinder auch Kindern helfen könnten.“ Die Übungsmaterialien, die neonfarbenen Westen mit der Aufschrift „Ersthelfer im Einsatz“ und auch der rote Rucksack mit den Ersthelferutensilien kommen vom DRK, für die Ausbildung in der Projektrunde ist Stephanie Peters zuständig.
Die Projektrunde besteht übrigens aus Kindern des gesamten Jahrgangs der dritten Klasse. „Wir wollen zeigen, wie einfach Erste Hilfe ist und wir wollen die Hemmschwelle senken“, sagt Nadine Kobarg, während sich die Gruppe um einen runden Tisch schart. Doch die volle Verantwortung tragen die Kinder natürlich nicht: „Pflaster und Verbände können die Kinder selber anlegen, bei allen anderen Sachen sind natürlich Erwachsene da. Wenn die Pausenhelfer dann mal nicht weiterwissen, können sie Unterstützung erhalten“, erklärt Nadine Kobarg.

Mia ist acht Jahre alt und kennt sich mit Erste Hilfe aus. In der Pause versorgt sie den Finger von Mitschülerin Lotta mit einem Pflaster.
Tröstebär Johnny wird eingesetzt
Nun aber: die Projektrunde. Auf dem runden Tisch liegen diverse Karten mit den Aufschriften „Beobachterkarte“, „Pausenhelferkarte“ und „Verletztenkarte“. Und während der neun Jahre alte Leander eine Verletztenkarte zieht, ziehen die neunjährigen Pausenhelfer Emily und Laurora eine Pausenhelferkarte und verlassen den Raum – denn für die Übung sollen sie ja nicht im Voraus wissen, welche Verletzungen das Kind erlitten hat. „Du bist beim Rennen umgeknickt und hast starke Schmerzen im Fuß“, steht auf der Verletztenkarte und Leander macht sich bereit, ein „Patient“ zu sein. Die Pausenhelfer indes haben sich ihre leuchtenden Westen umgelegt und starten mit der Behandlung.
Anschließend werden die Beobachterkarten umgedreht: Wurde das verletzte Kind getröstet? Haben sich die Pausenhelfer mit Namen vorgestellt? Hat das verletzte Kind ein Kühlpack und einen Verband bekommen? Und haben die Pausenhelfer als Team zusammengearbeitet? Noch eine Runde: Diesmal ist der neun Jahre alte Patient Emil aufs Kinn gefallen, welches nun blutet. Die neun Jahre alte Lotta, die selber in der Pause am Finger versorgt werden musste, sowie die zehnjährige Hira geben ihr Bestes, um Emil zu helfen, mit ihm zu sprechen und ihm vorübergehend den Tröstebären Johnny zukommen zu lassen.
Aber hat man als Schulkind eigentlich nicht viel mehr Lust, in der Pause auf dem Schulhof zu spielen? „Mir macht es Spaß, Kindern zu helfen“, sagt Mia, die eben noch in der Pause als Pausenhelfer aktiv war. „Es ist interessant für mich, wie man andere Kinder verarztet.“ Auch neben der Schule konnte Mia bereits helfen: „Mein Vater hat meinem kleinen Bruder aus Versehen ein größeres Stück Fingernagel abgeschnitten, da durfte ich ein Pflaster draufmachen.“ Die Pausenhelfer sind übrigens ein wählbares Projekt und die Kinder konnten drei Projektwünsche angeben. Mia hatte eigentlich Hip-Hop favorisiert: „Doch ich glaube, dass mir Erste Hilfe noch mehr Spaß macht als Hip-Hop.“
Laurora meint, am meisten Spaß mache es, jemandem das Bein zu verarzten: „Weil es einfacher zu verarzten ist als der Kopf“, und privat habe sie bereits ihrer Schwester ein Pflaster aufgeklebt. In der Schule war es indes ein Kühlpack, das sie einem Kind gegeben habe, das umgeknickt sei. Und auch der neun Jahre alte Firat hat bereits Kindern geholfen: „Ich habe meinem Bruder ein Pflaster aufs Knie gegeben.“ Er selbst sei noch nicht in der Pause eingesetzt worden – doch: „Aufs Rumlaufen freue ich mich.“ Die neunjährige Helen meint, ihr mache es Spaß, anderen Kindern helfen zu können und sich selbst natürlich auch: „Ich mache am liebsten Knieverletzungen, die sind schön einfach“, erzählt sie.
Ganz viele Kinder möchten am Pausenhelfer-Projekt teilnehmen, berichtet abschließend Stephanie Peters: „Da schauen wir gerade, wie es passt. Es ist aber eigentlich für alle Kinder wichtig, mal in das Projekt zu kommen.“ Und Nadine Kobarg meint: „Das ist eine ganz andere Art zu lernen. Auch die Kinder, die schulisch nicht so gut sind, können hier glänzen.“