Der Blick auf die App zeigt, eine E-Ladesäule ist noch frei. Doch bei der Ankunft vor Ort kommt dann die Ernüchterung: Die Station wird schon blockiert. Für viele E-Autofahrer ist das der Alltag. Jan Runkel (37) und Jan Kahrs (34) vom Bremer Start-up Eulektro kennen diese Situationen in der Bremer Innenstadt aus eigener Erfahrung. Beide fahren aus Überzeugung Stromer. „Da kann es schon einmal passieren, dass man mehrere Standorte anfahren muss, bis ein Platz frei ist“, berichtet Jan Runkel. Das wollen die beiden Softwareentwickler in Bremen ändern.
Seit Sommer 2021 entwickeln sie Ladesäulen für Elektroautos. Die ersten Überlegungen hatten die beiden Bremer aber schon zwei Jahre zuvor. Eulektro entstand dabei eher zufällig. "Wir haben aus Interesse angefangen zu recherchieren und überlegt, wie wir die Situation in Bremen verbessern können", sagt Jan Kahrs. Kurze Zeit später gab es eine glückliche Fügung für die beiden Softwareentwickler: Die Firmen, die bisher den Ausbau der Ladeinfrastruktur in der Hansestadt betrieben hatten, entschieden sich gegen eine Erweiterung. „Für Bremen war das natürlich traurig, für uns ein glücklicher Zufall.“
Für Anwohner gemacht
Während andere Unternehmen in Deutschland oftmals auf Schnellladesäulen an Verkehrsknoten setzen, wollen die beiden Unternehmer die E-Tankstellen in die Zentren der Stadtteile bringen. Zu den Menschen. Ein Schnelllader sei teuer. Nicht nur die Installation koste viel mehr Geld, sondern auch das Aufladen für den Kunden, erklärt Jan Runkel. Die AC-Lade-Infrastruktur, für die sie sich entschieden haben, sei dagegen günstiger und im Prinzip vergleichbar mit einer sogenannten Wallbox – einer Stromtankstelle für zu Hause. "Wir wollen, dass Anwohner so nicht nur einen Parkplatz haben, sondern auch direkt ihr E-Auto kostengünstig über Nacht laden können." Die Säulen, die Kahrs und Runkel entworfen haben, heißen deswegen Ladeeulen.

Das Symbol des Start-ups ist die Ladeeule.
Die Softwareentwickler wollen in Zukunft mehrere Hundert Ladepunkte in Bremen aufbauen. Das hört sich erst einmal viel an. "Ist es aber nicht", betont Jan Runkel. Denn jedes fünfte Auto, das in Bremen zugelassen wird, ist laut Eulektro ein E-Auto. Neun Standorte mit insgesamt 53 Ladeeulen sollen in diesem Jahr in Betrieb gehen. Für nächstes Jahr seien sogar 14 Standorte mit je sechs Punkten geplant.
Die Wahl der Orte erfolgt laut Eulektro in Abstimmung mit der Senatsverwaltung, dem Straßenverkehrsamt sowie mit den Stadtteilen und berücksichtigt die lokalen Gegebenheiten. Vom Bund kamen zudem Fördermitteln in Höhe von 200.000 Euro. "Ohne diese hätte sich der Ausbau für uns sehr viel schwieriger gestaltet", bekennt Jan Kahrs.
Auf ihrer Internetseite gibt es seit rund einem Monat auch die Möglichkeit, Lieblingsorte für potenzielle Stellen vorzuschlagen. "Das Feedback ist wirklich der Wahnsinn!", freut sich der 34-Jährige. Bisher seien über 70 Vorschläge für neue Orte aus der Community gekommen. "Das bestätigt uns, dass der Bedarf nicht nur statistisch gigantisch ist."
Intelligentes System regelt Auslastung
Statt zwei Ladepunkten sieht das Konzept vom Bremer Start-up direkt sechs vor. "Wir versuchen, für die Zukunft so flexibel zu sein, dass wir die Station auch noch nach Bedarf erweitern können." Möglich macht das ein intelligentes Lastmanagement, das die vorhandene Energie auf unterschiedliche Ladeeulen je nach Auslastung aufteilt – trotz nur eines Netzanschlusses.
Die Säulen laufen mit Ökostrom. Alles andere würde sich auch nicht richtig anfühlen, sagen die Eulektro-Gründer. Geladen wird mit bis zu 22 Kilowatt pro Ladepunkt. Der Tarif dafür liegt aktuell bei 39 Cent pro Kilowattstunde. Bezahlt werden kann per QR-Code und mit einer Tarifkarte von verschiedenen Stromanbietern. Zukünftig sollen weitere Bezahlsysteme hinzukommen.

Das Aufladen läuft auf den ersten Blick wie beim gewöhnlichen Tanken ab.
Nach rund einem halben Jahr Tüftelei und der Erfahrung, welche bürokratischen Prozesse für die Genehmigung wichtig sind, konnte der erste Ladepark des Bremer Start-ups am Franziuseck im vergangenen Monat schließlich eingeweiht werden. Und die Auslastung sei seit dem ersten Tag fantastisch. "Damit haben wir gar nicht gerechnet", sagt Jan Runkel.
Unterstützung von der Landespolitik
Mittlerweile bemerkten die Bremer immer mehr, dass auch die Politik in der Hansestadt auf E-Mobilität setze. Zudem interessierten sich auch immer mehr Firmen für den Ausbau auf privaten Parkplätzen, erzählen sie. "Das Know-how ist da, sei es für öffentliche oder private Projekte", betont der 37-Jährige. Von der Planung über den Bau bis hin zur Inbetriebnahme kümmern sich die beiden Softwareentwickler um alle Phasen des Projektes. Die Säulenteile werden in Berlin von Ebee hergestellt.
Bisher stand die Stadt Bremen ganz im Fokus von Eulektro. "Bremen-Nord und Bremerhaven werden aber perspektivisch auch noch Thema", vermutet Jan Runkel. Zudem seien auch schon überregional Anfragen gekommen. „Aktuell haben wir aber erst einmal genug zu tun mit Bremen.“