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Zustimmung zum Mobilitätsortsgesetz Beirat Neustadt auf Regierungskurs zur autofreien Stadt

Die Ortsbeiräte stehen derzeit vor der Aufgabe, eine Einschätzung zum Mobilitätsortsgesetz abzugeben. Es soll die Stellplatzverordnung ersetzen, die festlegt, wie viele Parkplätze ein Bauherr schaffen muss.
24.09.2021, 18:24 Uhr
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Von Gerald Weßel

Die Bremer Beiräte stehen derzeit vor der Aufgabe, eine Einschätzung zum Mobilitätsortsgesetz abzugeben. Der Ausschuss Umwelt, Bau, Mobilität des Beirates Neustadt hat den Text in seiner jüngsten Sitzung einstimmig begrüßt. Das Gesetz soll die Stellplatzverordnung ersetzen, die festlegt, wie viele Parkplätze im Zuge eines Bauvorhabens geschaffen werden müssen.

Der Nachfolger mit dem nicht weniger sperrigen Namen setzt auf einen ganzheitlichen Ansatz. Mit dem Gesetz soll die Mobilität in der Hansestadt völlig neu gedacht werden. Das Ziel sind autoarme oder autofreie Quartiere – insbesondere bei Neuplanungen von Gebäuden in Innenstadtnähe.

Der Neustädter Verkehrsausschuss ist sich einig: „Das Gesetz sichert die überfällige Anpassung an ein geändertes Mobilitätsverhalten und entspricht der Bedeutung von Alternativen zu Flächen für den motorisierten Individualverkehr bei der Realisierung von Bauvorhaben.“ So steht es in dem Beschluss des Gremiums.

Huchting und Obervieland votieren dagegen

Aus anderen Stadtteilen gibt es allerdings Gegenwind: Der Beirat Huchting hat angesichts der Tragweite der anvisierten Rechtsgrundlage noch Erklärbedarf. Das Gremium lehnte also erst einmal einstimmig ab, und verlangt ausführliche Erläuterungen von der Behörde. Ebenso der Beirat Obervieland. Dieser sieht – verabschiedet ohne Gegenstimmen – die Voraussetzungen für ein effektives Mobilitätsmanagement im Sinne dieses Ortsgesetzes als noch nicht geschaffen an.

Doch was soll sich eigentlich ändern? Das Mobilitätsortsgesetz reduziert die bei Neu- oder Umbauten von Gebäuden erforderlichen Parkplätze für Autos erheblich, erhöht aber die Mindestzahl an zu schaffenden Fahrradstellplätzen.

Ein Beispiel: Bislang gilt bei Häusern mit bis zu vier Wohnungen, dass ein Bauherr für eine Wohnung mit einer Größe bis 160 Quadratmeter einen Auto- und einen Fahrradstellplatz schaffen muss. Nun würde bei einem ähnlichen Fall (mehr als drei Wohnungen) gelten, dass pro neuer Wohnung nur noch 0,6 Stellplätze für Autos, aber mindestens sechs Fahrradstellplätze anzulegen sind.

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Bei weniger Wohnungen pro Haus entfällt die Stellplatzpflicht für Autos mitunter komplett, dafür werden drei Fahrradstellplätze verlangt. Diese Regelung gilt nicht nur für neue Wohngebäude, sondern zum Beispiel auch für einen Betrieb – etwa ein Kino.

Hinzu kommen Änderungen beim bislang gängigen Verfahren des sogenannten Freikaufens von der Stellplatzpflicht. Wer bislang weniger oder keine Parkplätze schaffen konnte oder wollte, wurde gegen die Zahlung eines Geldbetrags von dieser Pflicht befreit. Der größte Teil des auch weiterhin erforderlichen Betrags muss nun aber in eine Alternative zum Auto investiert werden. Zum Beispiel in eine Carsharingstation oder in eine für Leihräder, ganz praktisch in Zeitkarten für die Bahn oder auch Taxigutscheine.

Vorschriften für Investitionen

Je nach Stadtteil wird dieses sogenannte Mobilitätsmanagement in unterschiedlichem Ausmaß verpflichtend: Große Teile der Neustadt gehören als innenstadtnahe Quartiere zur Zone II. Wer hier in Zukunft ein Wohngebäude baut, muss für vier eingerichtete Autostellplätze auch circa 23.000 Euro in alternative Mobilitätsangebote stecken.

Die anderen Bereiche Links der Weser gehören zur Zone 3. Hier sind es beim selben Beispiel nur etwa 5000 Euro, da hier auch die erforderliche Ablösesumme pro Stellplatz geringer ist. In Seehausen und Strom entfällt der vorgegebene Pflichtanteil. Zusätzlich können die gebauten Parkplätze wie früher weiter reduziert werden, müssen aber entsprechend dann durch Investitionen in Alternativen ersetzt werden.

Schaefer: „Viele Menschen verzichten inzwischen auf das eigene Auto“

Wenn es nun in Zukunft weniger Stellplätze gibt, verschwinden im selben Zuge aber nicht automatisch die Autos. Doch Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) ist optimistisch: „Viele Menschen verzichten inzwischen auf das eigene Auto.“ Das reduziere Blechlawinen in zugeparkten Straßen und erhöhe Aufenthaltsqualität, Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit.

Allerdings waren laut Statistischem Bundesamt Anfang 2021 knapp 300.000 Pkw in Bremen zugelassen, 2011 waren es noch 265.000. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Einwohner laut Eurostat nur um knapp 27.000. Demnach gibt es mehr Autos pro Einwohner, nicht weniger. Es kommt also letztendlich auf die Bereitschaft der Bewohner eines Quartiers an, die angebotenen Mobilitätsalternativen auch zu nutzen. Denn vertraglich verbieten darf der Eigentümer dem Mieter das eigene Auto nicht.

Zur Sache

Gesetz soll Auto-Alternativen fördern

Ganz oben sieht das Bau- und Umweltressort alles, was Menschen dazu ermutigt, den ÖPNV zu nutzen, wie zum Beispiel Monatskarten oder Jobtickets. Auch eine Bahncard fällt in diese Riege, auf die schließlich Carsharing, Taxis und die Vermittlung von Fahrgemeinschaften folgen, also: Auto ja, aber bitte nicht das eigene. Mehr Fahrradabstellplätze, eine dazugehörige Werkstatt, Leihräder inklusive Lastenvarianten und E-Scooter werden auch genannt. Zu guter Letzt sind auch Angebote für Anhänger, Sackkarren oder Ladeinfrastruktur, zum Beispiel für E-Lastenräder als Teil des fast flächendeckend verpflichtenden Mobilitätsmanagement denkbar.

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