Wer in Bremen bislang Wohnhäuser oder andere Gebäude neu baute, musste Parkplätze schaffen. In anderen Städten sind die Vorschriften für Stellplätze bei privaten Bauprojekten gelockert oder eingestellt worden. Hamburg schaffte die Pflicht 2014 ab, Berlin hat es ebenfalls beschlossen. Auch in Bremen soll es das Stellplatzortsgesetz von 2012 in dieser Form nicht weiter geben.
Auf Initiative der Grünen-Fraktion will das rot-grün-rote Regierungsbündnis die Vorschrift durch ein Mobilitätsortsgesetz ersetzen. Daran wird seit Jahren gearbeitet. Ziel ist es, die Vorschriften zugunsten von Radverkehr und ÖPNV zu verändern. Statt immer mehr Auto-Parkplätze soll mehr Raum für Fahr- und Lastenräder sowie für Carsharing geschaffen werden. Auch Zeitkarten für den Nahverkehr könnten vergeben werden. Der Entwurf für das Mobilitätsortsgesetz, der dem WESER-KURIER vorliegt, soll nun allen Ressorts, Beiräten, Kammern und Verbänden in einem Anhörungsverfahren vorgelegt werden.
"Wenn das Vorhaben in dieser Form umgesetzt wird, dann ist es bundesweit das fortschrittlichste Mobilitätsgesetz", sagt Ralph Saxe (Grüne), der den Anstoß dafür gab und das Thema immer wieder vorantrieb. "Mobilität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt, wir passen das Gesetz nun dem geänderten Verhalten an. Dabei beziehen wir alle Mobilitätsformen ein und fördern diese", sagt Saxe. Die Maßnahmen des Mobilitätsmanagements (Fahrradparkplätze, Carsharing oder Zeitkarten) würden nun mindestens mit dem Autoparken gleichwertig behandelt. "Das sollte einen Schub geben für eine andere Art von Mobilität, für eine Verkehrswende", sagt Saxe.
Durch die neuen Regeln soll Bauherren erleichtert werden, auch autoarme oder autofreie Vorhaben zu realisieren. Vor allem neue Wohnviertel sollen von Autos entlasten werden. Bis Ende 2012 mussten Hausbauer entweder pro Wohnung bis 160 Quadratmeter beziehungsweise pro 25 Quadratmeter Arztpraxis oder 40 Quadratmeter Ladenfläche einen Parkplatz zur Verfügung stellen oder sie zahlten eine Ablösesumme je nach Gebiet. Seit Januar 2013 kann die Pflicht anteilig ausgesetzt werden, wenn andere Maßnahmen getroffen werden.
Unterscheidung in drei Zonen
Das neue Gesetz unterscheidet nach drei Bereichen. Die Zone I umfasst die Innenstadt inklusive Stephaniviertel, Ostertor bis zum Sielwall und Bahnhofsvorstadt. Dort ist es nur noch ausnahmsweise gestattet, Autoparkplätze zu schaffen. Stattdessen wird zu mindestens 75 Prozent Mobilitätsmanagement notwendig. Zone 2 beinhaltet die innenstadtnahen Quartiere sowie die Ortsteile Vegesack und Grohn. Dort werden je nach Größe und Gebiet des Wohnungsbaus die Stellplätze berechnet, mindestens 50 Prozent müssen Maßnahmen wie Fahrradabstellplätze oder Carsharing sein.

In den Quartieren rings um die Bremer Innenstadt, wie hier an der Straße Auf der Kuhlen im Steintor-Viertel, sind Stellflächen für Autos besonders knapp.
Das übrige Stadtgebiet und die Außenbereiche einschließlich des stadtbremischen Überseehafengebiets Bremerhaven gehören zur Zone 3, wo mindestens 25 Prozent der Maßnahmen des Mobilitätsmanagements umgesetzt werden müssen. Wer keine Stellplätze schafft, kann eine Ablöse zwischen 3500 bis 18.600 Euro je nach Gebietszone zahlen. Dieses Geld floss in der Vergangenheit in den Betrieb von Parkhäusern, nun soll damit die Verkehrssituation vor Ort verbessert werden.
„Zukünftig müssen im Sinne der Mobilitätswende deutlich weniger Stellplätze bei Neubauvorhaben bereit gestellt werden, da viele Menschen inzwischen auf das eigene Auto verzichten“, sagt Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Stattdessen stehen Angebote des Umweltverbundes im Vordergrund, damit die Menschen klimafreundlich ihre Wohnung erreichen können. Das reduziere deutlich die Blechlawinen in zugeparkten Straßen und erhöhe Aufenthaltsqualität, Verkehrssicherheit und Barrierefreiheit, so Schaefer.
Über die Stellplatz-Regeln gibt es seit Jahren eine kontroverse Diskussion. Bauherren und Architektenkammer wollten das Gesetz am liebsten abschaffen. „Wir überarbeiten es als neues Steuerungsinstrument. Wir wollten weg davon, stumpf Stellplätze vorzugeben hin zu einer dynamisch-flexiblen Verkehrsmittelwahl“, sagt Ralf Schumann (Linke). Man wolle eine Verkehrswende für den Klimaschutz und eine stadtgerechte Mobilität anstreben: „Weg vom eigenen Auto, hin zu anderen Verkehrsmitteln“, so Schumann. Oftmals müssten Stellplätze teuer beispielsweise durch Tiefgaragen errichtet werden, auch die Ablösesumme seien recht hoch, so Schuhmann. „Nun kann der Bauherr durch Mobilitätskonzepte intelligente Alternativen anbieten.“
Die finanzielle Entlastung bei Bauprojekten war für Falk Wagner (SPD) ein wichtiger Punkt. „Mit dem neuen Gesetz wird es für Bauherren günstiger“, sagt Wagner. Das sei wichtig, weil die Baukosten immer teurer werden. Weniger belastet werden laut dem Gesetzentwurf der soziale Wohnungsbau, Studierendenwohnheime, Zwischennutzungen, gemeinnützige Vereine und kulturelle Einrichtungen, die nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind. „Sie werden mit einer niedrigeren Stellplatzpflicht etwas besser gestellt“, sagt Wagner. Damit entlaste man unter anderem auch Mieter.