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Kirchenjubiläum in Arsten Ein 700 Jahre altes Geburtstagskind

Sie hat mehr als 700 Jahrhunderte auf dem Backstein-Buckel: Die Arster Kirche ist quasi ein Relikt aus dem Mittelalter. Doch zum Geburtstag im Juni wollen die Arster St. Johannes ganz neu erfinden.
10.04.2025, 05:00 Uhr
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Ein 700 Jahre altes Geburtstagskind
Von Antje Borstelmann

Es ist noch ziemlich frisch an diesem Morgen. Deutlich weniger frühlingshaft, als es die Sonne, die durch die hohen bleiverglasten Fenster scheint, vermuten lässt. Daran ändert auch die 2015 installierte Fußbodenheizung wenig. Doch die Menschen, die auf den eher kargen Holzbänken Platz genommen haben, sind in Gedanken sowieso schon mitten im Juni. Dann feiern sie nämlich Geburtstag. Nicht irgendeinen: Es ist der 700. der St.-Johannes-Kirche in Arsten.

Eine Kirche mit Sonderrolle

Nahezu vollständig hat der solide Backsteinbau die Jahrhunderte überdauert. Damit, weiß Friedrich Greve, ehemaliger Geschichtslehrer und Gründer des Arbeitskreises Arster Geschichte(n), kommt dem Sakralbau eine besondere Rolle unter den bremischen Kirchen am Stadtrand zu. "Andernorts wie in Wasserhorst, Arbergen und Grambke wurden die Kirchen schon im 18. Jahrhundert baufällig und mussten durch neue ersetzt werden. Oder sie wurden wie in Oberneuland, Horn oder Lesum für die wachsende Bevölkerung zu klein und hatten größeren zu weichen", schreibt Greve in einem Text fürs Kirchenjubiläum. Vermutlich schon in der ersten Hälfte des 13. Jahrhundertes erbaut, findet sich die erste amtliche Erwähnung der Kirche erst viele Jahrzehnte später in einer Urkunde, die den Ankauf von Grundstücken besiegelt. Eines dieser Grundstücke, so ist dem Schriftstück vom 23. Juni 1325 zu entnehmen, liege "hinter der Kirche".

Kupfer statt Steine

Bis heute lässt sich ein Hauch von Mittelalter erspüren, wenn man durch den Turm das Kirchenschiff unter einem imposanten acht Meter hohen Gewölbe betritt. Erst 1691 wurde dem trutzigen Wehrtum mit seinen 1,55 Metern dicken Mauern eine achteckige Spitze aus ehemals Sandsteinplatten aufgesetzt. Da sich die mehrfach lösten und zu Boden stürzten, wurden sie 2010 durch Kupfer ersetzt.

Geschichten wie diese oder von jenem kleinen, eher unauffällig ins Mauerwerk eingelassenen Metallring an der Turm-Südseite, mit dem Menschen an den Pranger gefesselt wurden, können die Mitglieder des Vorbereitungsteams zuhauf erzählen. Wollen sie auch, und zwar bei Führungen und in einer Ausstellung zum Kirchenjubiläum. Beides wird Bestandteil einer ganzen Festwoche zum Ereignis ab Sonntag, 22. Juni. Sie soll den altehrwürdigen Bau ins Zentrum rücken, buchstäblich mitten hinein ins Arster Leben. "Wir wollen den ganzen Ortsteil dazu einladen, die Kirche auch zu eigenen Zwecken zu nutzen und sie damit neu zu be- und erleben – zum Spielen, zum Basteln, als Treffpunkt", fasst Pastor Christian Schulken eine Hoffnung zusammen, die sich an die große Geburtstagsfeier knüpft. Denn eines sei angesichts sinkender Mitgliederzahlen der Kirche ja klar: Die Unterhaltung des denkmalgeschützten Bauwerks werde zunehmend zur Herausforderung. Das dürfte beim für den 27. Juni geplanten Vortrag von Karin Berkemann besonders deutlich werden. Die Architekturhistorikerin aus Greifswald ist Mitinitiatorin eines "Kirchenmanifestes", in dem der Vorschlag gemacht wird, Kirchengebäude in den Besitz einer Stiftung zu überführen, um sie langfristig für die öffentliche Nutzung zu erhalten.

Fotos und Rezepte gesucht

Die Foto-Aktion "Kirche und ich", bei der die Arster ihre ganz persönliche Beziehung zu St. Johannes dokumentieren können, soll ebenfalls Verbindungen schaffen: Bis in den Mai hinein können Fotos für eine kleine Ausstellung abgegeben werden. Geplant sind außerdem ein Mittelaltermarkt, ein Kinderprogramm und ein Büfett, das mit Geburtstagstorten bestückt wird. Ein extra entworfenes Plakat wird überall im Ort und darüber hinaus auf das Ereignis aufmerksam machen – sogar auf einer Weinflasche: Ab sofort sind Flaschen der limitierten 700-Jahre-Sonderedition eines Grauburgunders beim Getränkefachhandel Kalbhenn an der Carsten-Dreßler-Straße zu bekommen. Der Erlös fließt buchstäblich in eine Rundbank unter einer Linde gegenüber der Kirche. Finanziell gespeist wird dieses Projekt auch aus dem Verkauf des Arster Kochbuches – einer Sammlung, zu der möglichst viele Bewohner des Ortsteils oder benachbarter Quartiere lokale Rezepte beisteuern, hoffen die Initiatoren. Ein Puzzle – natürlich mit 700 Teilen – ist ebenfalls in Arbeit, und gerade kam die Bestätigung, dass es am 24. Juni ein Wiedersehen der in den 50er-Jahren besonders aktiven Jugendgruppe der Kirchengemeinde geben soll.

Bei allem Bemühen um eine Öffnung der Kirche auch für neuartige Nutzungen soll der geistliche Zweck, für den sie ursprünglich errichtet wurde, nicht aus dem Blick geraten, haben sich die Planer vorgenommen. Darum wird am Ende der Woche ein „Tag des Segens“ stehen.

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