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700 Jahre alt Welche Geschichten die St.-Johannes-Kirche in Arsten erzählt

In sieben Jahrhunderten St. Johannes Arsten haben sich viele Geschichten angesammelt. Zum Beispiel die vom Mondgesicht unter der Kirchenkuppel, vom Pranger oder auch die gruselige Mär um den legendären Ritter.
19.06.2025, 16:29 Uhr
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Welche Geschichten die St.-Johannes-Kirche in Arsten erzählt
Von Antje Borstelmann
Inhaltsverzeichnis

Taufe, Konfirmation, Hochzeit, Begräbnis: Der Ort ist für viele ­Menschen wie ein Scharnier zwischen den Abschnitten des Lebens. Das gilt auch für die St.-Johannes-Kirche in Arsten. Seit jetzt 700 Jahren ist der 1325 erstmals urkundlich erwähnte ­Backsteinbau ein ­Fixpunkt im Quartier. Eine lange währende Geschichte – mit noch viel mehr ­Geschichten. Sieben davon haben wir hier versammelt, mehr gibt es auf der ­einwöchigen Party für die rüstige Jubilarin, die in ihrer Art einzigartig im Land ist. Einen Flyer zum Download mit dem kompletten Programm gibt es unter www.st-johannes-online.de.

Über Kreuz

Die drei acht Meter hohen Gewölbe in der Arster Kirche sind Relikte des Mittelalters und – wenn auch mehrfach übergestrichen und getüncht – original erhalten. Damit sind sie einzigartig in der Stadt. Wer genau hinsieht, entdeckt in der Mitte des Kreuzgewölbes über dem Altarraum ein "Mondgesicht". Das, so mutmaßen Kenner der Kirchengeschichte, dürfte mindestens genau so alt sein. Es stellt, so geht die Sage, möglicherweise einen Flussgeist dar. Die auf einer Warft erbaute Kirche war in alten Zeiten Zuflucht für Menschen auf der Flucht vor steigendem Flusswasser – und hat bis heute mit feuchten Wänden zu kämpfen.

Am Pranger

Er ist ganz unscheinbar, und doch hat der eiserne Ring an der Kirchturmmauer den Menschen von einst sicher das schiere Entsetzen ins Gesicht getrieben. Denn mit Gnade und Vergebung war es an just dieser Stelle nicht allzu weit her in Arsten anno 1680. In einem Kirchenvisitationsbericht vom 2. Juni beklagt der Pastor, „daß einer nahmens Heinrich Budde durch keine gute Ermahnung sich wollte leiten lassen und nunmehr fast in vier Jahren nicht zur Kirchen komme, auch ein rohes und ärgerliches Leben führte“. Man habe besagten Budde „scharf vermahnet und ihm befohlen, hinfüro keine Predigt und Kinderlehre ohne erhebliche Ursache zu versäumen, auch alle Wochen zum wenigsten einmahl zum Herrn Pastore ins Haus zu kommen und sich unterrichten lassen“. Andernfalls drohe eine „Leibesstraffe“. Wie die aussah, ist in einem Bericht vom 23.  September 1694 nachzulesen. Dort steht, dass „die halsstarrigen aber gar in das Halseisen sollten gestellt werden“. Heißt auf neudeutsch: Schuldige wurden mit einem Halseisen an der Mauer befestigt und dort zur Schau gestellt.

Schräg gegenüber ging es noch blutiger zu. Dort befand sich unter einer Linde die Gerichts- oder auch Thingstätte. Ein Gedenkstein erinnert an das letzte Blutgericht, das dort 1569 stattfand. In der Zukunft vielleicht ein Ort der Begegnung: Die Kirchengemeinde sammelt für eine Rundbank um jene Linde.

Standhaft und standfest

Solide Bauweise – diesen Stempel darf man dem Sakralbau auf jeden Fall aufdrücken. Nur ein einziges Mal, so ist verbrieft, hatte es die Kirche mit Zerstörung zu tun: Dem Artilleriefeuer in den letzten Weltkriegstagen im April 1945 im Bremer Süden fiel das Dach zum Opfer. Der Turm, Baujahr 1691, hatte zwar ein Loch, blieb aber stehen. Die Gewölbe hielten stand, auch wenn sie Risse aufwiesen. Vielleicht machte sich da die grundlegende Renovierung von 1899 bezahlt: Damals bekam das Kirchenschiff neue Stützen an der Seite. Größere Umgestaltungen und Modernisierungen gab es im Laufe von sieben Jahrhunderten natürlich einige, dokumentiert sind vor allem jene der jüngeren Geschichte: 1927, 1966, 1995, 2010 und zuletzt 2015 beim Einbau einer Fußbodenheizung. 1836 gab es insgesamt 450 Sitzplätze in der Kirche, heute sind es noch 260.

Kirchensilber

Der vergoldete Abendmahlskelch aus dem Jahre 1612 gehört zu den älteren der 450 Silbergegenstände, die die Wechselfälle der Stadtgeschichte überstanden haben – als Geldanlage wurde Silber bei Bedarf ja gern „versilbert“. Der Stempel weist ihn als ein Werk des Bremer Silberschmiedes Hans Krulle aus. Die Abnutzung an den Rändern sowie eine Bruchstelle dokumentieren den Gebrauch des Kelches, insgesamt befindet er sich aber in gutem Zustand. Zu hohen Feierlichkeiten wird er auch heute noch aus der Schatztruhe geholt.

Legendärer Ritter

Die alten Grabsteine auf dem Friedhof erzählen die Geschichte vieler alteingesessener Arster Familien – manche bis zurück ins Jahr 1546. Eine mit gruseligem Anstrich hängt an der Kirchenmauer: die des Ritters Arp Harmeling. Auf der Grabplatte, die mit acht weiteren bis 1927 im Altarraum der Kirche lag, ist er mit seiner Gemahlin zu sehen. Sie waren Pächter des Rittergutes auf dem Hemm. An die zwei zu Füßen des Ritters aus dem Stein gehauenen gekreuzten Handschuhe knüpft sich die Sage, dass Harmeling von den Bremern hingerichtet worden sei, weil er die Weser abwärts fahrenden Schiffe geplündert habe. Einer anderen Legende zufolge wurden dem Ritter zur Strafe für einen geleisteten Meineid beide Hände abgeschlagen.

Blickfänger

Fenster in einer Kirche gewähren nicht nur den Blick hinein und hinaus. Während die hohen, leuchtend farbigen Fenster im Altarraum seit 1951 dem Evangelisten Johannes und damit dem Namensgeber gewidmet sind, dokumentieren die 1966 geschaffenen Medaillons im Schiff eher eine weltliche Beziehung. Sie stellen, in Danziger Antikglas gehalten, die damals in der Arster Bevölkerung besonders stark vertretenen Berufe dar: Landwirtschaft, Straßenbau, Hafenarbeit und Schiffbau.

Die Stimme von oben

Wenn in Arsten mittags um halb zwölf die Glocke im Kirchturm läutet, dann ist das kein gutes Zeichen: Seit Jahrhunderten wird so verkündet, dass ein Gemeindemitglied gestorben ist. „Ich rufe Gottes Volk, wenn soll gepredigt werden beklag auch Deinen Tod, wenn Du gehst in die Erden" steht denn auch als Inschrift auf der älteste Glocke im Kirchturm, die aus dem Jahr 1843 stammt, aber ältere Vorfahren hat: Das Material ist das einer umgegossenen Glocke aus dem Jahr 1720. 1905 hat man mit Hilfe von freiwilligen Spenden eine zweite Glocke angeschafft. Sie wurde jedoch 1917 für den Bau von Kanonen oder Geschossen beschlagnahmt und eingeschmolzen. Erst am 29. Juli 1961 läuteten wieder zwei Glocken in Arsten.

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