„Es wird nie wieder alles gut“ - diesen Ausspruch der Dresdner Ausstellung „Sprachlosigkeit – das laute Verstummen“ über kollektive Traumata verwendet auch Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) zu Beginn ihres Grußwortes im Rahmen der Gedenkfeier im Nelson-Mandela-Park. Es ist der 11. August 2021 und damit genau 117 Jahre nach dem Beginn der Schlacht von Ohamakari („Schlacht am Waterberg“). Im Verlaufe dieser Schlacht in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika, im heutigen Namibia, starben bis 1908 nach Schätzungen circa 100.000 Menschen aus den Bevölkerungsgruppen der Herero, Nama, Damara und San. Lange jedoch kämpften Vertreter dieser Gruppen darum, dass die Gräueltaten der deutschen Kolonialherren als Völkermord anerkannt werden.
Doch erst Ende Mai 2021 gelangten die Verhandlungen mit der deutschen Regierung zu einem Abschluss. „Wir werden diese Ereignisse jetzt auch offiziell als das bezeichnen, was sie aus heutiger Perspektive waren: ein Völkermord“, ließ Außenminister Heiko Maas (SPD) in dem Zusammenhang in einer Erklärung verlauten, „im Lichte der historischen und moralischen Verantwortung Deutschlands werden wir Namibia und die Nachkommen der Opfer um Vergebung bitten.“
Umstrittene Einigung erzielt
Tatsächlich tat sich die Bundesregierung lange schwer, das grausame Geschehen als Völkermord zu bezeichnen. Erst 2015 begannen Verhandlungen zwischen Namibia und der Bundesrepublik, 2021 gelangten sie zu einem, wenn auch nicht unumstrittenen, Abschluss.
Hafenstädte wie Bremen spielten beim deutschen Kolonialismus eine wichtige Rolle. Sie waren die Umschlagsorte für die Einfuhr der Güter aus den Kolonialgebieten und für die Ausfuhr von Gütern dorthin. Die Bremer Wirtschaft hat damit viel Geld verdient. Maßgeblich waren auch Bremer Kaufleute beteiligt. „Adolf Lüderitz und Heinrich Vogelsang drängten schon frühzeitig die deutsche Reichsregierung zum Erwerb von Übersee-Gebieten und trieben Landraub, Ausbeutung und Kolonialhandel voran“, heißt es in dem Informationsflyer„Koloniales Erbe, Koloniale Kontinuität“ zur Veranstaltungsreihe. Die koloniale Vergangenheit Bremens ist auch im Stadtbild noch sichtbar: Der ehemalige Standort der „Völkerschau“ im Bürgerpark, Straßennamen und das Antikolonial-Denkmal Der Elefant zeugen unter anderem von Bremens Beteiligung.
„Wir können nichts ungeschehen machen, müssen uns aber erinnern“, sagt Anja Stahmann auf der Gedenkveranstaltung, die von der Landeszentrale für politische Bildung, der Senatskanzlei, dem Verein Der Elefant, dem Afrika-Netzwerk Bremen sowie dem Bremer Afrika-Archiv veranstaltet wird. „Wir denken daran, was diesen Menschen am 11. August 1904 angetan worden ist. Das Auslöschen Zehntausender Menschen von 1904 bis 1908 ist nicht wieder gutzumachen. Es hat zu lange gedauert, dies als Genozid zu bezeichnen.“
Kulturdeputation hat Treffen beschlossen
Es gehe um heilende Wunden, um eine aufrichtige Entschuldigung, sagt die Sozialsenatorin weiter, und auch deshalb gebe es das alljährliche Treffen im Nelson-Mandela-Park. Eine wichtige Idee sei dieses Treffen, 2015 beschlossen durch die Kulturdeputation. „Und es ist auch wichtig, dass die junge Generation dabei ist und aus der Geschichte lernt.“ Zuvor hat bereits Tobias Peters von der Landeszentrale für politische Bildung auf die Wichtigkeit des Jahrestages hingewiesen, insbesondere für Jüngere, denn: „Dies ist die Auftaktveranstaltung für weitere Veranstaltungen für Schüler.“
Nach einer beeindruckenden Tanzperformance „Mutter Afrika und der Elefant“ sagt Gudrun Eickelberg im Namen des Vorstands des Vereins Der Elefant: „Es gibt noch viel Arbeit zu leisten. Die Aufarbeitung der Kolonialzeit reicht bis in die heutige Zeit und diese Aufarbeitung ist unser Auftrag.“
Manfred Hinz vom Bremer Afrika-Archiv erinnert ebenfalls an den ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts: „Wir gedenken heute der Opfer von damals und tun das in Respekt und Achtung. Und wir tun das, um unser Bewusstsein zu schärfen.“ Er erinnert aber auch an die Hoffnung auf namibischer Seite auf Anerkennung des Völkermords und die Bereitschaft zur Entschädigung und zur Wiedergutmachung: „Diese Mittel werden als Heilung der Wunden der Vergangenheit angesehen.“ „Als Geste der Anerkennung des unermesslichen Leids, das den Opfern zugefügt wurde, wollen wir Namibia und die Nachkommen der Opfer mit einem substanziellen Programm in Höhe von 1,1 Milliarden Euro zum Wiederaufbau und zur Entwicklung unterstützen“, sagt Ende Mai Außenminister Heiko Maas in seiner Erklärung, und diese Mittel sollen nach Manfred Hinz in einem Zeitraum von 30 Jahren fließen: „Der namibische Vizepräsident meint, 1,1 Milliarden seien nicht ausreichend“, sagt Hinz, und in der Tat sind sich namibische Gruppen nicht einig in der Bewertung der Erklärung – auch, weil der Außenminister darin betont: „Rechtliche Ansprüche auf Entschädigung lassen sich daraus nicht ableiten.“
Wohl auch deshalb betont Manfred Hinz abschließend: „Den 11. August als Gedenktag zu gestalten, bleibt weiterhin unsere gesellschaftliche und politische Herausforderung.“