Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Jürgen Lühmann ließ im Awo-Treff "Sparer Dank" Erinnerungen wieder wach werden Wie es früher in Busedorf war

Schwachhausen. Die Geschichte der Busestraße und ihrer Anwohner wurde für einen Nachmittag wieder lebendig: Die Nachbarschaftsinitiative "Ritas Nachbarn" der Rita-Bardenheuer-Straße hatte zu einem Erzählcafé im Awo-Treff Sparer Dank eingeladen. Jürgen Lühmann, pensionierter Lehrer und in der Busestraße groß geworden, erzählte aus den frühen Zeiten der Busedorfer.
06.12.2010, 05:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Jutta Barth

Schwachhausen. Die Geschichte der Busestraße und ihrer Anwohner wurde für einen Nachmittag wieder lebendig: Die Nachbarschaftsinitiative "Ritas Nachbarn" der Rita-Bardenheuer-Straße hatte zu einem Erzählcafé im Awo-Treff Sparer Dank eingeladen. Jürgen Lühmann, pensionierter Lehrer und in der Busestraße groß geworden, erzählte aus den frühen Zeiten der Busedorfer.

"Wo heute die Meierei im Bürgerpark steht, hatte früher Bauer Buse seinen Hof. Seine Weiden reichten bis an die Parkallee. Die gegenüberliegende Straße wurde später nach ihm benannt." So erklärte es Harald Weinacht, Pastor im Ruhestand, zu Beginn. Wer in den 1930er-Jahren mit dem Pferdewagen aus Richtung Borgfeld kam und über die Parkallee in Richtung Bremen wollte, traf nach langer Fahrt durch Äcker und Wiesen endlich auf eine Straße. Diese lag damals noch deutlich entfernt vom seinerzeit kleinen Bremen und bildete zusammen mit den umliegenden Straßen ein in sich geschlossenes Dorf. Die Bewohner nannten sich selbst "die Busedorfer".

Einzigartig war damals die Ansiedlung der unterschiedlichsten Kleingewerbe, deren Dienste die hohen Herrschaften der Parkallee gerne in Anspruch nahmen. Bei einem Spaziergang durch die Busestraße findet man noch heute ein Sammelsurium von Häusern aller Stilrichtungen. Dies verleiht der Straße einen besonderen Charme.

Seine ersten Kindheitserinnerungen hat Jürgen Lühmann an seine Großeltern. Das war nach Kriegsende, da war er gerade drei Jahre alt. Sie wohnten im Haus Nr. 63, wo auch er selbst groß geworden ist. Seine Oma war Schuhmacherin und recht geschäftstüchtig. Die Herren gingen damals gerne im Bürgerpark auf Entenjagd. Oma hatte eine Idee. Zum Schutze der Jägerwaden nähte sein Opa dann fleißig Schäfte. "Er war darin Spezialist", berichtete Lühmann. Alle hörten gebannt zu, und Erinnerungen an die damalige Nachbarschaft wurden wach. Um einzukaufen oder sich die Haare schneiden zu lassen, musste man nicht in die Stadt fahren. Ob Wurst von Schlachter Breitfeld, Vorzugsmilch vom Bauernhof Lindemann, Brot vom Bäcker Otten oder Obst und Gemüse von Höge - alles war vorhanden. Autos, damals noch in überschaubarer Anzahl, reparierte die Autowerkstatt Schulze. Es gab Maler, Maurer und die Wäscherei Soller. Am schönsten aber war der Kolonialwarenladen Gries. Dort wurde Zucker in Spitztüten abgefüllt,

Gurken kamen aus dem Fass und die wunderbarsten Bonbons aus großen Gläsern. "Es lebte sich gut und sorgenfrei im Busedorf, dafür bin ich heute noch dankbar", sagt Jürgen Lühmann lächelnd.

An den Krieg kann sich Jürgen Lühmann selbst nicht mehr erinnern, er war damals noch zu klein. Aber die Zeit danach ist ihm gut im Gedächtnis geblieben. Während in Bremen viele Straßen in Schutt und Asche lagen, blieb es in der Busestraße verhältnismäßig ruhig. Fast alle Häuser blieben erhalten. Bei Luftangriffen flüchtete man in den Erdbunker. Dieser befand sich dort, wo heute die Tennisplätze sind.

Unterbüxen im Birnbaum

"Nimm den Koffer mit dem Flickzeug! Das war immer das Wichtigste, denn es war eine Zeit, in der man aus zwei alten Kleidern ein neues machte", wusste eine Zuhörerin zu erzählen. Ilse Vietor erinnerte sich: "Frau Carstens, die Ehefrau von Karl Carsten, unserem späteren Bundespräsidenten, war auch in diesem Erdbunker. Sie fror immer mächtig und wärmte sich an einer Brennhexe, einem kleinen Ofen." Jürgen Lühmann schilderte: "Einmal schlug eine Granate in unseren Kellereingang ein. Dort standen bereits die Bunkerkoffer mit allen wichtigen Utensilien bereit. Nach dem Einschlag hingen die Unterbüxen und Hemden im Birnbaum. Die Stelle im Eingang sieht man heute noch."

Über die erste Zeit nach dem Krieg wussten alle Zuhörer etwas zu erzählen. Dass es zum Beispiel tagelang nur Steckrüben zu essen gab. Für das Sonntagsmahl mussten die Kinder im Bürgerpark Bucheckern sammeln. Aus ihnen wurde Öl gepresst. Die darin geschmorten Steckrüben schmeckten noch mal so gut. In den Gärten wuchs Gemüse und Obst, und Gustava Schlünz erinnerte sich, dass sogar Tabak angebaut wurde: "Für die Raucher. Und für ein gutes Aroma wurden die getrockneten Tabakblätter mit Rosenblättern angereichert."

Jürgen Lühmann erzählte auch von Schnuffi, dem Hausschwein unter der Treppe. Gefüttert wurde es mit Küchenabfällen und Eicheln aus dem Bürgerpark. Am Wochenende kaufte die Mutter beim Fischhändler ein. Er fuhr mit seinem zweirädrigen Karren durch die Straßen und ließ laut sein "Granat, Granat" erschallen. Einmal in der Woche wurde man vom Pferdegetrappel auf dem Kopfsteinpflaster geweckt. Das laute, melodische Rufen des Händlers "Knoken un Plünnen, Oldisen" haben die Älteren noch heute im Ohr. Es ging um Knochen und Altkleider sowie Alteisen; aus Knochen wurde damals Seife hergestellt.

"Mit der Hygiene damals war das so eine Sache", so Lühmann schmunzelnd. Sonnabends wurde der Badeofen angeheizt, dann durften zuerst die Kinder ins Wasser. Und nachdem der Dreck abgeschöpft war, kamen die Eltern und Großeltern dran. Weiter erzählte er, dass durch einen Fehlabwurf auf Brinkhofs Wiese ein großer Trichter entstanden war. Als dieser einmal mit Wasser vollgelaufen sei, habe er mit seinen Freunden aus leeren Benzinkanistern und Holzlatten ein Floß gebaut, und sie seien damit über den Bombentrichter geschippert. In der Schule lernte man nach der "Roland-Fibel". Jürgen Lühmann hatte sein Exemplar von früher extra mitgebracht.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)