Christian Mahlstedt hat eine Baustelle vor der Haustür, die nicht so schnell wieder verschwinden wird. Etwa 25 Meter Luftlinie sind es bis zum Zaun, hinter dem bislang vor allem kleinere Baumaschinen ihre Arbeit verrichten. Mahlstedt wohnt an der Hasenbürener Landstraße – und zukünftig direkt neben einer Autobahn. Auf der linken Weserseite hat die heiße Phase für Bremens derzeit wohl größtes und teuerstes Bauprojekt begonnen: der Ringschluss der A 281. Herzstück ist der Wesertunnel zwischen Gröpelingen und Seehausen.
Seit vielen Jahren ist Christian Mahlstedt und seiner Frau Inga klar, dass sich ihre Umgebung verändern wird. Der Tunnelbau und die Begleitumstände waren und sind in Seehausen ein Dauerthema. Was bedeutet das Großprojekt für den Ortsteil mit seinem dörflichen Charakter? Jetzt, da es richtig losgeht, sieht Mahlstedt seine Befürchtungen bestätigt. Seit einigen Wochen staubt es. Wenn der Wind schlecht steht, weht feiner Sand in den Garten und – bei geöffneten Fenstern oder Türen – in das Haus der Mahlstedts. Er kommt von den Sandhaufen, die während der Arbeiten aufgeschichtet werden. Eine zwei Kilometer lange Baustraße entlang der Baggergutdeponie markiert den ungefähren Verlauf der späteren Autobahn hin zum linken Weserufer.

Der Staub setzt sich auf der Fensterbank ab.
Mahlstedt hat viele Fotos gemacht: Staub auf der Fensterbank, in den Ecken des Wohnzimmers, auf dem Grill im Garten, auf seinem Motorrad in der Garage. Letzteres sei durch den Sand zerkratzt worden. Kinder hätten nach dem Spielen mit roten und tränenden Augen im Garten gestanden, sagt der Familienvater. "Wenn der Wind falsch steht, peitscht uns der Sand ins Gesicht", berichtet Inga Mahlstedt. Hinzu komme der Lärm durch Baustellenfahrzeuge. Sie hat einen Brief verfasst, um sich "den Frust von der Seele zu schreiben". Gäste möge sie nicht mehr einladen, weil sie sich im Garten nicht mehr wohlfühle. "Was wir hier erleben, ist dramatisch", sagt ihr Mann.
Im Sommer 2008, damals lief das Planfeststellungsverfahren für den Bauabschnitt, hatte Christian Mahlstedt seine Einwände beim Bremer Bauressort vorgebracht. In dem Brief prognostizierte er große Belastungen, unter anderem durch Dreck und Lärm – all das sei jetzt eingetroffen. Die Mahlstedts fühlen sich ungerecht behandelt. Sie sehen die Projektverantwortlichen der Deges (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH) in der Pflicht, ihr Haus und ihre Familie besser zu schützen.
Deges sucht Lösungen
Eine solche Pflicht besteht, zumindest rechtlich gesehen, nicht. Das Bauvorhaben ist genehmigt, die einzelnen Schritte sind in langwierigen Genehmigungsverfahren abgesegnet. "Alles, was wir tun, ist freiwillig", sagt Deges-Sprecher Ulf Evert. Dennoch seien die Deges und das beauftragte Bauunternehmen Wayss & Freytag um eine Lösung bemüht. "Wir tun alles, was wir können", sagt Evert. Über Pfingsten habe man beispielsweise den Bausand bewässert, um keinen Staub entstehen zu lassen. Aktuell gebe es durch die Witterung ohnehin keine Staubbelastung. Auch mit abgedeckten Zäunen will die Deges dem Problem beikommen. Ein weiterer Ansatz ist eine weitere Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Baustraße, die laut Evert "in Richtung Schritttempo" gehen könnte. Über diese Ideen tausche man sich mit dem Ortsamt Seehausen aus.
Christian Mahlstedt ist das zu wenig. Er bemängelt, dass seine Sorgen nicht ausreichend Gehör fänden. Der Zaun, den die Deges aufgestellt habe, sei viel zu niedrig. "Der Staub fliegt da doch einfach drüber", sagt Mahlstedt. Die Bitte, seine Familie vorübergehend in einem Hotel unterzubringen, sei belächelt worden. Evert kann die Sorgen des Anwohners einerseits verstehen, mahnt aber auch Realismus an. "Bauen ist nicht leise und nicht immer staubfrei", sagt der Deges-Sprecher. Er verweist darauf, dass Mahlstedt eine Reinigung des Hauses angeboten worden sei. Der wiederum hält das für unzureichend, weil die angebotene Reinigung nur den Innenbereich umfasse. Die Sorge, dass der Staub gesundheitsgefährdende Stoffe enthalten könnte, weist Evert zurück. "Das sind reine Natursande", sagt er.
Wie geht es nun weiter? Christian Mahlstedt hatte vergangene Woche nach eigener Aussage eine Gutachterin zu Besuch, die mögliche Schäden am Haus und der Einrichtung untersuchen sollte. Auf das Ergebnis warte er noch. Die Deges erklärt, weiterhin mit Mahlstedt in Kontakt zu stehen und einen Ortsbesuch auszuwerten. Mahlstedt bestätigt, dass in der kommenden Woche ein weiteres Treffen geplant sei. Ob es zu weiteren Streitigkeiten, auch mit anderen Anwohnern kommen könnte, ist unklar. Laut Evert liegen der Deges aus der Nachbarschaft keine größeren Beschwerden vor. Mahlstedt wiederum berichtet, dass vor Kurzem eine Whatsapp-Ortsgruppe entstanden sei. "Annähernd hundert Leute sind in kürzester Zeit beigetreten", sagt Mahlstedt.