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Besuch auf der Baustelle Wie die Arbeiten für den Bremer Wesertunnel vorangehen

Jetzt aber wirklich: Das Milliardenprojekt Wesertunnel zwischen Gröpelingen und Seehausen soll 2030 fertig werden. Vom Tunnel selbst ist noch nichts zu sehen, aber allmählich beginnt die spezifische Bauphase.
22.01.2024, 05:00 Uhr
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Wie die Arbeiten für den Bremer Wesertunnel vorangehen
Von Felix Wendler

Zwischen all den Plänen, Grafiken und Skizzen ist es ein Datum, das hervorsticht: 17. August 2028. Dann, so die aktuelle Planung, soll der Rohbau des Wesertunnels zwischen Gröpelingen und Seehausen stehen. Falls der Plan am Ende nicht auf den Tag genau hinhaut, bei diesem Großprojekt, das seit Jahrzehnten geplant wird und sich immer weiter verzögert hat, wird wohl niemand böse sein. Aber in die Richtung soll es gehen, das auf jeden Fall. Ein bis zwei weitere Jahre werden danach voraussichtlich vergehen, bis der Rohbau seine Innenausstattung bekommen und der Tunnel einen Testbetrieb durchlaufen hat. Im Jahr 2030 könnte der Verkehr dann unter der Weser rollen.

Sechs Jahre früher, Mitte Januar 2024, schaffen Männer in hellgelben Schutzanzügen die Voraussetzungen dafür. An einem sonnigen Donnerstag durchsuchen sie auf der Nordseite des zukünftigen Wesertunnels, zwischen dem Stahlwerk und dem Zementkonzern Holcim, das leicht angefrorene Erdreich nach Überbleibseln aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Bremer Westen war Ziel zahlreicher Bombenangriffe, Funde gibt es bis heute immer wieder. Andreas Böddeker erinnert an die amerikanische Fliegerbombe, die bei Sondierungsarbeiten für die neue Brücke an der Carl-Benz-Straße entdeckt worden war.

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Böddeker ist bei der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (Deges) als Projektleiter für den Wesertunnel zuständig. Die Deges koordiniert den Ringschluss der Autobahn 281, dessen Herzstück die Flussquerung werden soll. Böddeker und seine Kollegen haben sich in mehreren Containern eine Baustellen-Zentrale eingerichtet, nur wenige Meter von der Stelle entfernt, an der der Tunnel später auf der Nordseite in die Weser führen wird. Ein paar Schritte weiter stehen die Container der Wayss & Freytag Ingenieurbau AG. Die Tunnelbauexperten aus Frankfurt sollen dafür sorgen, dass das Mammutprojekt in einigen Jahren erfolgreich abgeschlossen werden kann. Im Sommer vergangenen Jahres hat die Deges den Bauauftrag für den Wesertunnel an Wayss & Freytag vergeben, die wiederum für bestimmte Arbeiten Subunternehmer beauftragen.

In Summe reden wir sicherlich über eine Milliarde Euro.
Deges-Projektleiter Andreas Böddeker

Obwohl der Tunnel weiterhin nur in der Theorie existiert, könnte man sagen, dass es langsam ernst wird. Die Kampfmittelsondierung, bei Bauvorhaben ein Standardprozedere, gehört noch zu den zahlreichen vorbereitenden Arbeiten, die bereits seit mehreren Jahren laufen – der Spatenstich für den Bauabschnitt erfolgte 2019. Kompliziert und zeitaufwendig seien diese Arbeiten, erklären Böddeker und Jörn Kück, Abteilungsleiter in der Bremer Deges-Zweigstelle. Auf der Nordseite sind es neben der aufwendigen Kampfmittelsondierung vor allem die betrieblichen Belange der Stahlwerke und anderer Unternehmen, die berücksichtigt werden mussten und müssen. Die A 281 wird über das Betriebsgelände von Arcelor-Mittal in Richtung Weser führen. Um Autos vor fliegenden Kleinstteilen der Schlackekippe zu schützen, fahren sie dort teilweise unter einer Dachkonstruktion.

Ernst wird es deshalb, weil die Arbeiten am Herzstück des Projekts, dem Tunnel selbst, voraussichtlich in diesem Jahr beginnen. Böddeker nennt den August als Termin. Der Tunnel soll aus sechs Elementen bestehen, die an Land gefertigt werden. Zwei Jahre sind dafür vorgesehen. Später werden die Elemente in einem vorbereiteten Graben in der Weser kontrolliert abgesenkt und unter Wasser miteinander verbunden, zu diesem Zweck wird der Deich geöffnet. Einschwimm-Absenktunnel heißt diese Bauweise, die sich vom Bohrverfahren unterscheidet, das unter anderem beim Hamburger Elbtunnel zum Einsatz gekommen ist. Die Deges sieht zwei Vorteile: Zum einen sei das Absenkverfahren günstiger als ein Bohrtunnel. Zum anderen könne man die Bauzeit verkürzen, wenn die Tunnelelemente außerhalb des eigentlichen Baustellenbereichs gefertigt würden.

Auf der Südseite geht es erst in diesem Sommer so richtig los.
Deges-Abteilungsleiter Jörn Kück

Der ursprüngliche Plan, die Tunnelelemente in einem Baudock im Kap-Horn-Hafen anzufertigen, wurde laut Böddeker aus konstruktiven Gründen verworfen. Gebaut wird stattdessen in der Bremerhavener Lloyd Werft. "In Bremerhaven können zwei Tunnelelemente gleichzeitig hergestellt werden", sagt Kück. Das spart Zeit, aber kleiner wird die logistische Herausforderung durch die Fertigung in Bremerhaven nicht. 60 Kilometer müssen die fertigen Elemente einzeln mit Schleppern über den Wasserweg von Bremerhaven nach Bremen gebracht werden. Dabei passieren sie Schleusen, auch die Tide spielt eine Rolle. Zwischengeparkt werden die Tunnelelemente im Industriehafen – tideunabhängig hinter der Schleuse, erklärt Böddeker. Sobald die Absenkrinne für den Tunnel fertig ist, werden die Elemente dann an ihren Bestimmungsort gebracht und im Zwei-Wochen-Zyklus abgesenkt. So zumindest der Plan.

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Seit der Vergabe des Bauauftrags habe es keine Verzögerungen gegeben, sagt Böddeker. Die Deges-Verantwortlichen machen aber auch keinen Hehl daraus, dass Prognosen bei diesem Mammutprojekt mit Vorsicht zu genießen sind. Das gilt sowohl für den zeitlichen Verlauf als auch für die Kosten des Projekts. Wie entwickeln sich Materialpreise und Personalkosten? Kommt es zu Lieferschwierigkeiten? Welche Überraschungen lauern möglicherweise noch im Boden oder im Wasser? Bei den Bauarbeiten spielt auch das Wetter eine Rolle, während der Hochwassersaison gelten besondere Auflagen für Arbeiten an den Deichen und Spundwänden, Bäume dürfen nur zu bestimmten Zeiten gefällt werden. Kurzum: Mögliche Probleme lauern an vielen Stellen.

Die prognostizierten Kosten, an denen der Bau des Wesertunnels zwischenzeitlich gänzlich zu scheitern drohte, steigen jedenfalls weiter. "In Summe reden wir sicherlich über eine Milliarde Euro", sagt Böddeker. Zu erklären, warum alles länger dauert und teurer wird als ursprünglich geplant – auch das gehört zu den Aufgaben der Deges-Projektverantwortlichen. Im Oktober hat Kück dem Beirat Burglesum Rede und Antwort gestanden. Demnächst stehe ein Ortstermin in Seehausen an, wo viele Anwohner den Tunnelbau und die Begleitumstände bekanntermaßen kritisch sehen. Ob sich das legt? Eher unwahrscheinlich, wenn die Arbeiten bald sichtbarer werden. "Auf der Südseite geht es erst in diesem Sommer so richtig los", sagt Kück, der sich seit mehr als zwei Jahrzehnten mit dem Projekt beschäftigt. Reibungslos, das scheint sicher, wird auch die finale Etappe nicht ablaufen.

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