Vegesack. Die Reihe „Musik um 12“ in der Stadtkirche Vegesack ist lange zu einem festen Bestandteil der Kirchenmusik in Bremen-Nord geworden. Da merken Kenner auf, wenn ein Name in diesem Zusammenhang in dieser Region erstmals auftaucht. „Johannes Sommer präsentiert an der Orgel Musik aus verschiedenen Epochen“, lautet die Ankündigung. Und dies nicht nur zum Auftakt am Sonnabend, 1. Februar, sondern mehrfach bis in den April hinein. Denn, so verrät es Kantor Rainer Köhler, „für mich ist Johannes Sommer kein Unbekannter, wir hatten früher schon miteinander zu tun“. Johannes Sommer war nämlich in Bremen lange Jahre nebenberuflicher Organist – aus Leidenschaft. Auf Nachfrage offenbart sich die ungewöhnliche Vita, die hinter dem musikbegeisterten Menschen steckt.
30 Jahre lang lebte und arbeitete Johannes Sommer in Bremen – als Übersetzer und Lektor. „Orgel spielte ich nur nebenberuflich“, schildert er. Allerdings ein Nebenberuf, für den er schon früh die Grundlagen legte. Der 1961 in Graz geborene Sohn eines Pfarrers bekam sozusagen schon im elterlichen Haushalt die Leidenschaft fürs Orgelspiel in die Wiege gelegt. 1975 im Alter von 13 Jahren gab es für ihn beim damaligen Bezirkskantor des Dekanats Erlangen, Gerhard Rilling, den ersten Orgelunterricht.
Zwei Jahre später, 1977, legte Johannes Sommer seine D-Prüfung in Erlangen ab. Durch solch eine D-Prüfung soll festgestellt werden, ob dem Bewerber die Befähigung zur nebenamtlichen Ausübung des Dienstes als Organist zuerkannt werden kann. In der Kirchenmusik legen im Übrigen solche D-Prüfungen auch Interessenten für die Chor- und Kinderchorleitung ab.
Johannes Sommer bestand die Prüfung und war von August 1977 bis zum September 1982 Organist der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde St. Laurentius in Nürnberg-Großgründlach. Sommer wollte musikalisch noch mehr, er bildete sich weiter. So beispielsweise von 1981 bis 1982. Da nahm er Orgelunterricht bei Georg Schmidt-Arzberg am Institut für Kirchenmusik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg.
Im September 1982 folgte der nächste Schritt. Johannes Sommer absolvierte die Teilbereichsprüfung C als Organist für nebenberufliche Kirchenmusiker an der kirchenmusikalischen Fortbildungsstätte Schlüchtern der evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Dabei gilt: Wer die kirchenmusikalische C-Prüfung ablegen will, sollte Mitglied der Evangelischen Kirche in Deutschland oder der Kirchen sein, die der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in der Bundesrepublik angehören. Eine bestandene C-Prüfung berechtigt, nebenamtliche Kirchenmusikerstellen zu übernehmen.
Johannes Sommer bestand und ging in den darauf folgenden dreieinhalb Jahrzehnten neben dem Hauptberuf als Übersetzer und Lektor einer – wie er selbst sagt – regen Organistentätigkeit in Bremen nach. Darunter war ihm durchaus der eine oder andere Platz an der Orgel auch bei größeren Kirchenmusik-Konzerten sicher. Beispielsweise schon Anfang der 90-er Jahre in der Martin-Luther-Kirche in Findorff, als er den Orgelpart der Messe in D-Dur von Antonin Dvorák für Soli, Chor und Orgel spielte. Zwar konnte Johannes Sommer so seiner musikalischen Leidenschaft, dem Orgelspiel, nachgehen. Doch es blieb eine Nebentätigkeit.
Anfang 2019 fasste er dann den Entschluss: Er gab seinen sicheren Beruf auf, obwohl er nur ein paar Monate zuvor – im Juni 2018 – die Aufnahmeprüfung an der Hochschule für Musik, Theater und Medien in Hannover nicht bestanden hatte. 30 Jahre lang war er als Übersetzer und Lektor in einem Bremer Unternehmen angestellt. „Ich hatte dazu keine Lust mehr“, gesteht Johannes Sommer. Sozusagen ohne Netz und doppelten Boden absolvierte er eine weitere Aufnahmeprüfung – und bestand.
Im März 2019 nahm der alleinstehende Organist ein Kirchenmusikstudium an der Hochschule für Evangelische Kirchenmusik in Bayreuth auf, ließ seine Eigentumswohnung in Bremen hinter sich und verlegte in die Stadt im Bundesland Bayern auch seinen Lebensmittelpunkt, zugunsten vieler Dinge, von denen er schwärmt, beispielsweise Orgelunterricht bei Professor Torsten Laux (Orgelliteraturspiel) und Kirchenmusikdirektor Reiner Gaar (Liturgisches Orgelspiel).
Im Alter von 58 Jahren beendet Johannes Sommer nun bald das zweite Semester und schwärmt immer noch von seinem Studium, insbesondere erwähnt er dreitägigen Meisterkursus Orgel "Von Reger zu Ligeti – Schlüsselwerke der Moderne“ mit Professor Roman Summereder von Universität für Musik und darstellende Kunst aus Wien.
Und noch eines hat ihm sein Studium ermöglicht, seit September 2019 ist Johannes Sommer ebenso auf Reisen – unterwegs zu Orgelkonzerten in Nord- und Süddeutschland. Unter anderem eben auch in der Stadtkirche in Vegesack, Kirchheide. Hier präsentiert er am Sonnabend, 1. Februar, in der Reihe „Musik um 12“ an der Orgel Werke von Bach und weiteren Komponisten rund um das Lichtmess-Thema: „Mit Fried' und Freud' ich fahr dahin“.