Vegesack. Der Vegesacker Stadtgarten ist ein botanisches Kleinod und gerade während der Pandemie ein beliebtes Ausflugsziel. Bei frischem Wind an der Weserpromenade zu flanieren, erscheint vielen aktuell attraktiver als mit Maske durch die verwaiste Fußgängerzone zu laufen. So spazieren und radeln derzeit besonders viele Menschen durch den 65.976 Quadratmeter großen Park zwischen Utkiek und Schulkenstraße, darunter auch zahllose Gäste aus dem Umland.
Erhalt und Pflege des Areals am Weserufer stehen im Fokus des Stadtgartenvereins Vegesack und Umgebung. Aktuell werden daher Beet-Paten gesucht. „In enger Zusammenarbeit mit dem Umweltbetrieb Bremen richten wir Beet-Patenschaften im Rosarium ein“, erklärt der Vereinsvorsitzende Heiko Dornstedt. „Pflanzenfreunde erklären sich hierbei dazu bereit, in einem Beet oder in mehreren Beeten dafür zu sorgen, dass die Pracht der Rosen nicht durch Wildkräuter gestört wird.“
Anlass für die Suche nach Paten sind finanzielle Engpässe. „Das Geld für die Pflege des Stadtgartens ist seit Jahren gleich geblieben, aber Löhne und Gehälter steigen“, erklärt die stellvertretende Ortsamtsleiterin Maren Zilm. Paten jeden Alters, die sich gern im Grünen betätigen, seien daher willkommen, betont die 61-Jährige. Es sei auch möglich, nur einen Quadratmeter der etwa ein mal acht Quadratmeter großen Beete zu übernehmen.
Der Startschuss wird im Frühling fallen. Im Einklang mit den jeweiligen Corona-Auflagen sollen die Akteure vorab über die Tätigkeiten informiert werden. „Im Zentrum steht, dass die Wildkräuter aus den Rosenbeeten entfernt werden. Das soll vor allem Freude machen, andere Kriterien gibt es nicht“, so Zilm. Das Unkraut könne direkt auf dem Gelände ohne Aufwand entsorgt werden. Sollten sich auf Dauer keine Pflanzenfreunde finden, müssten die drei Rosenbeete womöglich aufgegeben werden.
Heiko Dornstedt erwähnt in den Zusammenhang den 90. Geburtstag des Stadtgartenvereins, der coronabedingt ohne Feier verstrichen ist. Gerne hätte er in der Strandlust mit Stadtgartenfreunden auf den Geburtstag angestoßen und das neue Stadtgartenbuch präsentiert, sagt Dornstedt und ergänzt: „Leider durfte diese Versammlung nicht stattfinden und sogar die Strandlust ist inzwischen Geschichte.“
Die Geschichte des Vegesacker Stadtgartens beginnt mit dem Arzt und Botaniker Wilhelm Albrecht Roth (1757 bis 1834), der Ende des 18. Jahrhunderts große Grundstücke nördlich und südlich der Weserstraße kaufte. Am Weserhang kultivierte er in der Folgezeit zahllose Pflanzenarten, darunter auch Exoten. Ursprünglich befanden sich auf dem Gelände Sand- und Heideflächen. Roths Grundbesitz reichte von der nun verwaisten Strandlust bis zum ehemaligen Bremer Vulkangelände auf einer Breite zwischen Weser und Gerhard-Rohlfs-Straße.
1200 Blumentöpfe habe Roth „mit botanischen Seltenheiten“ bepflanzt, heißt es in dem Buch „Stadtgarten in Vegesack – Ein Streifzug durch sieben Jahrzehnte“, das aus Anlass des 70. Park-Geburtstags im Jahr 2000 publiziert wurde. Der Botaniker habe seinerzeit sogar einen von Goethes initiierten Ruf, als Professor an der Universität Jena zu lehren, eine Absage erteilt, weil er seine Pflanzen nicht allein lassen wollte. Das galt auch für einen Ruf nach Erlangen im Jahr 1810.
Uferstreifen seit 1923 öffentlich
Nach dem Tod Wilhelm Albrecht Roths kauften wohlhabende Bürger Teile des weitläufigen Grundstücks und errichteten hier ihre Villen mit prachtvollen Gärten. Öffentlich zugänglich wurde der Uferstreifen erst auf Druck der Bevölkerung im Jahr 1923. Der Senat erwarb seinerzeit die ersten Grundstücke. Herzstück des künftigen Stadtparks war der an der Weser gelegene Garten des Kaufmanns und Senators Carl Wilhelm August Fritze.
Bereits im Jahr 1930 übernahm der eigens gegründete Stadtgartenverein Vegesack die Gestaltung und Pflege der Parkanlage. Der Verein wurde allerdings zehn Jahre nach seiner Gründung aufgelöst. Trotz seiner 200 Mitglieder. Der Grund: 1939 war Bremen-Nord entstanden, und das Bremer Gartenbauamt war nunmehr für die Grünanlage zuständig.
Im Jahr 1940 kappten die Nationalsozialisten am Weserufer etliche Bäume, legten Flak-Stellungen an und bauten Bunker. Während des Zweiten Weltkriegs wurde das Parkgelände komplett verwüstet, anschließend aber binnen zwei Jahren durch den neu gegründeten Stadtgartenverein für Vegesack und Umgebung wieder hergerichtet.
Ein massiver Einschnitt war im Jahr 1976 die Errichtung der Stahlspundwand. Der Sandstrand verschwand. Über Jahrzehnte zog sich im Anschluss das Vorhaben, eine Promenade zwischen Schulkenstraße und Strandlust anzulegen. Das letzte Stück Land erhielt die Stadt erst im Jahr 2000 als Schenkung der Familie Lürssen.
Um die Instandhaltung und Gestaltung der Parkanlage an der Weser kümmert sich heute der Umweltbetrieb Bremen mit Unterstützung des Stadtgartenvereins. Besondere Attraktionen sind bis heute die exotischen Pflanzen, die teils noch zu Lebzeiten des Botanikers Roth angepflanzt worden sind, darunter die Spezies Blutbuche, Götterbaum, Himalaya-Mahonie, Zaubernuss und Safrankrokus. Mithilfe von Ehrenamtlichen soll nun auch der Fortbestand der Rosenbeete gewährleistet werden.
Das Buch „Ein Park von Welt am Wasser - Der Stadtgarten in Vegesack: Ein Ort für alle“ ist anlässlich des 90. Park-Geburtstages erschienen. Es hat 96 Seiten, ist reich bebildert und kostet 15 Euro. Herausgeber ist der Stadtgartenverein Vegesack. Erhältlich ist es in der Buchhandlung Otto & Sohn, Breite Straße 21-22, sowie im Stadthaus, Gerhard-Rohlfs-Straße 62.