Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Arbeit- und Lernzentrum Nachhaltigkeit steht im Mittelpunkt

Das Arbeit- und Lernzentrum will aus dem Möbellager Nord das größte und beste Nachhaltigkeits-Kaufhaus Bremens machen. Die Schonung von Ressourcen und Kreativität rücken in den Mittelpunkt.
15.01.2021, 06:00 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Von Daniela Schilling

Vegesack. Das Arbeit- und Lernzentrum (ALZ) an der Hermann-Fortmann-Straße arbeitet seit geraumer Zeit an einem Imagewechsel. Das Möbellager Nord, das in der Vergangenheit vorwiegend von Menschen besucht wurde, die sparsam einkaufen müssen oder wollen, ist längst von einer anderen Kundengruppe entdeckt worden: Menschen, denen es beim Einkauf vor allem um Nachhaltigkeit geht.

Genau das soll das Möbellager sein: „Wir wollen das größte und beste Nachhaltigkeits-Kaufhaus Bremens werden“, erklärt Carmen Jorek. Die operative Geschäftsführerin des ALZ arbeitet beständig an der Neuausrichtung des Gebrauchtwaren-Kaufhauses. Das ALZ soll sich wandeln, verschiedene Werkstätten und ein Handelsgeschäft kombinieren, bei denen jeweils der Erhalt von Ressourcen und Kreativität im Zentrum steht. Davon zeugt auch der Zusatz, den das Möbellager seit Kurzem trägt: der Wiederverwert-Laden. Ein Name, der sich, so hofft Jorek, auf lange Sicht etablieren wird, denn er bringt das Motto „Weiterverwenden statt wegwerfen“ auf den Punkt.

Haushaltswaren, Porzellan und Bücher, Einrichtungsgegenstände, Spielzeug und Kleidung: All das findet sich im Möbellager Nord. Auf einer Verkaufsfläche von rund 2000 Quadratmeter werden Dinge zum Kauf angeboten, die andernorts aussortiert und für eben diesen Zweck gespendet wurden. Darunter hochwertige Produkte wie zum Beispiel Porzellan von Arzberg und Villeroy & Boch, aber auch vieles, das manch einer vielleicht aus seiner Jugend kennt. Die in den 90er- und 2000er-Jahren beliebten Leonardo-Gläser zum Beispiel, orangefarbene Kochutensilien oder Deko-Teller aus Griechenland. Daneben kleine Figuren aus Kristall und Porzellan, Glasvasen und Retro-Lampenschirme. Wer in den Auslagen des Möbellagers stöbert, fühlt sich an einigen Stellen in eine andere Zeit zurückversetzt. Gerade das macht den Charme aus. Besonders dann, wenn das Angebot als Basis für die Entstehung von Neuem betrachtet wird.

Dabei muss nicht alles in der Form genutzt werden, für die es ursprünglich mal gedacht war. So wirkt Omas Tafelgeschirr im Vergleich zu modernen Gedecken altmodisch, erwacht als Pflanzgefäß, Lampe, Vogelfutterstation oder in eine Etagere verwandelt jedoch zu neuem Leben. Nippes, also kleine Sammelfiguren und -gegenstände, die in manch einem Setzkasten verstaubten, sind für manche Kreative und Handwerker begehrte Deko-Objekte.

Der DIY-Bewegung (Kurzform für „Do it Yourself“ oder deutsch „Mach es selbst“), hat es das Möbellager Nord zu verdanken, dass sich das Publikum im Laufe der Jahre verjüngt hat und die Kunden inzwischen aus unterschiedlichen sozialen Schichten stammen. Das war einmal anders. Bis heute nennen es viele Nordbremer „Arbeitslosenzentrum“, was von dem Kürzel ALZ abgeleitet wird. Dabei steht die Abkürzung eigentlich für den Namen des Vereins, der als Dienstleister für Beschäftigung und Qualifizierung fungiert. Das Möbellager Nord nimmt darin nur einen Teilbereich ein. Darüber hinaus umfasst das ALZ die Upcyclingwerkstätten für Handwerk mit Tischlerei, Metallbau, Malerei, Gartenbau und das Kunstgewerbe mit Textilgestaltung und Floristik. Hinzu kommen der Quartierservice, der Nachbarschaftshilfe im Gartenbereich leistet, und das Bistro Mahlzeit. Ein Urban-Gardening-Projekt im Außenbereich steht ebenso unter dem Dach des ALZ wie die Kreativwerkstatt und das Frauenberatungs- und Qualifizierungsprojekt Dünenweg in der Grohner Düne. In allen Bereichen werden Beschäftigungsmöglichkeiten geboten, mit denen arbeitslosen Menschen ein Zugang zum Erwerbsleben ermöglicht werden soll.

Dies geschieht im ALZ auf vielfältige Weise. Die Mitarbeiter können sich den Bereich aussuchen, in dem sie arbeiten möchten. Während es die einen ins Ladengeschäft – also das Möbellager – zieht, fühlen sich andere eher in einer der Werkstätten oder in der Bistroküche wohl. Auch gärtnerische Tätigkeiten sind beliebt. Doch egal wo, überall kommt der Nachhaltigkeitsansatz zum Tragen. „Wir werfen wenig weg und wenn, dann wird es ordentlich recycelt“, so Carmen Jorek.

Wie das aussehen kann, erklärt sie an einem Beispiel. „Wir holen einen Schrank ab, beispielsweise aus einer Haushaltsauflösung. Dann wird geschaut, was wir mit ihm machen können. Vielleicht muss er nur etwas aufgearbeitet und ausgebessert werden und kann dann direkt in den Verkauf“, so Jorek. „Es kann aber auch sein, dass er in seiner ursprünglichen Form nicht mehr zu gebrauchen ist, also schauen wir, ob wir aus ihm per Upcycling ein Unikat machen können.“ Upcycling steht für die Wiederverwertung von Dingen, die eigentlich in den Abfall gewandert wären. Der Begriff stammt aus dem Englischen und setzt sich aus up (deutsch: nach oben) und Recycling (deutsch: Wiederverwertung) zusammen. Der Kern des Upcycling ist es, durch die Weiternutzung von bereits vorhandenem Material Ressourcen zu sparen. Seit einigen Jahren wird dieser Ansatz vor allem in DIY-Kreisen sowie bei nachhaltigkeitsorientierten Menschen immer beliebter. So auch im ALZ, wo in fast allen Bereichen wiederverwertet, auf- oder umgearbeitet wird.

Der besagte Schrank zum Beispiel kann in den Werkstätten ein völlig neues Gesicht bekommen. Aus schwerer Eiche rustikal wird mithilfe von Farbe, handwerklichem Geschick und ein paar Ideen ein modernes Aufbewahrungsmöbel im Vintage-Look. Dies funktioniert auch mit einer angeschlagenen Kindersitzgruppe, die die Mitarbeiter mit Pinsel und Lack verschönern. Wie so eine Metamorphose aussehen kann, wird Schritt für Schritt im ALZ-Blog „Nut und Falz“ erklärt. Dieser soll allen Selbermachern als Inspiration dienen und zum Nachmachen motivieren. Wer handwerklich nicht geschickt ist, kann die fertigen Teile im Möbellager Nord in einer eigenen Upcycling-Abteilung kaufen. Die Preise dieser Unikate unterscheiden sich von denen der sonstigen Waren im Laden. Kein Wunder, denn die Herstellung dauert Tage, zum Teil Wochen und steckt voller Handarbeit. Somit ist der Blog auch ein gutes Mittel, die generelle Preisgestaltung zu erklären und bei den Kunden ein Gefühl für den Wert der Dinge zu schaffen.

„Viele meinen, dass die Sachen im Möbellager günstiger sein sollten. Dabei wird jedoch nicht bedacht, dass sie, bevor sie hier in den Verkauf kommen, durch viele Hände gehen. Sie werden abgeholt, geprüft, registriert, gesäubert oder aufgearbeitet. Dann folgt das Etikettieren, Einsortieren und Präsentieren. Das ist alles Arbeit, die von Menschen ausgeführt wird und zu einem Einzelstück führt. „Arbeit, die Wertschätzung verdient hat“, findet Carmen Jorek. Bei den Upcycling-Projekten tritt dies im besonderen Maß zutage, denn dort geht es darum, aus einer bestehenden Sache etwas ganz Neues zu machen.

Dass die Mitarbeiter mit viel Motivation bei der Arbeit sind, zeigt sich bei einem Gang durch die Werkstätten. In der Metallwerkstatt stapeln sich Platten, Stangen und andere Objekte aus Blech, die anderswo als Schrott gelten würden. Im ALZ werden daraus Gartenstecker, Windspiele oder Wandhalter. In der Holzwerkstatt entstehen aus alten Möbeln und Holzresten Spielzeug, Einrichtungsgegenstände und Dekorationen, während ein paar Räume weiter eine Floristin gemeinsam mit einigen Mitarbeiterinnen Gestecke und Memoboards gestaltet. Dabei werden neben Pflanzen und Stoffen auch Gegenstände eingesetzt, die im Möbellager gekauft werden können. Kleine Nippes-Figuren beispielsweise oder Geschirr.

Die Ideen stammen nicht allein von den Fachanleitern, auch die Mitarbeiter steuern Vorschläge bei. „Wenn jemand eine Idee hat, die umsetzbar erscheint, dann lassen wir ihn machen“, so Jorek. Dass diese Unterstützung fruchtet, zeigt sich an einigen eindrucksvollen Teilen wie einem metallenen Fuchs oder einer Gruppe Schweine, die in den Beeten des Urban-Gardening-Projektes stehen. Die ehemaligen Schrottteile wurden von einem Mitarbeiter des ALZ zusammengebaut und geschweißt.

An anderen Stellen finden sich farbenfrohe Mosaikplatten aus zerbrochenem Porzellan, ein großes Windspiel aus Metall mit einem Schiff auf der Spitze wird gerade in der Werkstatt fertiggestellt, während das Team in der Kreativwerkstatt an Ideen für Hochzeitspräsente bastelt.

Bei einigen der Projekte kommen auch Elemente zum Einsatz, die von einem Schrank stammen könnten, der weder für den Verkauf noch für das direkte Upcycling infrage kam. In solchen Fällen werden die Dinge in ihre Einzelteile zerlegt, um sie weiterzuverwerten. Ein Schrank kann dadurch Teile für die Holzwerkstatt und für die Metallwerkstatt wie auch für den Direktverkauf im Möbellager liefern. Dadurch bleibt am Ende nur wenig übrig, was als Abfall zurück in den Wertstoffkreislauf gegeben wird. „Unser langfristiges Ziel ist es, diesen Anteil noch weiter zu reduzieren“, so Carmen Jorek.

Info

Zur Sache

Das Möbellager Nord und die Werkstätten des Arbeit- und Lernzentrums befinden sich in der Hermann-Fortmann-Straße 18. Die Zentrale ist unter der Telefonnummer 04 21 / 69 84 69 erreichbar. Weitere Informationen gibt es unter www.alz-bremen.de. Der ALZ-Blog ist unter www.nut-und-falz.de zu finden.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)