Die Wachstumskammern haben große Fenster, die einen Blick ins Innere erlauben: Auf mehreren filzigen Nährsubstraten wachsen Kresse, Radieschen und Salat – mit unterschiedlichem Erfolg: Denn einige Pflanzen haben beträchtliche Höhen erreicht und wuchern dicht an dicht, andere dagegen kümmern als Stängel mit winzigen Blättern vor sich hin.
„In diesem Projekt verknüpfen wir das Thema Raumfahrt mit Biologie“, sagt Marc Grohnert, der am Gymnasium Vegesack unterrichtet. Er betreut ein Vorhaben, in dem Schüler erforschen, wie Pflanzen auf dem Nachbarplaneten Mars wachsen könnten. Bei einer Laufzeit von fast einem Schuljahr wird das Projekt am Gymnasium Vegesack in jedem Jahr angeboten. Dabei arbeitet die Schule eng mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen, das auch an der Uni Bremen einen Standort hat und dort ein Schülerlabor unterhält. „Das DLR stellt uns zum Beispiel Arbeitsanleitungen und die Wachstumskammern zum Aufziehen der Pflanzen zur Verfügung“, sagt Marc Grohnert.
Pflanzen wachsen in Kammern
Zwei solcher Kammern stehen im Biologie-Sammlungsraum des Gymnasiums Vegesack neben menschlichen Skeletten und Plastikpräparaten von Organen. Schüler der achten Klasse sind seit zehn Monaten dabei, Pflanzen unter verschiedenen Bedingungen wachsen zu lassen, die streng kontrolliert werden. „Die Pflanzen in den Schalen werden unterschiedlichen Lichtfarben und Temperaturen ausgesetzt, und sie erhalten jeweils andere Konzentrationen von Nährstoffen“, sagt die 14 Jahre alte Anna. Ihre Mitschülerin Lynn, ebenfalls 14 Jahre alt, weiß, dass solche Umweltbedingungen auf dem Mars gar nicht existieren, denn auf diesem Planeten herrscht eine kalte Wüstenwelt, in der die Luft zu 95 Prozent aus Kohlendioxid besteht: „Die Pflanzen könnten dort deshalb nur in Gewächshäusern gedeihen. Doch die Erkenntnisse, die wir gewinnen, lassen sich auch auf Gebiete der Erde anwenden, in denen extreme Klimabedingungen herrschen“, sagt Lynn. „Pflanzen unter ungewöhnlichen Umweltbedingungen zu erforschen, kann auch wichtige Informationen über den Anbau auf unserem Planeten liefern“, sagt sie. Wie man den Einsatz von Ressourcen, wie Wasser oder Energie, möglichst gering halten und dennoch gute Erträge erreichen kann, stellt einen Anwendungsbezug dar, der weit über die Raumfahrt hinausgeht.
In dem Projekt befassen sich die Schüler fächerübergreifend mit Astronomie, Biologie und auch etwas Mathematik, um die Daten auswerten zu können. Anschauungsunterricht lieferte ihnen der Film „Der Marsianer“ aus dem Jahre 2015 , in dem es einem Nasa-Astronauten gelingt, auf dem Mars Wasser zu produzieren und Kartoffeln anzubauen.
Weil in dem Projekt mehrere Fächer ineinander greifen und das eigene Forschen im Mittelpunkt steht, sei der Lerneffekt groß, finden Anna und Lynn. „In einem Forscher-Tagebuch haben wir jeden Versuch und jede Messung genau protokolliert“, sagt Anna, „und zum Abschluss müssen wir selbst Schlussfolgerungen aus den Ergebnissen ziehen: Warum zum Beispiel sind einige Pflanzen hoch aufgewachsen und andere kümmerlich geblieben?“ Um solche Fragen zu beantworten, müssen sich die Schüler auch mit der Biologie der untersuchten Pflanzenarten befassen, „denn einige brauchen offenbar Wärme zum Gedeihen, andere sind hingegen an kühle Bedingungen angepasst“, hat Lynn aus dem Projekt erfahren.
Auch wenn sie die Experimente in dem Projekt spannend fand und viel gelernt habe, schwebt Lynn beruflich eher eine Verbindung von Wirtschaft mit Mathematik vor. Anna hingegen hat ihr Faible für die Erforschung des Lebendigen entdeckt und könnte sich vorstellen, später einmal Biologie-Lehrerin zu werden, in Kombination mit Spanisch oder Mathematik.