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Bremen-Liga Eine Win-win-Situation

Die SG Aumund-Vegesack hat mit Mücahit Özkul einen Topstürmer – und der kann seine Karriere mit Toren neu anschieben
14.10.2022, 16:33 Uhr
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Von Jens Pillnick

Die Unterzeichnung des Profivertrages beim türkischen Drittligisten Boluspor bezeichnet Mücahit Özkul als schönsten Moment seiner Fußball-Laufbahn. Es folgten weniger schöne. Die Karriere zündete nicht so richtig, nach einem Wechsel innerhalb der Türkei kehrte der heute 26-Jährige in seine Geburtsstadt Bremen zurück und spielte zuletzt drei Jahre für den Bremer SV. Mal mehr, mal weniger. Auch, weil ihn muskuläre Probleme und eine herausgesprungene Kniescheibe, die den Bänderapparat in Mitleidenschaft zogen, aus der Bahn warfen. Jetzt hat er beim Bremen-Ligisten SG Aumund-Vegesack einen Neuanfang gewagt. Die SAV soll sein Sprungbrett zurück in den höherklassigen Fußball sein.

Ein Neuanfang, der sich sehen lassen kann. Und das nicht nur für den sechsfachen Torschützen Mücahit Özkul, der Dynamik, Kraft und Durchsetzungsvermögen in die Waagschale wirft und auf sich aufmerksam macht. Auch die SAV profitiert, denn Özkul ist einer der sogenannten Unterschiedsspieler. Und hat einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass sich die SAV 2022/23 von der SAV 2021/22 so gravierend unterscheidet und sich vom Fast-Absteiger zum Überraschungszweiten gemausert hat.

Werles Überzeugungskraft

Eine Rolle, an die sich der eine oder andere Spieler, der über die rasche Entwicklung seines Teams staunende Neu-Trainer Markus Werle oder Fußball-Abteilungsleiter Bernd Siems erst einmal gewöhnen muss. Mücahit Özkul nicht: „Wir wollen oben bleiben und gegen Vatan drei Punkte holen.“ Tabellenführer Vatan, der Gegner der SAV an diesem Sonnabend um 14 Uhr im Vegesacker Stadion, sei auch an seiner Verpflichtung interessiert gewesen, wie auch Uphusen und Cuxhaven, sagt Özkul. Doch letztlich habe ihn Markus Werle überzeugt, dass ein Wechsel zur SAV eine Win-win-Situation sei. „Wir helfen uns gegenseitig“, bringt es Özkul, der wegen seiner Verletzungsprobleme nicht den Weg mit dem Bremer SV in die Regionalliga antreten durfte, auf den Punkt. 

Dass er mit der SAV einige Zeit ganz oben stand und jetzt immer noch punktgleich mit Tabellenführer Vatan ist, bezeichnet er trotzdem als „positive Überraschung“, schließlich waren die Ränge, sieben, acht, neun oder zehn als Saisonziel ausgegeben worden. Allerdings hätte er beim Trainingslager in Rotenburg und bei der gewonnenen Sportwoche in Ritterhude gemerkt, dass man sich gefunden habe und wie eine Familie sei. „Ich habe eine positive Aura gespürt“, sagt Özkul. Und so sei der „Unfall“ gegen Werder III (2:4) etwas gewesen, „was uns nicht umschmeißt.“    

Umschmeißen lässt sich auch Mücahit Özkul nicht. Er glaubt an seine zweite Chance. Damals, als er den Profivertrag unterschrieben hatte, wähnte er sich am Ziel: „Ich dachte, ich hab‘s geschafft.“ Nun muss der 26-Jährige, der als A-Junior in die Türkei geflogen war und sich bei einem Probetraining bei Bluspor für die U21 empfohlen hatte, sich wieder herankämpfen. Denn der Weg in den bezahlten Fußball ist weiterhin sein Antrieb, und der Stürmer will sich mit Toren und starken Leistungen dafür empfehlen. „Ich will wieder angreifen. Hoffentlich ohne Probleme“, sagt das knapp 1,90 Meter große Kraftpacket, das bei seiner Familie in Marßel wohnt und den Weg zum Training oft mit dem Fahrrad zurücklegt. Auch das ist ein kleiner Baustein auf dem Weg zu einer physischen Stärkung des Mittzwanzigers, der in Teilzeit arbeitet, um sich ganz auf den Fußball konzentrieren zu können.

Defensivarbeit verbessern

Zunehmend längere oder effektivere Wege muss er auch auf dem Spielfeld zurücklegen, denn neben den außergewöhnlichen Qualitäten in der Offensive hat Markus Werle etwas festgestellt, woran er feilen will: die Defensivarbeit. „Da arbeiten wir gemeinsam dran“, sagt Werle und bezeichnet Mücahit Özkul als einen der besten Stürmer in der Liga: „Ich bin froh, dass ich ihn habe. Er kann ein Spiel entscheiden.“ 

Einige hat er in den ersten Wochen bei der SAV auch schon entschieden. So die Lotto-Pokal-Partie gegen den Klassengefährten TuS Komet Arsten, in der er beim 2:1 beide Treffer erzielte. Oder im Ligaspiel in der Neustadt, wo er mit dem Treffer zum 3:1-Endstand den Deckel draufmachte. Oder im Topspiel gegen den FC Oberneuland, in dem er per Doppelpack von 2:1 auf 4:1 erhöhte.

Jüngst beim OSC Bremerhaven gelang ihm zwar per Elfmetertor die Führung, doch am Ende hieß es 1:1. Das 2:1 hatte er in der Schlussphase auf dem Fuß, machte es aber nicht. „Das wäre ein traumhafter Abschluss gewesen“, blickt Mücahit Özkul zurück und erzählt, dass er sich diese Szene unzählige Male angesehen hätte und später nicht schlafen konnte: „Ich wollte den Ball links reinschieben, aber der Torwart hat ihn mit der Hacke erwischt.“ Es wäre ein Treffer gewesen, der der SAV die Tabellenführung gesichert hätte.

Nun will Mücahit Özkul an diesem Sonnabend dazu beitragen, die Tabellenführung zurückzuholen. Vielleicht ist er dann ja wieder derjenige, der ein Spiel für die SAV entscheidet und für sich persönlich einen kleinen Schritt in Richtung des bezahlten Fußballs macht.    

Zur Sache

Auszeit nach Karriereknick

Die Fußball-Laufbahn von Mücahit Özkul, der drei Brüder hat – von denen einer bei Tura und einer beim SV Grohn spielt –, klingt zu Beginn fast wie ein Märchen. Mit Ausnahme eines halbjährigen Wechsel in der B-Jugend zum VSK Osterholz-Scharmbeck durchlief er alle Altersklassen bei der SG Marßel. Dann stieg er in ein Flugzeug, absolvierte bei Boluspor ein Probetraining und wurde genommen. Zweieinhalb Jahre gehörte er zur U21, dann erhielt er einen Profivertrag und wurde in die erste Mannschaft hochgezogen. Da Özkul dort wenig zum Zug kam, wechselte er zu Tekirda?spor, spielte öfter, erzielte ein paar Tore und stieg ab. Es folgte die Vertragsauflösung, die Rückkehr nach Bremen, der Karriereknick. Ein Jahr lang war Özkul vereinslos und wartete auf Angebote aus der Türkei. Das Angebot des Bremer SV lehnte er zunächst ab, griff dann aber doch zu. „Der Start dort war nicht schlecht, dann folgte eine Pechsträhne“, sagt Özkul und bedauert das Ende des dreijährigen Kapitels: „Leider.“ Jetzt darf man darauf gespannt sein, wie das Kapitel SAV weitergeht.

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