Christian Flathmann hält kurz die Luft an, als er sieht, wie ein Radler zwischen zwei Bussen durchwitscht. Die begegnen sich an der Sagerstraße, Ecke Breite Straße. Hier soll später einmal die geplante Premium-Route für Radfahrer verlaufen. Die Streckenführung kritisieren viele Nordbremer Radler, weiß Flathmann, weil sie zu gefährlich sei. Doch noch ist offen, wann der Express-Weg überhaupt gebaut wird. Worüber sich Radler nördlich der Lesum derzeit besonders ärgern...
Bereits 2016 hatte der damalige Verkehrssenator Joachim Lohse im Interview mit unserer Zeitung zugesagt, dass eine Premium-Rad-Route von Bremen bis nach Bremen-Nord kommen wird. Doch bisher haben Radfahrer entweder nur die Möglichkeit, eine relativ unattraktive Strecke durch den Bremer Westen zu nehmen. Oder durch das Blockland einen weiten Umweg zu wählen, um ins Zentrum zu strampeln.
Warten auf die Premium-Route
Der 20-Millionen-Euro teure Ausbau des 43 Kilometer langen Fahrrad-Express-Weges lässt auf sich warten. Er hat zwar 2020 begonnen, doch im Bremer Osten. Christian Flathmann und weitere Mitglieder des ADFC gehen davon aus, dass die Premium-Route erst zum Ende des Jahrzehnts realisiert wird. Inzwischen wird unter Fahrradfahrern deshalb über die Frage diskutiert, was wichtiger ist, die Premium-Route oder der Ausbau des regulären Radwege-Netzes.
Wenn er Bremen-Nord als Fahrradstadt eine Schulnote geben müsste, würde der ADFC-Stadtteilsprecher Bremen-Nord, Jürgen Bösche, höchstens ein Mangelhaft gewähren. „Die Verkehrssituation für Radfahrer in Bremen-Nord ist teilweise katastrophal.“ Der 71-Jährige aus Lemwerder setzt sich seit Jahren dafür ein, den Bremer Norden „fahrradtauglicher“ zu machen. „Die Sicherheit steht dabei im Vordergrund.“ Der Arbeitskreis will deshalb in Kürze zusammen mit Bürgern eine Mängelliste aller Radwege im Stadtbezirk erstellen und diese Listen in den jeweiligen Beiräten abgeben.
Halber Meter Platz für Vegesacks Radler
Es gibt viel, das Christian Flathmann vom ADFC zu kritisieren hat, wenn es um Radwege in Bremen-Nord geht. Die schlimmste Gefährdung sieht der 66-Jährige im Radweg an der Lindenstraße, wo für Radfahrer nur ein halber Meter Platz bleibe und sie mitunter auf die Fahrbahn ausweichen müssen. „Neulich habe ich einen Vater gesehen, der mit seinem Lastenrad auf die Straße gefahren ist – und seine Kinder saßen drin.“ Schuld am Platzmangel sind die alten Bäume. Flathmann: „Die stehen mitten auf dem Radweg, das ist eine schöne, alte Allee, aber die Lindenstraße ist auch eine Hauptverkehrsstraße mit Lkw-Verkehr und viel Pkw-Verkehr.“
Burglesum: Lebensgefährliche Situation
Ein Knackpunkt ist für ADFC-Mitglied Manfred Severit aus St. Magnus der Auslaufstreifen des Fahrradwegs von der Brücke an der Richthofenstraße. „Dieser wird von Autofahrern gern übersehen und als Straße mitbenutzt. In diesem Abschnitt kommen die Radfahrer mit hoher Geschwindigkeit von der Brücke herunter.“ Der Weg für die Radler endet schließlich im Nirwana beziehungsweise vor einem Baum: Auf der Vegesacker Heerstraße vor der Esso-Tankstelle besteht zwar die Möglichkeit, links vorbeizufahren. Dies ist laut Severit aber „lebensgefährlich“. Zumal, wenn ein LKW bei Gegenverkehr sehr dicht am Rand fahren muss. Der 68-Jährige weist auch darauf hin, dass an der Richthofenstraße Schule und mehrere Kindergärten liegen: „Um Kindern und auch Eltern die Möglichkeit zu geben, auf das Rad umzusteigen, wäre hier eine Fahrradstraße wünschenswert."
Blumenthal: Fünf Meter Radweg fehlen
Der frühere Stahlwerke-Mitarbeiter Hans Steffens legt an manchen Tagen bis zu 100 Kilometer auf dem Sattel seines E-Bikes zurück. Er kennt alle Strecken in Bremen-Nord. Abenteuerlich sei es auf der Straße Am Steending, von der Aue bis zur Wölpscher Straße. „Hier fehlen fünf Meter Radweg, obwohl da viele Autos und Schulkinder fahren.“ Schon vor Jahren habe der ADFC den Missstand publik gemacht – bisher ohne Erfolg. „Der Eigentümer weigert sich, das Land zu verkaufen, um den Fahrradweg weiterzuführen. Platz ist da.“
Zudem gebe es in Blumenthal Fahrradwege, deren Oberfläche so schlecht ist, dass sie leicht zu Stürzen führe, so der 70-Jährige weiter. „Im Heinrich-Steffens-Weg ist der Fahrbahnbelag unter aller Kanone.“ Ebenso am Bürgermeister-Dehnkamp-Weg, wo Baumwurzeln den Fahrbahnbelag hoch gedrückt hätten. Besonders prekär: „Im Herbst, wenn das Laub fällt, sieht man das nicht.“
Schlechte Testergebnisse des ADFC
Nicht gut abgeschnitten hat der Bremer Norden auch beim ADFC-Fahrradklima-Test 2020, einer der größten Befragungen von Radfahrern weltweit. Nach Auskunft der Bremer ADFC-Sprecherin Frauke Maack äußerten sich Nordbremer Radfahrer eher unzufrieden. Ein Beispiel: „Wie immer ist der Bremer-Norden (Farge, Blumenthal, Vegesack, Lesum) völlig von der Stadt Bremen abgekapselt. Alte, schlechte, viel zu enge, bebaute oder stark bewachsene Radwege entsprechen absolut nicht mehr dem heutigen Anspruch an Radmobilität. Bremen-Nord ist aus radfahrerischer Sicht ein Gräuel und macht nur noch traurig. Oder zeigt, wie gleichgültig die Politik in den Stadtteilen ist.“
Ein Lesumer schrieb: „In Bremen-Nord wird die Ausgestaltung des Fahrradverkehrs regelrecht eingespart.“ Ebenfalls aus Bremen-Nord stammt die Aussage: "Bei uns sind die Radwege teilweise katastrophal, wenn überhaupt welche da sind."