„Es war mal mein Traum, von der eigenen Musik leben zu können, heute muss ich froh sein, dass ich dies nicht tue.“ So wie Dennis Bokelmann, Schlagzeuger der aus Schwanewede stammenden Bands „WirFürWen“ und „Kerle Fornia“, ergeht es derzeit dutzenden weiteren Musikschaffenden in der Region. Seit vergangenem März befindet sich ein Großteil der verbliebenen Lokalszene mehr oder minder durchgehend im Lockdown. Für manche eine kreative Herausforderung, für manche eine willkommene Gelegenheit zum reflektieren, für alle eine Geduldsprobe.
Die meisten Proberäume sind zwar seit dem Herbst verwaist, ihre Nutzer suchen indes oftmals alternative Wege, ihrer musikalischen Leidenschaft dennoch zu frönen. „Wir nutzen den Lockdown nicht, wir reagieren auf ihn und proben mittlerweile live über die Internet-Plattform ‚Jamkazam‘“, beschreibt beispielsweise Matzek Rübenschneider die derzeitige Arbeitsweise seiner gleichnamigen Punkband. „Marco und ich arbeiten ständig an neuen Songs und schicken uns neue Ideen per Mail zu – auf diese Weise ist auch unser ‚Corona-Song‘ entstanden“, beschreibt „Daalschlag“-Frontmann Claus Wiechert das Vorgehen in der aktuellen Situation.
Auch das mittlerweile zum Quartett angewachsene Elektroexperimentalprojekt „Dare“, das im vergangenen Jahr unter anderem den Traditionswettbewerb „Live in Bremen“ hätte bestreiten sollen, nutzt derzeit überwiegend digitale Wege für den musikalischen Ideenaustausch: „Wir haben den Vorteil, dass wir auch vor Corona schon technisch gut aufgestellt waren und nicht die klassische Bandbesetzung haben“, befindet Daniel Bomsdorf.
Zurück in den erlernten Beruf
Berufmusiker Matthias Monka empfand das vergangene Jahr als „kreative Herausforderung“ und veröffentlichte sogar zwei unter Minimalbedingungen produzierte neue Alben: „Trotzdem musste ich mir dann spätestens ab Herbst überlegen, wie es weitergeht und ich beschloss, in Teilzeit in meinen erlernten Beruf zurückzugehen.“ Die hiesigen Deutschrock-Veteranen von „Crossfire“ nutzen den Lockdown als Anlass zu Reflexion und Bestandsaufnahme und bereiteten uns auf das 40-jährige Bandjubiläum vor, das in diesem Sommer gefeiert werden soll.
„Ich habe erst kürzlich mein ‚Live-Setup‘ einer gründlichen Überarbeitung unterzogen. Als Keyboarder muss man sich für so etwas ja im Regelfall durch mehrere tausend Soundbanken hören, deshalb kommt sowas im ‚normalen‘ Alltagsbetrieb oft zu kurz“, erläutert Johannes „Johnson“ Waehneldt, der unter anderem für „Caliber 38 reloaded“ und das „Urban Funk Project“ in die Tasten greift.
Auf gewisse Art zählt Waehneldt zu den Berufsmusikern. Er verdient seine Brötchen jedoch weniger auf der Bühne als in seinen Tonstudios, von denen aus er namhafte Hersteller von Keyboards und Softwareinstrumenten mit „spielfertigen“ Instrumentalsamplesounds beliefert. „Seit vergangenem März arbeitet mein Team jedoch komplett im Homeoffice, lediglich Aufnahmen finden derzeit noch im Studio statt – mit zwei Personen in getrennten Räumen“, erklärt der Sounddesigner.
Doch nicht überall wird der Lockdown beflügelnd oder als Chance wahrgenommen. Dazu kommen durch Auftrittsausfälle oftmals finanzielle Engpässe, die sich negativ auf die Kreativität auswirken: „Die zunehmende Perspektivlosigkeit tut der Motivation nicht gut. Hilfszahlungen sind mit praxisfernen Auflagen kaum tröstlich, aber Geld macht den emotionalen Verlust von Konzerten eh nicht wett“, konstatiert Piet Gorecki. Pianistin und Entertainerin Ella Winkelmann berichtet trotz neu erarbeiteter Bühnenprogramme und viel Zeit an ihrem Instrument sogar von „Abrutschen in depressive Gedanken durch kontaktarme Gefühlswelt – Ich hoffe auf die Zeit nach Ostern.“
Der Rekumer Tjard Cassens, der an verschiedenen Instrumenten in insgesamt acht verschiedenen Formationen von der Rock-Coverband über das Jazzduo bis zum Posaunenchor agiert, benennt die Schattenseiten des „Homerecordings“: „Ich arbeite nur am eigenen Songmaterial, leider nicht mit anderen Musikern gemeinsam. In der Gruppe mache ich lieber Musik als alleine, von daher spiele ich zur Zeit deutlich seltener als sonst.“ Andere Projekte, wie das erst 2019 vorstellig gewordene Quartett des Songwriters Stefan Pelikan, liegen derzeit sogar komplett auf Eis.
Das viel diskutierte Thema „Streaming“ scheint bei einem überwiegenden Teil der Musikschaffenden im Brener Norden sowie im Umland keine Rolle zu spielen: „So etwas machen wir aus Prinzip nicht. Die ‚Rustlers‘ waren immer eine Liveband, und wir werden erst wieder spielen, wenn dies ohne Maske, Abstände und Maßregelungen möglich ist“, erklärt Volker Siedenburg, der wahrscheinlich dienstälteste Rock‘nRoller des Bremer Nordens.