Der Aderlass der beiden großen christlichen Gemeinden dauert an. So hat die Bremische Evangelische Kirche (BEK) seit Anfang 2016 bis heute rund 15.630 Mitglieder (9,2 Prozent) verloren. Ein ebenso starker Verlust bei den Konfirmanden ist allerdings ausgeblieben. Dafür gibt es offensichtlich Gründe: Einerseits werden auch Kinder eingesegnet, deren Eltern nicht der Kirche angehören. Andererseits übten Freizeitveranstaltungen wie Zeltlager und Abschlussfahrten einen besonderen Reiz aus, sagt Pastor Jan Lammert von der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Alt-Aumund.
Die Bremische Evangelische Kirche zählte am 1. Januar 2022 genau 170.277 Mitglieder. Rund ein Fünftel von ihnen gehörte den nordbremischen Gemeinden an. Vom 1. Januar 2016 bis zum 1. Januar 2021 erklärten jährlich zwischen 2883 (2018) und 2163 (2021) Gläubige ihren Austritt.
Weniger Mitglieder – weniger Konfirmanden
Eine direkte Verbindung zwischen Kirchenaustritten und einem Rückgang der Anmeldungen zur Konfirmation lässt sich nach Auskunft des Kirchenamtes für Öffentlichkeitsdienst nicht valide belegen. Tatsache bleibt aber, dass auch die Zahl der Konfirmierten seit 2016 regelmäßig abgenommen hat: von 1193 auf 1191 (2017), auf 1052 (2018) und 1043 im Jahre 2019. In den Coronajahren 2020 und 2021 waren es noch 791 beziehungsweise 950. Doch die letztgenannten Zahlen sind nach Mitteilung der BEK-Pressestelle wegen der Pandemie nicht aussagekräftig.
Die Teilnahme am Konfirmandenunterricht sei inzwischen ebenso wenig selbstverständlich wie die Zugehörigkeit zur Kirche, sagt Dirk von Jutrczenka von der Leitung des Forums Kirche und der Fachstelle für Religionspädagogik der BEK. Trotzdem komme es sehr oft vor, dass Kinder am Unterricht teilnähmen und sich auch konfirmieren ließen, deren Eltern noch nicht oder nicht mehr der Kirche angehörten. Darüber hinaus richte sich das Angebot der Gemeinden zur Konfirmation auch an nicht getaufte Jugendliche. Insgesamt aber müsse im Gegensatz zu früher immer wieder deutlich gemacht werden, welche Aufgaben die Kirche wahrnehme und welchen Sinn und Nutzen das habe.
Über den Sinn des Lebens
Seit Jahrzehnten, so Dirk von Jutrczenka, sei der Konfirmandenunterricht in den meisten Gemeinden nicht mehr Auswendiglernen von Gesangbuchliedern oder Bibeltexten. Vielmehr biete er eine Möglichkeit, mit anderen Jugendlichen bei Freizeiten und anderen Aktivitäten über den Sinn des Lebens, über Gerechtigkeit, Frieden, Liebe, Freundschaft, Spiritualität, Schöpfung und Umwelt, Tod und Sterben nachzudenken. Natürlich, sagt von Jutrczenka, gehe es auch um Gottesbilder, um die Bibel, Jesus, die Taufe, das Abendmahl und den Gottesdienst. Es werde aber auch gespielt, musiziert, gewerkelt und erlebnisorientiert gemeinsam gearbeitet.
Nach den Worten des Bremer Pastors ist die Teilnehmerzahl deshalb trotz sinkender Tendenz immer noch auf einem hohen Niveau. Und als förderlich für überzeugende Konfirmandenarbeit hätten sich zum Beispiel Camps mit größeren Gruppen, jugendliche Teamer, an der Lebenswelt orientierte Themen und die Einbeziehung in Entscheidungen, die alle betreffen, erwiesen. Dirk von Jutrzenka: „Die Jugendlichen merken dann, dass es ihnen etwas bringt.“
Unterricht auf dem Friedhof
Präsenzunterricht, alle 14 Tage jeweils anderthalb Stunden, Unterricht auch auf dem Friedhof, in der Kirche oder im Grünen sowie kleine Projekte wie die Pflege eines Ackers oder die Übernachtung in einem Gotteshaus bestimmen nach Auskunft von Pastor Jan Lammert die gut einjährige gemeinsame Konfirmandenzeit der Gemeinden Alt-Aumund und Vegesack. Großer Beliebtheit erfreue sich zudem das Konfuscamp (Zeltlager in Grömitz), das zusammen mit der Regionalstelle Bremen-Nord für die Konfirmandenarbeit organisiert wird.
Die Gruppenstärke im Unterricht, so Lammert, liege zwischen 18 und 26 Teilnehmern, wobei es mal stärkere und dann wieder schwächere Jahrgänge gebe. Der Aumunder Pastor: „Zurzeit kann ich rückläufige Teilnehmerzahlen nicht feststellen. In diesem Monat wurden 26 Mädchen und Jungen konfirmiert und damit ebenso viele wie 2017.“
Katholische Gemeinden stärker betroffen
Einen prozentual noch höheren Mitgliederverlust als die Bremische Evangelische Kirche haben in den Jahren 2016 bis 2020 die katholischen Gemeindeverbände in Bremen, Bremen-Nord (Katholische Pfarrgemeinde Heilige Familie) und Bremerhaven verzeichnet, wie Sprecher Christof Haverkamp auf Anfrage mitteilt. Danach lebten im kleinsten Bundesland 2020 insgesamt 64.874 Katholiken, während es 2016 noch 76.762 waren, ein Verlust von gut 15 Prozent.
Die Zahlen der Erstkommunion gingen in diesem Zeitraum von 410 auf 227 zurück. Allerdings sei die Zählung im November 2020 während der Corona-Pandemie vorgenommen worden und deshalb nur bedingt aussagekräftig, sagt Haverkamp. Der Heiligen Familie mit Zentrum am Grohner Markt kehrten von 2017 bis 2021 insgesamt 166 Mitglieder den Rücken. Im selben Zeitraum wurden 93 Teilnehmer weniger an der Erstkommunion gemeldet.
Als wichtigen Grund für die Austritte bezeichnet Christof Haverkamp die kirchenpolitische Entwicklung in der Katholischen Kirche, die aber von Bremen aus nicht oder nur begrenzt zu beeinflussen sei. Wenn beispielsweise in den Medien kritisch über das Verhalten des Kölner Kardinals Woelki berichtet werde, wirke sich das trotz der engagierten ehren- und hauptamtlichen Arbeit in Bremen auch negativ in den hiesigen Gemeinden aus. Haverkamp: „Jeder einzelne Kirchenaustritt ist schmerzhaft und zu viel.“