Vegesack. Heruntergelassene Rollläden, geschlossene Türen, dunkle Verkaufsräume: Nachdem der Senat einschneidende Corona-Notmaßnahmen für das Land Bremen beschlossen hat, sind die Einzelhandelsgeschäfte seit Mittwoch größtenteils geschlossen – auch in der Vegesacker Fußgängerzone. An vielen Ladentüren hängen Zettel, auf denen die Telefonnummern und E-Mail-Adressen der Geschäftsleute stehen und Wünsche, die Kunden mögen gesund bleiben. Einige Ladeninhaber machen ihren Kunden und sich selbst Mut: „Gemeinsam schaffen wir es, die Krise zu überwinden“, steht da zum Beispiel.
Auch Werner Pohlmann, Geschäftsführer von Leffers in Vegesack und Vorsitzender des Vegesack Marketing, versucht, trotz der Ausnahmesituation seinen Optimismus zu bewahren – auch wenn ihm das nicht leichtfällt. „Ich sitze hier ganz alleine im Geschäft, gucke aus dem Fenster in die Fußgängerzone und denke, das kann alles nicht wahr sein“, sagt der 60-Jährige. Gerade war der Laden für die neue Saison mit viel Aufwand neu dekoriert worden, die neue Saison sollte jetzt richtig losgehen. „Wir haben tolle Schaufenster, tolle Mode – und müssen schließen.“
Kurzarbeit beantragt
Zweifel an der Notwendigkeit der Maßnahme hat Pohlmann nicht. Die Ausbreitung des Coronavirus zu begrenzen habe oberste Priorität, betont er, schließlich hängt davon auch die Gesundheit seiner Mitarbeiter und Kunden ab. „Das ist eine Situation, die wir alle miteinander noch nicht hatten und von der wir uns nicht vorstellen konnten, dass das passiert. Aber wir müssen das jetzt annehmen und uns der Realität stellen.“
Für seine 75 Mitarbeiter hat der Geschäftsführer Kurzarbeit beantragt. Bevor sie nach Hause gegangen sind, hat er sie gebeten, sich so zu verhalten, dass sie in einigen Wochen alle gesund wieder zur Arbeit kommen können. Seither führt er eine Telefonkonferenz nach der nächsten, spricht mit Kollegen von Leffers in Oldenburg, mit Lieferanten und Geschäftspartnern. Sein oberstes Ziel ist es aktuell, die laufenden Kosten möglichst zu reduzieren. „Wir haben die Werbung eingestellt und sind ganz eng mit den Lieferanten im Gespräch.“
Pohlmann schildert eines der Probleme, das zahlreiche Einzelhändler betrifft: „Wir haben die Ware vor einem halben Jahr eingekauft. Die liegt jetzt bei den Lieferanten und die schicken sie raus und möchten sie natürlich auch bezahlt haben.“ Er versuche nun, wenigstens die Lieferung sogenannter Basic-Artikel zu stoppen und Valuten zu vereinbaren.
Auch wenn die Situation angespannt ist – durch Gespräche mit anderen Vegesacker Einzelhändlern weiß Pohlmann, dass die Stimmung nicht völlig am Boden ist. „Wir machen uns gegenseitig Mut, schließlich müssen wir alle durch die Zeit durch. Das schaffen wir gemeinsam und danach geht es Schritt für Schritt wieder bergauf.“
Dem Vorsitzenden des Vegesack Marketings ist aber auch bewusst, dass es kleinere Einzelhändler möglicherweise noch schwerer haben. „Ob und wie lange die Händler eine Schließung verkraften können, hängt natürlich individuell davon ab, wie sie finanziell aufgestellt sind.“ Positiv sei, so Pohlmann, dass die Politik den dringenden Handlungsbedarf erkannt habe und dass schnell und unbürokratisch geholfen werde.
So sieht auch Bernhard Wies, Pressesprecher des Wirtschafts- und Strukturrats (Wir) Bremen-Nord, die Situation. „Viele kleinere Einzelhändler und auch Gastronomen haben keine Rücklagen und damit gerechnet, dass jetzt das Geschäft anzieht. Sie trifft es natürlich besonders hart.“ Wies verweist darauf, dass die diversen Berufsorganisationen wie die Handelskammer und der Dehoga den Betroffenen Informationen über spezielle Hilfsangebote in der Corona-Krise bieten. Wichtig sei, so Wies, dass die Ansprechpartner in den jeweiligen Behörden erreichbar seien. „Es muss alles dafür getan werden, dass die Betriebe möglichst schnell an die Hilfsangebote kommen.“
Der Wirtschafts- und Strukturrat rate betroffenen Händlern und Gastronomen, sofort mit der Planung der nächsten Schritte, die sie jetzt ergreifen müssen, zu beginnen und sich mit Fachleuten abzustimmen. „Sie sollten wenn möglich auch Kontakt zu ihrem Anwalt und Steuerberater aufnehmen“, sagt Wies.
Obwohl alle Städte und Kommunen bundesweit gleichermaßen betroffen sind, wird sich die Lage in Stadtteilen, die strukturell ohnehin nicht gut aufgestellt sind, möglicherweise noch stärker auswirken, vermutet Jan König, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Nordwest. Zur Situation in Vegesack sagt er: „Mittelzentren stehen immer noch etwas besser da, als Grundzentren. Vegesack kommt in der Versorgung des Umlandes eine wichtige Bedeutung zu.“
Eine Prognose abzugeben, wie viele Händler die Ausnahmesituation überleben werden, sei schwierig, so König. „Das hängt von vielen Faktoren ab. Einige haben ein finanzielles Polster, andere arbeiten ohnehin schon lange am Limit. Einige sind Besitzer der Immobilie, in der ihr Geschäft ist, andere sind Mieter.“ Er rate jedenfalls, Verhandlungen mit den Lieferanten aufzunehmen und Gespräche mit Vermietern zu führen. „Auch Vermieter haben ein Interesse daran, dass ihre Immobilie langfristig vermietet bleibt.“ Auch mit ihren Kunden sollten Einzelhändler nach Möglichkeit den Kontakt halten, ist sein weiterer Tipp, „beispielsweise über soziale Netzwerke“.
Grundsätzlich gebe es noch viele offene Fragen, weiß König aus Gesprächen. „Viele sind in dieser Lage verständlicherweise sehr angespannt und zum Teil auch emotional.“ Als Beispiel nennt der Handelsverband-Geschäftsführer Fragen nach der Möglichkeit, Lieferdienste einzurichten oder die, ob Weingeschäfte geöffnet bleiben dürfen. Für Nachfragen hat das Ordnungsamt inzwischen eine Servicestelle mit Mitarbeitern der Innenbehörde sowie des Ordnungsamtes eingerichtet. Erreichbar ist die Servicestelle unter der E-Mail-Adresse oeffentlicheordnung@ordnungsamt.bremen.de.