Regeln zur Maskenpflicht und zu Kontaktbeschränkungen, Neuigkeiten zu Impfstoffen und Impfzentren, zu Schnell- und Selbsttests – angesichts der Informationsflut im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie ist es nicht einfach, immer auf dem aktuellen Stand zu bleiben. Noch schwieriger ist es für Menschen in sozial benachteiligten Quartieren. Sprachliche Barrieren und der Bildungsstand beeinflussen zusätzlich die Möglichkeit, relevante Informationen zu finden, zu verstehen und umzusetzen. Bremen setzt in den Quartieren nun Gesundheitsfachkräfte ein, die dazu beitragen sollen, dass die Bewohner niedrigschwellig Informationen zum Coronavirus und zu Pandemie-Maßnahmen bekommen.
In den vier Nordbremer Gebieten, die mit Geldern aus dem Förderprogramm „Wohnen in Nachbarschaften" (Win) unterstützt werden, das sind die Grohner Düne, Marßel, Blumenthal und Lüssum, werden drei Gesundheitsfachkräfte arbeiten. Zwei von ihnen, Tanja Murawska und Bülent Aksakal, haben am 1. März bereits begonnen. Pia Hebbeler kommt als dritte Kraft am 1. April dazu. In ganz Bremen werden sich insgesamt elf Gesundheitsfachkräfte neun Vollzeitstellen teilen. Eine zehnte Stelle ist für die Koordination geschaffen worden. Die Organisation übernimmt die Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen (LVG & AFS).
Tanja Murawska hat Gesundheitswissenschaften studiert, Bülent Aksakal ist Sozialarbeiter. In der ersten Woche ihres neuen Jobs haben sie gemeinsam mit ihren Kollegen zunächst einmal eine Online-Qualifizierung durchlaufen. Ihre Arbeit in den Quartieren geht erst in den kommenden Wochen richtig los. Derzeit lernen sie die Grohner Düne und alle dort tätigen Akteure kennen. Die anderen Einsatzgebiete folgen nach und nach. Die Ansprechpartner sind die jeweiligen Quartiersmanager.
„Es geht jetzt erst einmal darum, Kontakte zu knüpfen, auf das vorhandene Netzwerk zuzugreifen und Vertrauen aufzubauen“, erläutert Tanja Murawska. Dass das schneller geht, als erwartet, erstaunt und freut die 38-Jährige. Weil es an der Jacobs University seit Kurzem in Zusammenarbeit mit der LVG ein Projekt gibt, bei dem Studenten Videos mit aktuellen Informationen rund um die Corona-Pandemie in sechs Sprachen drehen und auf Youtube veröffentlichen (wir berichteten), konnten Murawska und Aksakal bereits tätig werden und diese Information weiterverbreiten. „Es gibt hier einen Verein mit rund 80 Mitgliedern. Die haben die Info mit dem Link in ihrer Whatsapp-Gruppe weitergegeben und eine Schule wird dazu einen Elternbrief verschicken“, so Murawska.
Informationen über viele Kanäle
„Genau das ist unser Ziel: Dass die Informationen möglichst schnell möglichst viele Menschen im Quartier erreichen“, betont Bülent Aksakal. Neben sozialen Medien wie Whatsapp und Youtube wollen die Gesundheitsfachberater bereits vorhandene Beratungs- und Gruppenangebote, Kitas und Schulen, digitale Informationsveranstaltungen und schriftliche Materialien wie Flyer und Poster als Informationskanäle nutzen.
Inhaltlich sind die Themen rund um die Corona-Pandemie breit gefächert: „Es geht um die richtige Anwendung von Masken, um Impfungen, um Tests und vieles mehr“, sagt Aksakal. Dass der Bedarf an Informationen unter den rund 1700 Bewohnern des Grohner Win-Gebiets groß ist, weiß Quartierskoordinator Christian Ganske. „Vieles wurde und wird falsch verstanden. Eine Familie dachte, sie dürfte nicht mehr auf den Balkon gehen“, nennt er ein Beispiel. Auch Quarantäne-Anordnungen des Gesundheitsamtes wurden nicht verstanden, erzählt Ganske. Seiner Einschätzung nach gibt es zudem viel Aufklärungsbedarf zum Thema Impfungen. „Ich denke, dass die Impfbereitschaft ein Thema werden wird und auch die Frage, wer wann mit der Impfung dran ist.“
Die Stellen der Gesundheitsfachkräfte, die derzeit über den Bremen-Fonds finanziert werden, sind vorerst bis zum 31. Dezember befristet. Ganske, aber auch seine Kollegen aus den anderen Quartieren hoffen jedoch, dass sie langfristig bestehen bleiben.
„Das Thema Ernährung und Bewegung ist ohnehin wichtig. Viele Kinder haben in der Pandemie zugenommen, und wir hören aus Kitas und Schulen, dass es Rückschritte in der Entwicklung gibt“, sagt Heike Binne, Quartiersmanagerin in Lüssum. Sie betont: „Angebote und Aufklärung im Bereich Gesundheit sind dauerhaft wichtig.“ Dieser Meinung ist auch Carola Schulz, Quartiersmanagerin in Blumenthal: „Es wäre toll, wenn es auch langfristig Beratungen zu Themen wir Zahngesundheit und U-Untersuchungen geben würde.“ Dass Armut und Gesundheit in unmittelbarem Zusammenhang stehen, zeige nicht nur das ungleich verteilte Infektionsgeschehen in den Bremer Stadtteilen, betont Christian Ganske. „Das zeigt auch die unterschiedlich hohe Lebenserwartung in den Stadtteilen.“
Kontakt in den Quartieren
Ansprechpartner vor Ort ist die jeweilige Quartiersmanagerin beziehungsweise der jeweilige Quartiersmanager: für Grohn Christian Ganske: Telefonnummer 04 21 /6 59 37 14; für Blumenthal Carola Schulz: 04 21 / 96 03 63 17; für Lüssum Heike Binne: 04 21 / 36 17 92 93; und für Marßel vorerst noch (bis zur Neubesetzung der Stelle) Frank Oetjen: 04 21 / 65 89 93 01. Sie vermitteln Kontakte zu den Gesundheitsfachkräften. Marcus Wächter-Raquet ist Referent in der Landesvereinigung für Gesundheit und Akademie für Sozialmedizin Niedersachsen (LVG & AFS) und für die Gesundheitsfachkräfte in Bremen-Nord zuständig. Er hat ein Büro in Bremen und ist unter der Telefonnummer 05 11 / 38 81 18 93 04 erreichbar.