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Die Bienenmutter Der erste Honig

Die Honigernte ist ein Abenteuer für sich. Denn, wenn die Bienen merken, dass der Imker an die vollen Waben will, werden sie wild.
14.08.2019, 13:05 Uhr
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Der erste Honig
Von Patricia Brandt

Wie eine Wolke hängen die Bienen vor dem Fenster. Wir hören sie durch die Scheibe. Es ist nicht das normale Summen. Der Summton hat sich in ungeahnte Höhen geschraubt. Die Bienen sind offensichtlich nicht damit einverstanden, dass wir in dem ehemaligen Badezimmer meiner Imkerpatin den Honig von 19 Völkern aus den Waben schleudern.

Zwei Mal im Jahr erntet der Imker das süße Gold, einmal im Frühjahr die Frühtracht, die aus dem Nektar der früh blühenden Pflanzen wie Obstblüten und Löwenzahn besteht, und einmal jetzt, im Sommer, wenn die Linden geblüht haben. 26 000 Tonnen Honig haben die Mitglieder des Deutschen Imkerbundes 2018 geerntet und können damit immer noch nicht den Bedarf an Honig im Land decken: Nach Angaben des Deutschen Honigverbands werden jedes Jahr 85 000 Tonnen Honig eingeführt. Denn jeder Bundesbürger verspeist nach Informationen des Bundesinformationszentrums Landwirtschaft immerhin 1,1 Kilo Honig im Jahr.

„Wie viel Honig wirst du ernten?“ Diese Frage haben Freunde und Nachbarn im Laufe der vergangenen Wochen immer wieder gestellt. Ich war selbst gespannt, denn pauschale Antworten gibt es nicht. Laut einer Umfrage des Deutschen Bienenjournals unter Imkern lag die durchschnittliche Erntemenge im Sommer 2018 bei 16,3 Kilogramm pro Bienenvolk. Wobei es große regionale Unterschiede gab: Während die Bremer 19,8 kg ernteten, kamen in Bayern im Schnitt nur 14,9 kg zusammen.

Die Honigernte ist ein Abenteuer für sich. In dem Zusammenhang fällt mir ein Spruch ein: Imkern macht nicht schöner, heißt es. Seitdem ich gesehen habe, wie eine Neuimkerin nach ihrer Honigernte aussah, weiß ich warum: Bienenstiche können stark anschwellen und die Bienen hatten die Ärmste ausgerechnet ins Gesicht gestochen. Sogar zweimal. Ich hatte etwas mehr Glück.

Aber bevor ich Honig ernten konnte, musste ich im Imkerkursus erst lernen, wann der Honig überhaupt reif ist (wenn er bei der Spritzprobe nicht mehr aus der Wabe läuft) und üben, mit einer Entdeckelungsgabel umzugehen. Eine Entdeckungsgabel erinnert tatsächlich an Essbesteck, hat aber mehr Zinken. Damit hebt der Imker das bieneneigene Wachs von den Honigwaben. Mit dem Wachs verschließen die Biene die Zellen, in die sie den Honig einlagern. Sie verdeckeln den Honig.

Als technisch eher unbegabter Mensch hatte ich vor allem mit der Bienenflucht zu kämpfen. Bienenflucht klingt dramatisch, ist aber lediglich eine Plastikscheibe mit Röhren, die als eine Art Einbahnstraße zwischen Honigraum und Brutraum gelegt wird: Die Bienen können nur noch aus dem Honigraum hinauslaufen, aber nicht mehr hinein. Das hat den Vorteil, dass man die Bienen am Erntetag nicht von den Honigwaben abfegen muss, was sie nicht sonderlich mögen. Weil ich vor Aufregung vergessen hatte, wie man die Bienenflucht einlegt, habe ich mir morgens vor der Arbeit schnell noch ein Video auf Youtube angeschaut.

Als ich die frisch gefüllten Honigwaben aus dem Bienenkasten zog, war das schon ein besonderer Moment. Bis zu zweieinhalb Kilo kann eine Honigwabe wiegen. Es riecht unheimlich gut! Ich bin mittlerweile sowieso überzeugt, dass ich meine Bienen vor allem deshalb so mag, weil ich sie so gut riechen kann.

Ich holte sechs Waben heraus: Weil das Volk noch jung ist und erst den Honigraum hatte ausbauen müssen, hatte es wenig Zeit, Honig einzulagern. Mein zweites Mini-Volk ließ ich ganz in Ruhe – es ist noch immer mit dem Ausbau seines Heimes beschäftigt. Dieses kleine Volk füttere ich weiterhin mit süßem Futterteig aus dem Bienen-Fachhandel auf. Auch das größere Volk muss ab jetzt gefüttert werden. Wie viele Kilo Sirup sie im Winter vertilgen, werde ich berichten.

Meine Kinder hätten es besser gefunden, wir hätten den Bienen lieber ihren Honig gelassen. Ich habe das bei den Imkerkollegen angesprochen und erfahren, dass dies nicht ratsam sei. Zum einen werde beispielsweise Rapshonig betonfest und könne von den Bienen später nicht mehr verwertet werden. Zum anderen fördere Honig zu Räuberei unter Bienen und damit schlimmstenfalls zum Ausbruch der Faulbrut-Seuche. Damit war die Sache für mich entschieden.

Honig zu machen ist im Prinzip kinderleicht. Allerdings braucht man dazu eine Honigschleuder, bei der der Honig mithilfe der Zentrifugalkraft aus den Waben geschleudert wird. Der Neupreis schon einer einfachen, manuell betriebenen Schleuder liegt im Fachhandel bei rund 300 Euro. Vereinsmitglieder können sich zwar bei den Imkern von 1875 in Oberneuland ein Gerät leihen. Ich war aber froh, mit meiner Patin Anke Scheffler-Hincke zusammen schleudern zu dürfen. „Bring am Mittwoch deine Honigwaben mit möglichst wenigen Bienen in einer Box mit“, schrieb sie mir.

Als ich ankam, hatte Anke Scheffler-Hincke schon ihre große Honigschleuder im ehemaligen Badezimmer aufgebaut und zahlreiche 25 Liter-Eimer mit Honig gefüllt. Nur mal so nebenbei: Sie hat in drei Tagen 177 Kilogramm Honig von ihren 18 Völkern geschleudert. Dazu kamen viele Stunden Aufräumen, Wegstellen, Putzen. „Kann keinen Honig mehr sehen“, sagte sie.

Draußen herrschte brütende Hitze, über 30 Grad im Schatten. Nach zwei Stunden Honigschleudern klebte ich am ganzen Körper – der Honig tropft nach dem Entdeckeln natürlich aus den Waben, wenn man diese zur Schleuder trägt. Es passierte ziemlich zum Schluss, dass ich versehentlich auf eine von Anke Scheffler-Hinckes Bienen fasste. Sie hatte es irgendwie doch ins Bad geschafft und sich direkt auf die Handkurbel der Honigschleuder gesetzt. In ihrer Todesangst stach die Ärmste zu.

Mein erster Bienenstich. Ich hätte nicht vermutet, dass es so weh tun würde. Der Schmerz betäubte meine Hand. Der Stachel pumpte das Eiweißgift unentwegt in meinen Finger, der zusehends rot und dicker wurde. Ich weiß, ich bin ein Weichei, aber ich war unfähig, weiter zu kurbeln. Natürlich ist das nichts im Vergleich zum Schicksal, das die Biene ereilte: Bei einem Stich reißt der Stachel der Biene heraus und sie stirbt daran.

Obwohl wir ihn sofort kühlten, blieb mein Finger über Tage geschwollen. Er sah aus wie eine Wurst, die man in die Pelle gepresst hat. Am zweiten Tag fing er außerdem an zu jucken. „Nicht kratzen“, mahnte Anke Scheffler-Hincke. Das ist die Bilanz meiner ersten Honigernte: Sieben Gläser Honig, ein Stich, viele neue Eindrücke.

Meine Kinder haben ihn inzwischen auch probiert und sind begeistert. Obwohl sie zunächst nichts davon essen wollten. Vor allem nicht, als sie erfuhren, dass die Honigsammlerinnen den Nektar im Stock auswürgen...

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