Vegesack. "Das Gläschen Sekt zum Abschluss des Abends haben wir uns hier gegönnt." Martin Mader sitzt an dem kleinen runden Tisch in seiner Buchhandlung "Otto und Sohn" in Vegesack. Die Augen strahlen und trotz Mund-Nasen-Schutz ist ihm das Lächeln anzusehen. Einen Abend zuvor hatten er und seine Frau Sabine den ersten Bremer Buchhandlungspreis verliehen bekommen. "Diese Ehrung ist ein schönes Dankeschön – für uns, für die Mitnominierten, für die unabhängigen Buchhändler", sagt Martin Mader und wird nachdenklich. Denn dieser Auszeichnung unter dem Motto "Sichtbarkeit in Zeiten des Lockdowns" gehen schwierige Zeiten voraus.
Am 16. März 2020 wird der erste Lockdown beschlossen, am 22. März tritt er in Kraft: "Die Lichter gingen aus, wir waren alle noch einmal im Laden." Das achtköpfige Team sei dann durch Vegesack gelaufen, "wie zur Bestätigung schauten wir uns die geschlossenen Geschäfte an". Da war für Martin Mader schon klar: "Aufgeben und Stillstand gibt es nicht." Seine Devise: "Wir machen etwas, probieren aus, sind mutig. Geht der Plan nicht auf, ändern wir ihn ab." Ein Motto, das der Buchhandlung Otto und Sohn, dessen Inhaber Sabine und Martin Mader sind, jetzt den mit 3000 Euro aus Mitteln des Senators für Kultur dotierten Preis einbrachte.
Eine Kundin sei es gewesen, die Martin Mader einen Weg wies. "Meine Frau und ich standen bis zu diesem Zeitpunkt mit Social Media eher auf Kriegsfuß." Die Kundin schulte, so zog am 23. März auch die digitale Welt in die Buchhandlung ein. Facebook, Instagram und Co: "Durch meine Theatererfahrung hatte ich keine Angst vor der Kamera", gesteht der Hobbyschauspieler, der für das Statt-Theater seit Jahren auf der Bühne steht. Und Martin Mader lernt – sowohl im ersten, als auch im zweiten Lockdown – das Verbundenheit mit Bremen-Nord, Gespräche und Netzwerken auch digital funktionieren.
Die Corona-Chroniken entstehen, schaffen fast täglich Verbindungen zur Außenwelt, zu den Kunden, erzählen von Büchern, vom Leben in der Buchhandlung, geben einen Blick hinter die Kulissen. Immer mehr Klicks zeigen das Interesse, und dann steht plötzlich Thorsten Michaelis vor der Tür. Der Inhaber des Lederwaren-Geschäftes in der Gerhard-Rohlfs-Straße hat einen Werder-Koffer dabei. "Wir haben einen Videofilm gedreht", sagt Martin Mader. Eine weitere Möglichkeit der Vernetzung ist damit gegeben, die Geschäftswelt in Bremen-Nord arbeitet Hand in Hand, "was wir auch müssen", ist Martin Mader mit Blick in die Zukunft überzeugt. Denn die Pandemie habe durchaus für einen Wandel im Käuferverhalten gesorgt. "Es sind weniger Kunden, die kaufen mehr. Und es sind neue dazugekommen", erzählt er aus seinen Erfahrungen.
Gleichzeitig versucht er digital Bremen-Nord und umzu zu unterhalten, durch Interviews mit Geschäftskollegen und Institutionen, "Malte Prieser, Heiko Dornstedt, Katja Pourshirazi", Dinge, die in Bremen-Nord passieren, "beispielsweise die Verlegung des Schulschiff Deutschlands" werden von Martin Mader kommentiert. Die digitale Welt nutzt Martin Mader auch nach den Lockdowns weitgehend aus, "aber auch die analoge Welt kam und kommt bei uns nicht zu kurz", gesteht er. So geben während des Lockdowns große Plakate vor dem Bauch und hinterm Rücken Hinweise auf die Buchhandlung und der Möglichkeit, Bücher telefonisch zu bestellen. Martin Mader läuft als sogenannter "Sandwich-Man" über den Grünmarkt.
Während des Lockdowns sind zudem telefonische Buchbestellungen oft mit einem längeren Plausch am Hörer verbunden. Und in der Adventszeit liefert Martin Mader gleich noch als Weihnachtsmann auf dem Fahrrad die bestellten Bücher aus. Der noch vor der Pandemie geplante Bücherplausch mit Martin Mader und Katja Pourshirazi, "die Flyer waren schon fertig", läuft kurzerhand digital, "für September drehen wir auf jeden Fall noch einen Plausch online, wie es im Oktober und November weitergeht, weiß ich noch nicht".
All dies und mehr stand im Übrigen auch in den Bewerbungsunterlagen, die Sabine und Martin Mader zur Teilnahme am ersten Bremer Buchhandlungspreis einreichten. "Für die Ausführlichkeit, samt angehängter Bildergalerie, wurden wir gesondert gelobt", sagt er nicht ohne Stolz. Gab es für das digitale Engagement zuvor eher analoges Feedback, "am Telefon oder im Laden", so "explodierten" am gestrigen Freitag ihre Accounts, wie Martin Mader gesteht. "Es gab online unglaublich viel Zuspruch und Gratulationen", freut er sich.
Und was wird nun aus den 3000 Euro Preisgeld? "Auf dem Weg zur Preisverleihung haben wir uns erste Gedanken gemacht, was wäre wenn", gesteht der Vegesacker Buchhändler und erzählt: "Als erstes lassen wir uns es als Team gut gehen, vermutlich im Vegesacker Restaurant Jan Tabac. Die Summe, die wir dort gemeinsam ausgeben, werden wir in gleicher Höhe an das Sozialwerk Deutscher Buchhändler für die Kollegen, die Opfer der Flutkatastrophe geworden sind, spenden. Der Rest wird in die Buchhandlung investiert."