Herr Wolf-Gladrow, Marsmenschen sind ja so etwas wie ein geflügeltes Wort für außerirdisches Leben. Was nährt aktuell neue Hoffnungen, tatsächlich Leben außerhalb der Erde nachweisen zu können?
Dieter Wolf-Gladrow : Jüngst hat der Astrophysiker Roberto Orosei Ergebnisse von Radarmessungen veröffentlicht, die flüssiges Wasser auf dem Mars nachweisen unter der Eiskappe seines Südpols. Dazu wurden über Jahre viele Daten der Raumsonde „Mars-Express“ detailliert ausgewertet und mithilfe von Modellrechnungen interpretiert.
Das heißt, man geht davon aus, dass nur flüssiges Wasser Leben ermöglicht?Das ist erst mal nur eine Annahme. Flüssiges Wasser ist allerdings ein gutes Lösungsmittel mit besonderen physikalischen und chemischen Eigenschaften. Das wäre einen eigenen Vortrag wert. Und: Wasser kommt – nicht nur in gefrorener, sondern auch in flüssiger Form – häufiger vor, als man noch vor wenigen Jahrzehnten gedacht hat.
Sind nicht rein hypothetisch auch Organismen denkbar, die andere Materie zum Hauptbestandteil haben?Im Prinzip ja. Aber ich werde im Wesentlichen über die Bedeutung von flüssigem Wasser reden. An der Oberfläche gibt es das nach bisherigem Kenntnisstand ja nur auf der Erde. Aber in den letzten 20 Jahren sind große Ozeane unter der Oberfläche anderer Himmelskörper entdeckt worden; teils wird das Wasser sogar in Fontänen ausgespien, wie auf dem Saturnmond Enceladus. Das sind prinzipiell günstige Voraussetzungen für die Entstehung von Leben.
Wenn nun infolge der weiteren Forschungen tatsächlich Leben auf dem Mars oder anderswo im Universum bekannt würde, was wäre Ihrer Ansicht nach die Folge – gesellschaftlich wie auch wissenschaftlich?Aus wissenschaftlicher Sicht kann man Leben außerhalb der Erde erwarten, wenn auch nicht unbedingt in unserem Sonnensystem. Die Entdeckung von Leben außerhalb der Erde könnte dieses wissenschaftliche Weltbild stärken und damit auch auf die Gesellschaft wirken – im Zeitalter von „fake news“ sicherlich wichtig. Eine Entdeckung von Leben in unserem Sonnensystem wäre insofern sensationell und würde die Wahrscheinlichkeit für Leben in anderen Sonnensystemen deutlich erhöhen. Von Interesse wäre natürlich, ob dieses Leben aus der gleichen oder ähnlichen chemischen Basis besteht, etwa hinsichtlich der DNA oder der Proteine. Die Existenz außerirdischen Lebens hätte sicherlich sehr vielfältige Einflüsse, man denke nur einmal an den Übergang vom geozentrischen zum heliozentrischen Weltbild ... .
Also von Zeiten, in denen die Erde als Mittelpunkt des Universums galt, hin zu Kopernikus, der die Sonne als Zentralgestirn darstellte ...... das wäre einmal eine genauere Untersuchung wert, welche Auswirkungen zu erwarten wären.
Geht es bei der Suche nach außerirdischem Leben eventuell auch um die Frage eines „Ausweichplaneten“ für die Menschheit?Dies ist meines Wissen nur für den Mars diskutiert worden. Auch wenn beispielsweise für den Jupitermond Europa oder eben den Saturnmond Enceladus mit ihrer eisigen Oberfläche das Vorkommen von flüssigem Wasser angenommen wird – ein Leben in ihren dunklen, kilometertief liegenden Ozeanen erscheint doch wenig attraktiv. Allerdings müsste man auch für die Bewohnbarkeit des Mars zunächst die Atmosphäre drastisch verändern: Es bräuchte mehr Treibhausgase, weil es dort sonst mit Höchsttemperaturen von -67 Grad Celsius zu kalt wäre, und mehr Sauerstoff ist auch nötig. Tatsächlich gab es im Rahmen früherer Abrüstungsverhandlungen mal den Vorschlag, Interkontinentalraketen zu nutzen, um den Mars solchermaßen umzuformen. Da wäre CO2 benötigt worden, man wäre gleichzeitig Treibhausgase losgeworden …, aber das sind Fiktionen geblieben. Und mal ehrlich: Mit dem Aufwand, der dafür nötig wäre, könnte man auch die Erde noch ein wenig länger erhalten.
Warum sollten sich Ihrer Ansicht nach (mehr) Menschen für diese Art von Forschung interessieren?Ich möchte den Menschen hier nichts vorschreiben, zumal sie vielleicht mit sehr vielen Problemen in ihrem Leben zu kämpfen haben. Ich finde nur die Frage nach Leben außerhalb der Erde faszinierend. Die Erkenntnisse aus dieser Forschung könnten uns helfen, die Frage nach Entstehung von Leben auf der Erde besser zu beantworten und damit letztlich auch unsere eigene Entstehung besser zu verstehen. In der Raumfahrtforschung muss man aber oft viel Geduld mitbringen, zum Beispiel bei der Cassini-Mission zum Saturn zwei bis drei Jahrzehnte. Und auch wenn sich meine tägliche Arbeit mehr um irdische Themen dreht: Ich selbst betrachte die Erde vor dem geistigen Auge oft von weit außen und bewundere ihre Einzigartigkeit, zumindest in unserem Sonnensystem.
Das Interview führte Edith Labuhn.Dieter Wolf-Gladrow
(65) hat Physik an der TU Braunschweig studiert und in seiner Doktorarbeit – im Rahmen des Voyager-Programmes mit seinen Raumsonden zum Jupiter und Saturn – Aspekte der Wechselwirkung zwischen dem Planeten Jupiter und seinem Mond Io beleuchtet. Als Physiker kam Wolf-Gladrow schließlich an das Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven. Seit 1999 ist er zudem Professor für theoretische marine Ökologie an der Universität Bremen.
Der Vortrag „Leben auf dem Mars?" mit Professor Dieter Wolf-Gladrow beginnt am Mittwoch, 26. September, um 19 Uhr. Er findet auf dem Schulschiff Deutschland, Zum Alten Speicher 15, in Vegesack statt. Der Vortrag wird musikalisch untermalt. Platzreservierungen sind unter der Telefonnummer 04 21 / 63 22 14 möglich.