Vegesack. Der Mann schafft es, den Rentnern im Saal zuzurufen, dass mit ihm keine Rentenerhöhungen im Maßstab der Tarifabschlüsse zu machen sind – und bekommt von den 90 Zuhörern in der Strandlust auch noch Applaus. Der Nordrhein-Westfälische FDP-Chef Christian Lindner kann Wahlkampf in lauten und leisen Tönen und schafft es dabei noch, mit einigen Aussagen zu überraschen. Zwanzig Prozent der Deutschen seien Liberale, von denen die FDP nur zu wenig erreiche, so der 44Jährige Politikwissenschaftler.
Ausgiebig nimmt sich der ehemaligen FDP-Generalsekretär Zeit für die Nachfragen des Publikums. Und man kauft es ihm ab, dass er nicht viel darauf gibt, dass die Meinungsforscher die FDP mal wieder nur bei vier Prozent sehen: "Ach wissen Sie, wir sind bei so vielen Wahlen unterschätzt worden." Es gehe darum, mit der FDP Selbstbestimmung zu wählen, Eigenverantwortung und den Vorrang des Bürgers vor den Bürokraten. Vom aktuellen Länderfinanzausgleich hält er wenig: "Das heutige System setzt zu wenige Anreize, die eigene Steuerkraft zu stärken." Kein Widerspruch aus dem Saal.
Richtig ins Visier nimmt der FDP-Jungstar dann allerdings nicht das kleinste Bundesland, sondern die Verbotsvorstöße der Grünen: "Der Staat sollte seine Bürger wie Erwachsene behandeln. Niemand sollte nach der Fasson von Frau Künast glücklich werden müssen – der steht die Lebensfreude ins Gesicht geschrieben." Den Soli wollen die Liberalen abschaffen. Spielraum dafür sei, wenn es zu den von Schäuble berechneten Steuerüberschüssen komme, so Lindner.
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz ist aus Sicht der FDP dringend reformbedürftig. Lindner macht Witze über bayerische Solardächer, unter denen so mancher Landwirt gar keine Viehhaltung mehr betreibe: "Dabei ist Solarstrom in Deutschland so sinnvoll wie eine Ananaszucht in der Sahara. Wir müssen hier das ökologisch wünschenswerte mit dem physikalisch und ökonomisch machbaren verbinden."
Immer wieder kommt er aber auf den strukturell ausgeglichenen Haushalt zu sprechen, den die FDP mit der Union vorgelegt habe. Diese Botschaft geht auch von Lindners Vorrednern Torsten Staffeldt und Hauke Hilz, den beiden Bremer FDP-Bundestagskandidaten hinaus ans Wahlvolk: "Deutschland ging es noch nie so gut wie heute."
Von Staffeldt gab es noch eine amüsante Anmerkung zum Grünen-Vorstoß für einen Veggie-Day: "Sie wissen doch, dass Vegetarier indianisch ist, oder? Übersetzt heißt das soviel wie schlechter Jäger."